Raus aufs Land - Immer mehr Großstädter finden in Brandenburg ein neues Zuhause
Immer mehr Berliner zieht es raus aufs Land. Davon profitieren auch dünnbesiedelte Regionen wie das Oderbruch in Märkisch-Oderland. Hannah Breitenfeld und Anne Reichert haben in der Gemeinde Letschin einen Neuanfang gewagt.
Hannah Breitenfeld hat zehn Jahre als Kamera-Assistentin in Hamburg gearbeitet. Dort hat sich die 34-Jährige aber irgendwann nicht mehr wohlgefühlt. "Ich habe in Hamburg nicht den richtigen Mann gefunden. Alle meine Freunde haben so ihr Leben gelebt und eine Familie gegründet und geheiratet. Dann war die Entscheidung aufs Land zu ziehen, weil ich mich einfach alleine gefühlt habe in der Stadt", sagt Breitenfeld.
Schon vor ein paar Jahren hat sie ein kleines Haus in der Gemeinde Letschin (Märkisch-Oderland) erworben. "Diese Ruine habe ich für 20.000 Euro gekauft. Da habe ich Glück gehabt. Das kriegt man jetzt nicht mehr für den Preis", so Breitenfeld gegenüber dem rbb. Die Zeiten, als man für den Preis einer Jahresmiete im Prenzlauer Berg noch ein ganzes Gehöft in Brandenburg kaufen konnte, sind zwar vorbei. Vergleichsweise günstig ist das Wohnen dennoch – und für viele ein Argument, raus aufs Land zu ziehen.
2007 noch empfahl das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung der Politik, Wegzugsprämien für Menschen aus den abgehängten großstadtfernen Regionen zu zahlen. Inzwischen zeichnet dasselbe Institut ein völlig anderes Bild, und zwar bundesweit: 63 Prozent aller Landgemeinden verzeichneten zwischen 2018 und 2020 mehr Zu- als Wegzüge. Allein aus Berlin waren 2022 laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg rund 33.000 Menschen nach Brandenburg gezogen [statistik-berlin-brandenburg.de]. Das sind mehr als doppelt so viele wie in die umgekehrte Richtung.
"Die Neuen sind immer noch 20 Jahre lang die Neuen"
Für Hannah Breitenfeld blieb es nicht bei den 20.000 Euro. In ihrem Letschiner Häuschen musste so gut wie alles neu gemacht werden. Die vier Wände standen, sonst nichts. "Da musste Boden rein, Heizung rein, Wasser rein, Wände verputzen, neue Fenster, neue Türen und Strom legen", so Breitenfeld.
Auch ihre Freundin Anne Reichert aus Kreuzberg, die in Berlin als Krankenschwester tätig war, hat es nach Letschin verschlagen. "Hannah hat mir dann auch gleich erzählt, dass es hier keine Männer gibt, nur Frauen mit Haus. Da war ich erstmal satt", so Reichert schmunzelnd. Inzwischen sei sie aber glücklich auf dem Dorf: "Und ich war noch nie so ok damit, Single zu sein." Alleine nach Letschin gezogen zu sein, sieht sie auch als Vorteil: "Ich glaube, wenn man als Pärchen aufs Land zieht, lernt man nicht so viele Leute kennen, wie wenn man alleine unterwegs ist."
In Letschin fühlt sich die 41-Jährige inzwischen angekommen. Trotzdem, das Gefühl, Zugezogene zu sein, werden die beiden Frauen nicht so schnell los, erklärte Reichert: "Ich glaube, dass es immer auf Dörfern so ist, dass da der alteingessene Kern ist und die Neuen sind immer noch 20 Jahre lang die Neuen."
Traum vom Landcafé vorerst geplatzt
Beide Frauen teilten das Gefühl von Einsamkeit in der Großstadt. Mit einem gemeinsamen Projekt - einem Landcafé - wollten sie sich verwirklichen und der Gemeinde etwas Gutes tun. In einem leerstehenden Geschäftshaus, in dem die Gemeinde eine Touristeninformation plante, sollte das Landcafé errichtet werden. "Dann dachten wir, das könnte man ja alles schön koppeln. Dann kommen die Leute eh und haben es noch gemütlich. Dann haben auch die anderen aus dem Dorf eine Begegnungsstätte. Genau das, was die Gemeinde auch will", sagte Reichert.
Auch der Letschiner Bürgermeister Michael Böttcher zeigte sich vom Enthusiasmus der beiden Frauen begeistert. "Ich denke mal, Hannah und auch Anne sind diejenigen, die sehr optimistisch und positiv für sich selbst in die Zukunft schauen. Ich bin sehr zuversichtlich."
Doch was auf großen Zuspruch stieß, stellte sich in der Umsetzung als deutlich schwieriger heraus. Denn die Gemeinde stellte irgendwann fest, dass der Café-Betrieb mit der Touristinfo zunächst offiziell ausgeschrieben werden muss. Dadurch musste das Café-Projekt erstmal auf Eis gelegt werden.
Neue Jobs, neue Perspektiven
Aufgeben kommt für die zwei Freundinnen nicht in Frage. Beide haben inzwischen einen neuen Job gefunden. Hannah Breitenfeld jobbt befristet im Wildpark in Frankfurt (Oder). Anne Reichert arbeitet jetzt in einer Psychotherapie. "Und wenn das jetzt noch länger dauert oder aus irgendeinem Grund nicht klappen sollte mit dem Café, dann überlegen wir uns was anderes", so die beiden Letschinerinnen.
Sendung: Inforadio, 16.01.2024, 18:10 Uhr
Mit Material von Fred Pilarski