Mieterverein zu Haus in Schöneberg - "Sollte das Gebäude wirklich einstürzen, sind die Mieter leider nicht mehr länger geschützt"
In Schöneberg mussten mehrere Mieter ihre Wohnungen verlassen, weil ihr Haus einsturzgefährdet ist. Was der Vermieter nun alles für sie zahlen muss und ab wann sie keine Rechte mehr haben, erklärt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.
rbb|24: Herr Bartels, mehrere Mieter mussten aus einem Haus in Schöneberg vorläufig ausziehen, weil es zum Teil einsturzgefährdet ist. Wer entscheidet, ab wann ein Haus einsturzgefährdet ist?
Sebastian Bartels: Die jeweilige Bauaufsichtsbehörde muss drohende Gefahren prüfen und schnellstmöglich abwenden. Der Gebäudeeigentümer ist dabei zuvor anzuhören. Der Eigentümer darf übrigens nicht seine Verantwortung auf die Behörde abwälzen: Er selbst wird unmittelbar verpflichtet, auf eigene Kosten unverzüglich Maßnahmen zu treffen, die den Einsturz seines Gebäudes und die Gefährdung von Nachbargrundstücken verhindert. Dazu zählt zunächst die Pflicht, in Verdachtsfällen ein Gutachten über die Standfestigkeit einzuholen.
Bei dem Haus in Schöneberg hat es offenbar schon zuvor Risse in der Hausfassade gegeben. Wie schnell muss gehandelt werden?
Wenn Mieter in stark vernachlässigten Häusern solche Risse und gravierende Putzschäden beobachten und der Vermieter – wie offenbar hier – auf Mieterbeschwerden nicht ausreichend antwortet, sollten sie die Bau- und Wohnungsaufsicht ihres Bezirks einschalten. Das hat nichts mit Anschwärzen zu tun, sondern kann den Druck auf Eigentümer erhöhen. Die Behörde muss dann nämlich von Amts wegen tätig werden und den Vermieter auf Grundlage des Wohnungsaufsichtsgesetzes zum Handeln auffordern.
Die Mieter bekommen in Schöneberg Hotels als Unterkünfte angeboten. Haben Mieter in so einem Fall immer Anspruch auf solch eine Hotelunterkunft und in welcher Höhe und für welche Dauer werden hier die Kosten vom Vermieter erstattet?
Schon aus Kulanzgründen halten wir es für selbstverständlich, dass der Vermieter den betroffenen Mieter in einer solchen Notsituation unbürokratisch hilft. Denn Hotels und Privatunterkünfte sind sehr teuer; sie übersteigen oft die Wohnungskosten. Nur wenige können solche Kosten für mehrere Tage vorstrecken. Zudem ist die juristische Prüfung, ob ein Anspruch besteht, langwierig. Einen Anspruch auf Ersatz von Ersatzunterkunft gibt es aber nicht nur, wenn der Mangel verschuldet ist, sondern gemäß § 555a Absatz 3 BGB auch dann, wenn den Vermieter kein Verschulden trifft.
Gibt es weitere Kosten, die Mieter bei solch einem erzwungenen Auszug erstattet werden müssen?
Wenn der Mieter seine eigene Küche nicht mehr benutzen kann und darf, muss er ja außerhalb essen – diese Kosten in angemessenem Umfang muss der Vermieter ihm ebenfalls erstatten. Auch Fahrtkosten zwischen der Wohnung und dem Hotel gehören dazu, zum Beispiel um private Sachen aus der Wohnung zu holen. Auch die Kosten einer Einlagerung von wichtigen Utensilien nah beim Hotel können erstattet werden. Wichtig ist es, alle Quittungen aufzubewahren.
Welche Rechte haben die Mieter, wenn das Haus schlussendlich abgerissen werden muss?
Sollte das Gebäude wirklich einstürzen oder abgerissen werden müssen, sind die Mieter leider nicht mehr länger geschützt. In diesem Fall müsste der Vermieter das Objekt und die Wohnungen weder neu errichten noch den Betroffenen einen neuen Mietvertrag für eine gleichwertige Wohnung anbieten. Bis zur Beseitigung des Objekts dürfte die Miete aber um 100 Prozent gemindert sein, zudem müsste der Vermieter zumindest noch solange eine Ersatzunterkunft stellen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Stefan Ruwoldt, rbb|24
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.04.2024, 09:28 Uhr