Datenauswertung - Viele junge Frauen verlassen Brandenburg nach der Schulzeit
Bei jungen Erwachsenen in Brandenburg gibt es statistisch gesehen einen Männerüberschuss. Laut Experten liegt das vor allem an der Abwanderung junger Frauen nach der Schulzeit. Von G. Gringmuth-Dallmer und R. Jurkschat
Unter jungen Erwachsenen in Brandenburg herrscht statistischer Männerüberschuss. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen, in dem viele Menschen die Weichen für ihre spätere Karriere stellen, eine Familie gründen oder sich für einen neuen Wohnort entscheiden, kommen auf 100 junge Frauen 115 Männer.
Das zeigen Zahlen der Bevölkerungsfortschreibung vom Amt für Statistik-Berlin-Brandenburg, die Ende Dezember erhoben wurden. Insgesamt lebten demnach 130.537 junge Männer in Brandenburg - aber nur 113.473 junge Frauen.
Ökonomische und soziale Gründe
Bereits am Zensus 2011 ließ sich erkennen, dass es einen deutlichen Männerüberschuss in dieser Gruppe gibt - insofern handelt es sich nicht um einen neuen Trend. Die Frage ist nur, welche Gründe es dafür gibt.
Ein von Natur aus ein leichter Jungenüberschuss bei Neugeborenen existiert laut Forschern zwar - allerdings ist die Differenz demnach gering und erklärt nicht, warum sie gerade unter jungen Erwachsenen so groß ist.
Anhand der Zahlen des Zensus 2011 lässt sich erkennen, dass die Anteile von Jungen und Mädchen in der Schulzeit noch recht dicht beieinander liegen. Erst danach, wenn - soziologisch gesprochen - zunehmend soziale und ökonomische Faktoren eine Rolle für die Wahl des Wohnortes spielen, nimmt die Differenz zu. Soziologen gehen deshalb davon aus, dass es junge Frauen aus Brandenburg nach der Schulzeit häufiger in andere Regionen zieht.
Umzug nach der Schulzeit
Damit ist Brandenburg nicht allein: Alle neuen Bundesländer verlieren junge Frauen, wie Statistiker in einem Bericht des Landesamtes für Statistik Berlin-Brandenburg feststellen.
Der Männerüberschuss "entsteht, da absolut mehr Frauen die neuen Länder verlassen als Männer. Vor allem die Stadtstaaten Berlin und Hamburg gewinnen diese Frauen hinzu." Eine mögliche Erklärung sei, dass Frauen häufiger als Männer einen urbanen Lebensstil bevorzugen - und dort hinziehen, wo viele andere Frauen leben.
Die Soziologin Katja Salomo vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) vermutet zudem, dass der Männerüberschuss etwas mit dem Arbeitsmarkt in Ost und West zu tun haben könnte. "Frauen verlassen die neuen Bundesländer auch deshalb öfter, weil sie häufiger in Dienstleistungsberufen arbeiten, in der Pflege oder in Kitas. Und da sind die Unterschiede bei den Löhnen in Ost und West besonders groß", sagt Salomo im Gespräch mit rbb|24. Für das zusätzliche Geld in den alten Bundesländern würden viele Frauen einen Umzug in Betracht ziehen. Zudem gebe es insgesamt mehr Dienstleistungsberufe in Westdeutschland.
Wenige junge Frauen in der Prignitz
Was Brandenburg betrifft, zeigen sich beim genaueren Blick auf die Karte feine Unterschiede zwischen Landkreisen und Gemeinden in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen. Insgesamt sind junge Männer in 347 der 413 Brandenburger Gemeinden in der Mehrheit. Diese Mehrheiten fallen vielerorts hauchdünn oder moderat aus - manchmal aber auch auffällig groß.
Bei den Landkreisen liegt die Prignitz mit einem Verhältnis von 1.296 Männern auf 1.000 Frauen an der Spitze, dicht gefolgt vom Landkreis Oder-Spree (1.271 : 1.000) - während die kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder) nur einen minimalen Männerüberschuss in der Altersgruppe aufweist (1.065 : 1.000)
Auf Gemeindeebene ist der zahlenmäßige Unterschied in Bliesdorf (Märkisch-Oderland), Lenzerwische (Prignitz), Gollenberg (Havelland) und Carmzow-Wallmow (Uckermark) enorm. Dort liegt die Frauenquote bei nicht mal einem Viertel. Wobei in Bliesdorf die dortige Asylunterkunft diese Auffälligkeit teilweise erklären dürfte, da junge Männer unter Geflüchteten ebenfalls eine große Gruppe ausmachen.
Frauenüberschuss in Potsdam
Die Statistik zeigt allerdings auch, dass das Geschlechterverhältnis in 55 Brandenburger Gemeinden umgekehrt ist; dort gibt es mehr junge Frauen als Männer - zum Beispiel in Potsdam.
Soziologin Katja Salomo wundert das nicht. Einen Männerüberschuss gebe es in vielen Altersgruppen in Ostdeutschland zwar schon länger. Allerdings seien die Städte davon oft ausgenommen. "Frauen machen in der Tendenz höhere Bildungsabschlüsse, das heißt auch, dass ein spezialisierterer Arbeitsmarkt in den Städten für Frauen oft die passenderen Jobs bietet."
Andererseits seien viele Schulen, Kitas und andere Einrichtungen, die für junge Familien wichtig sind, in ländlichen Gebieten aufgrund größerer Abwanderungswellen seit der Wiedervereinigung zusammengelegt worden. "Das sind Einrichtungen, die vielen Frauen wichtig sind. Wenn man versuchen will den Trend zum Männerüberschuss umzukehren, müsste man versuchen, die ländlichen Gebiete für junge Familien attraktiver zu machen", so Salomo.
Sendung: Antenne Brandenburg, 19.08.2024, 12:30 Uhr
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