Mieterverein zu Haus in Schöneberg - "Sollte das Gebäude wirklich einstürzen, sind die Mieter leider nicht mehr länger geschützt"

So 14.04.24 | 12:05 Uhr
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Archivbild: In der Fassade eines Gebäudes in der Goltzstraße in Schöneberg sind starke Risse aufgetreten. (Quelle: dpa/Pilick)
Video: rbb24 Abendschau | 12.04.2024 | Petra Gute | Bild: dpa/Pilick

In Schöneberg mussten mehrere Mieter ihre Wohnungen verlassen, weil ihr Haus einsturzgefährdet ist. Was der Vermieter nun alles für sie zahlen muss und ab wann sie keine Rechte mehr haben, erklärt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.

rbb|24: Herr Bartels, mehrere Mieter mussten aus einem Haus in Schöneberg vorläufig ausziehen, weil es zum Teil einsturzgefährdet ist. Wer entscheidet, ab wann ein Haus einsturzgefährdet ist?

Sebastian Bartels: Die jeweilige Bauaufsichtsbehörde muss drohende Gefahren prüfen und schnellstmöglich abwenden. Der Gebäudeeigentümer ist dabei zuvor anzuhören. Der Eigentümer darf übrigens nicht seine Verantwortung auf die Behörde abwälzen: Er selbst wird unmittelbar verpflichtet, auf eigene Kosten unverzüglich Maßnahmen zu treffen, die den Einsturz seines Gebäudes und die Gefährdung von Nachbargrundstücken verhindert. Dazu zählt zunächst die Pflicht, in Verdachtsfällen ein Gutachten über die Standfestigkeit einzuholen.

Bei dem Haus in Schöneberg hat es offenbar schon zuvor Risse in der Hausfassade gegeben. Wie schnell muss gehandelt werden?

Wenn Mieter in stark vernachlässigten Häusern solche Risse und gravierende Putzschäden beobachten und der Vermieter – wie offenbar hier – auf Mieterbeschwerden nicht ausreichend antwortet, sollten sie die Bau- und Wohnungsaufsicht ihres Bezirks einschalten. Das hat nichts mit Anschwärzen zu tun, sondern kann den Druck auf Eigentümer erhöhen. Die Behörde muss dann nämlich von Amts wegen tätig werden und den Vermieter auf Grundlage des Wohnungsaufsichtsgesetzes zum Handeln auffordern.

Die Mieter bekommen in Schöneberg Hotels als Unterkünfte angeboten. Haben Mieter in so einem Fall immer Anspruch auf solch eine Hotelunterkunft und in welcher Höhe und für welche Dauer werden hier die Kosten vom Vermieter erstattet?

Schon aus Kulanzgründen halten wir es für selbstverständlich, dass der Vermieter den betroffenen Mieter in einer solchen Notsituation unbürokratisch hilft. Denn Hotels und Privatunterkünfte sind sehr teuer; sie übersteigen oft die Wohnungskosten. Nur wenige können solche Kosten für mehrere Tage vorstrecken. Zudem ist die juristische Prüfung, ob ein Anspruch besteht, langwierig. Einen Anspruch auf Ersatz von Ersatzunterkunft gibt es aber nicht nur, wenn der Mangel verschuldet ist, sondern gemäß § 555a Absatz 3 BGB auch dann, wenn den Vermieter kein Verschulden trifft.

Hotels und Privatunterkünfte sind sehr teuer; sie übersteigen oft die Wohnungskosten. Nur wenige können solche Kosten für mehrere Tage vorstrecken.

Sebastian Bartels, Berliner Mieterverein

Zur Person

Sebastian Bartels ist Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Er war bis 2015 sieben Jahre lang als Anwalt für den Mieterverein tätig. Schon seit Ende der 90er Jahre gehört Miet- und Wohnungseigentumsrecht zu seinen Schwerpunkten. Der Mieterverein bietet eine Beratung für Mieter in allen Berliner Bezirken an.

Gibt es weitere Kosten, die Mieter bei solch einem erzwungenen Auszug erstattet werden müssen?

Wenn der Mieter seine eigene Küche nicht mehr benutzen kann und darf, muss er ja außerhalb essen – diese Kosten in angemessenem Umfang muss der Vermieter ihm ebenfalls erstatten. Auch Fahrtkosten zwischen der Wohnung und dem Hotel gehören dazu, zum Beispiel um private Sachen aus der Wohnung zu holen. Auch die Kosten einer Einlagerung von wichtigen Utensilien nah beim Hotel können erstattet werden. Wichtig ist es, alle Quittungen aufzubewahren.

Welche Rechte haben die Mieter, wenn das Haus schlussendlich abgerissen werden muss?

Sollte das Gebäude wirklich einstürzen oder abgerissen werden müssen, sind die Mieter leider nicht mehr länger geschützt. In diesem Fall müsste der Vermieter das Objekt und die Wohnungen weder neu errichten noch den Betroffenen einen neuen Mietvertrag für eine gleichwertige Wohnung anbieten. Bis zur Beseitigung des Objekts dürfte die Miete aber um 100 Prozent gemindert sein, zudem müsste der Vermieter zumindest noch solange eine Ersatzunterkunft stellen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Stefan Ruwoldt, rbb|24

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.04.2024, 09:28 Uhr

65 Kommentare

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  1. 65.

    Es gab jahrelang und sehr gerne genutzt öffentl. Förderung für kleinere Vermieter z.B. Dachgeschossausbauten. Diese Gelder wurden natürlich gerne genommen, die Angelegenheit irgendwie doch glatt vergessen, als man die Miete erhöhen wollte. Übrigens, das ist ja der Rechtswahnsinn, Vwermieter können eine höhere Miete verlangen und trotzdem bestehende Mietmängel nicht beseitigen. Mein Vermieter hat jahrelang einen gemeldeten Mietmangel nicht beseitigt an seinem Kapital, seinem Eigentum!! Jetzt ist eine Terrasse ganz kaputt (Betretungsverbot)(als Mietmangel sieht er das nicht), Rep.beginn nach 1,5 Jahren, eingestellt b.a.w. da Holzschimmelbefall = jetzt 3 seiner Wohnungen evtl betroffen - sein Kapital, sein Eigentum!!

  2. 64.

    Wir reden hier nicht von Neuvermietung, sondern von Altverträgen. Die werden bei Eigentümerwechsel übernommen. Ein Großteil der Mieter dieser Stadt haben Altverträge. Und deswegen gibt auch niemand eine Wohnung auf und es gibt keine Bewegung mehr im Mietmarkt. Lieber werden Mietwohnungen vom Mieter untervermietet. Günstige Wohnungen werden, falls dann doch mal eine frei wird, auch nicht mehr inseriert, sondern gehen per Vitamin B direkt wieder in die Vermietung. Dazu noch das Vermieterbashing, die Rufe nach noch mehr Mieterschutz und Enteignungen. Wohnungssuchenden tut man damit keinen Gefallen. Aber macht mal….

  3. 63.

    Wo hat man noch bei neu zu vermietenden Wohnungen "6-8 €Miete vor Steuern"?

    "Wie realitätsfern kann man eigentlich sein?"

    Das frage ich sie.

  4. 62.

    Klar, von 6-8 €Miete vor Steuern kann man einen Kredit abbezahlen. Wie realitätsfern kann man eigentlich sein?

  5. 61.

    Zitat: "Es geht keinem darum exorbitant hohe Mieten zu verlangen."

    In Beitrag #14 schrieben Sie noch, es würde sich für den Vermieter unabhängig von der Wohnlage nicht lohnen, für unter 25€/qm zu vermieten, da Instandhaltung eben Geld kostet. Und wenn Mieter, wie Sie schreiben, zu geizig für diesen Preis sind, tragen diese eben Schuld daran, wenn sich wie in vorliegenden Fall Risse in der Fassade auftun. Nee, is klar, Schnabeltier.

  6. 60.

    "... sollten Sie nicht den objektiven Anschauungspunkt betrachten. "

    Genau den betrachte ich. Der asoziale Handel mit Lebensgrundlagen sollte grundsätzlich verboten werden. Was Nestle mit Wasser betreibt machen hier Privatvermieter mit Wohnungen.

  7. 59.

    "Vermieter stellen ihr Eigentum / Kapital zur Verfügung und tragen damit ein ziemlich großes Risiko. "

    Ein weiteres Märchen. In den meisten Fällen dürfte das Geld von der Bank kommen, die eine wundersame Geldvermehrung massiv beworben haben, bis der Mieter die Wohnung für den Vermieter abbezahlt hat.

  8. 58.

    Lupo - ab ins Zelt. Das macht doch Freude, alles andere kostet nun mal Geld.

  9. 57.

    Sie meinen, jemand der sein Geld "in vollen Zügen" ausgibt, der darf nicht zur Miete wohnen? Fragwürdige Meinung.
    Woher wissen Sie, das genau jene Gutsituierten unbedingt preiswert wohnen wollen?
    Hach, Vorurteile und Verallgemeinerungen sind doch was Feines. :-))

    Sie kommen aber scheinbar überhaupt nicht auf die Idee, dass sich jemand ganz bewusst - aus welchen Gründen auch immer - gegen ein Eigenheim entscheidet. Egal, wie seine Vermögensverhältnisse sind.

  10. 56.

    Anstatt Vorwürfe zu machen das es privaten Gesellschaften oder privaten Vermietern nur um das Geld geht sollten Sie nicht den objektiven Anschauungspunkt betrachten. Eine Investition muss sich lohnen. Keiner wird sein Geld anderen schenken damit diese günstig wohnen können. Somit muss ich Ihren Vorwurf an Sie zurückgeben. Das Leben kostet Geld. Es geht keinem darum exorbitant hohe Mieten zu verlangen. Denn bei einem Leerstand zahlt man nur oben drauf. Aber das sehen Sie vor lauter Gier nicht.

  11. 55.

    Vermieter stellen ihr Eigentum / Kapital zur Verfügung und tragen damit ein ziemlich großes Risiko. Wie schon so oft geschrieben, müssen sie das natürlich nicht. Sie können ihr Eigentum künftig auch selber nutzen oder an Selbstnutzer verkaufen und das Kapital anderweitig verwenden. Wenn Sie glauben, dass das besser für Mieter ist, sind sie ziemlich realitätsfremd. Und auch diese pauschale Unterstellung, dass alle privaten Vermieter luxusmodernisieren und horrende Mieten nehmen ist absolut lächerlich. Aber auch Ihnen wünsche ich natürlich von Herzen, dass alle privaten Vermieter das Handtuch werfen. :-)

  12. 54.

    "Schaffen Sie selbst erstmal Wohnraum und tragen Verantwortung dafür, bevor Sie leichtfertig über Leute urteilen, die das bereits geschafft haben. "

    Welcher private Vermieter SCHAFFT denn Wohnraum mit den eigenen Händen? So ein Quatsch, sie entziehen dem Markt preiswerte Wohungen, lassen luxusmodernisieren um danach die Mieter ausnehmen zu können.

  13. 53.

    Hallo !!!, Berlin scheint die Stadt der Traumtänzer zu sein, in der die Immobilien vom Himmel regnen. Aber bitte möbliert und luxuriös.....und umsonst.

  14. 52.

    Stellen Sie sich vor, ich habe einen ganz normalen Job und arbeite seit ich 19 bin. Gerade Leute wie Sie bestätigen mir, dass Sie von Vermietung keinen blassen Schimmer haben und ich wünsche Ihnen von ganzen Herzen, dass alle privaten Vermieter hinschmeißen und an Selbstnutzer verkaufen.

  15. 51.

    Schon mal darüber nachgedacht, dass man zuerst arbeiten gehen muss um Geld zu verdienen, damit man sich überhaupt eine Immobilie leisten kann? Entschuldigung auch, wenn man sich dann auch noch erdreistet Miete dafür zu kassieren.

  16. 50.

    Da sich die Beraterqualität des Mietervereins ohnehin nur auf Googlesuche-Niveau beschränkt, ist es völlig egal, ob da Vermieter oder Mieter antworten.

    10 Jahre war ich Mitglied. 10 Jahre der Nichtbearbeitung, Schrottantworten oder falschen Antworten. Gekündigt und viel Geld gespart.

  17. 49.

    Liebe Nonna, ich glaube sehr wohl, dass zahlreiche Menschen hart arbeiten müssen, damit sie sich eine Immobilie leisten können. Das bleibt ihnen nur erspart wenn sie erben oder im Lotto gewinnen. Sie scheinen die Realität 'hinter dem Mond" vollkommen auszublenden. Es steht Ihnen frei, eine Genossenschaft zu gründen und unabhängig vom Vermieter zu leben. Schaffen Sie selbst erstmal Wohnraum und tragen Verantwortung dafür, bevor Sie leichtfertig über Leute urteilen, die das bereits geschafft haben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, dass Sie das erreichen, ohne dafür hart arbeiten zu müssen!

  18. 48.

    Kleiner Tipp: Fragen Sie ihren nächsten Berater beim Berliner Mieterverein mal, ob er/sie selbst Vermieter ist. Sie werden überrascht sein, was sie zu hören bekommen... Eine Beratung hätte dann schon mal einen Interessenkonflikt!

  19. 47.

    Liebe Eleonore,

    glauben Sie wir wohnen hinterm Mond? Kein Mensch arbeitet hart, um sich davon dann ein Haus oder Wohnung zu kaufen. Es gibt aber Menschen die glauben, das andere für deren Altersvorsorge sorgen sollen und andere dafür arbeiten lassen wollen. Dafür lassen sich diese Menschen von anderen Menschen Kredite aufschwatzen, für die man etwas Eigenkapital braucht oder etwas anderes mit einer Hypothek belieht, um Kapital aufzubauen. Dann ist die Denke, die Mieter sollen es richten und die Schulden dieser Leute abbezahlen und deren Risiko tragen. Also, wenn dieses Vorgehen nicht asozial ist, weiß ich aber auch nicht...

    Häuser gehören in den Besitz und die Verwaltung von denen die darin wohnen! Dann gäbe es viel weniger Fluktuation, mehr Gemeinschaft und auch viel mehr Anreiz die Häuser und Müllflächen zupflegen und zu hegen. Es wurde längst bewiesen wie es geht und DAS es geht und dazu noch billiger ist, als mit jeder Dritten involvierten Partei, die nur auf Gewinn aus ist!

  20. 46.

    Niemand ist für nichts verantwortlich, schon klar. Wahrscheinlich ist der Klimawandel schuld, oder? Etwas absurd sich jetzt hinzustellen und zu behaupten die Besitzer hätten überhaupt keinen Einfluss auf den Zustand des Hauses und stehen dem quasi machtlos gegenüber.

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