Oder-Spree - Abgemagerter Wolf in Rietz-Neuendorf hatte wohl Räude - Experten aber unbesorgt
Ein toter Wolf mit Räude in Rietz-Neuendorf schürt die Sorge, dass die Parasiten-Krankheit auf dem Vormarsch ist. Experten sprechen von Einzelfällen und geben Entwarnung. Allerdings sind Übertragungen auf Menschen und Haustiere möglich.
Die Bilder einer Wildkamera haben es bereits vermuten lassen: Ein kranker Wolf war Ende Dezember in der Gemeinde Rietz-Neuendorf (Oder-Spree) unterwegs. Struppig und abgemagert, ist er mit hängendem Schwanz davongeschlichen. Vor wenigen Tagen wurde es dann zur Gewissheit. Jäger haben das Tier tot und nahezu kahl auf einem gefrorenen Acker gefunden. Lediglich ein paar Büschel Fell an Brust und Hüfte seien übrig gewesen. "Es ist zwar ohne Fell schwerer zu erkennen, aber es war vermutlich ein Jungtier und noch kein Jahr alt", heißt es von einem der Finder.
Juckreiz und Fellverlust durch Milben
Alle Anzeichen lassen den Jägern zufolge auf die Räude schließen. Dabei handelt es sich um eine Parasiten-Erkrankung durch verschiedene Arten von Milben, erklärt Petra Senger, die Amtstierärztin von Oder-Spree. "Die Milben gehen in die Hautschichten rein, vermehren sich darin. Die Haut reagiert und verändert sich von Rötungen bis zu tiefen Schorfen. Das macht einen enormen Juckreiz, wodurch sich die Tiere massiv beißen und kratzen."
Besonders im Winter mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt kann das zum Problem werden, wenn die Wölfe mit dem Fell auch ihren Kälteschutz verlieren können. Das zeigen auch wissenschaftliche Untersuchungen mit Wärmebild-Kameras aus den USA [usgs.gov]. Die Folgen für den Wolf beschreibt Julian Dorsch, Wolfsbeauftragter im Auftrag des Landesumweltamtes (LfU) für die Kreise Teltow-Fläming und Dahme-Spree: "Sie sind der Witterung hilflos ausgesetzt. Unter Umständen haben sie Probleme auch selber zu jagen, besonders wenn es sich um ältere, junge oder Tiere mit Vorerkrankungen handelt, die dann nicht mehr mit dem Rudel mithalten können." Dies sei wahrscheinlich auch dem Wolf in Rietz-Neuendorf geschehen, sagt der Wolfsexperte, der den Kadaver selbst in Augenschein nehmen konnte.
"Es sind Einzelfälle"
Die Jäger, die das tote Tier gefunden haben, machen sich nun aber Sorgen, dass sich die Krankheit ausbreiten und so wohlmöglich auch in die Haustierbestände eingeschleppt werden könnte. Befürchtungen vor einem massenhaften Befall von Wölfen, gibt es dem Wolfsbeauftragten Dorsch zufolge aber nicht. "Es sind Einzelfälle. Es ist dann oft so, dass es bei den Wölfen die Jungtiere betrifft und dann die Jungtiere innerhalb eines ganzen Rudels betreffen kann. Aber generell ist das nicht problematisch. Es gibt immer mal wieder Fälle, aber es ist nicht so, dass es ein Problem in der Population ist oder zunimmt."
Auch im Austausch der insgesamt rund 40 Wolfsbeauftragten in Brandenburg sei die Räude kein Thema. Besondere Auffälligkeiten gebe es nicht. Hinzu kommt, dass alle Tiere, die in Brandenburg tot aufgefunden werden, am Leibniz-Institut für Wildtierforschung in Berlin untersucht werden, sagt Julian Dorsch weiter. Sei dort eine Häufung der Fälle zu erkennen, würden entsprechende Informationen an das Landesumweltministerium und die zuständigen Ämter gehen. "Soweit mir bekannt ist, führt das Land keine Statistik, da es in der Population nicht wirklich ein Problem ist." Auf eine entsprechende Anfrage heißt es, dass weder dem Umwelt- noch dem Gesundheitsminiterium Zahlen vorliegen, da Räude bei Wildtieren laut Tierseuchenverordnung nicht meldepflichtig ist.
Wolfsexperten: Räude ist kein Zeichen für Überpopulation
Da die Rudel in den meisten Fällen unter sich bleiben, ist eine Revier-übergreifende Übertragung zudem eher die Ausnahme. Das bestätigt auch Lutz Ittermann. Er ist ebenfalls Wolfsbeauftragter im Auftrag des LfU im Kreis Oder-Spree. Ittermann ordnet die wenigen Räude-Fälle als "nicht bedrohlich" ein. "Die Räude ist ein natürliches Regulativ in den Beständen und eine Auslese. Ich wünsche das keinem Tier, aber es spart das Schießen." Bei robusten Tieren könne die Krankheit auch wieder von alleine ausheilen.
Beide Wolfsexperten verweisen darauf, dass die Räude kein Zeichen für Überpopulationen ist, obwohl laut Ittermann mittlerweile fast alle Reviere in Brandenburg - von Cottbus, Elbe-Elster, Oder-Spree oder Teltow-Fläming - belegt sind. "Wir sind an der Obergrenze angekommen." Eine übermäßige Zunahme an Wölfen erwartet Ittermann zukünftig aber nicht, da die Tiere durch ihr Revierverhalten ihre Bestände auch ohne Eingriff des Menschen selbstständig regulieren könnten.
Ein Übergriff der Räude kommt aber durchaus vor. Vor allem da die Krankheit nicht nur Wölfe, sondern in freier Wildbahn beispielsweise auch Füchse, Waschbären oder Marder betrifft, sagt Oder-Spree Amtsveterinärin Petra Senger. "Es gibt verschiedene Milbenarten, und die sind spezifisch für bestimmte Tierarten oder auch zwischen den Tierarten übertragbar. Und es ist durchaus möglich, dass man sich als Mensch infiziert, wenn man innigen Kontakt zu befallenen Haustieren hat."
Eine Tierärztin in der Gemeinde Tauche hat dem rbb berichtet, dass vor einigen Monaten ein erkrankter Fuchs innerhalb eines Dorfes insgesamt fünf Hunde angesteckt hat. Grund zur Sorge besteht aber auch Petra Senger zufolge nicht. In ihrem Landkreis werden pro Jahr rund 90 tote Füchse zur Untersuchung eingeschickt. Bei lediglich fünf bis sechs werde die Räude festgestellt.
Außerdem führt Senger an, dass sich die Parasiten bei Menschen und Haustieren gut behandeln lassen. So gebe es viele Anti-Zecken-Mittel für Haustiere, die auch gegen Flöhe und Milben helfen.
Sendung: 18.01.2024, 15:10 Uhr