Urteil im Mordprozess - Ex-Stasi-Offizier zu zehn Jahren Haft verurteilt

Mo 14.10.24 | 14:32 Uhr
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Prozess um Mord an Czesław Kukuczka am 14.10.2024 in Berlin. Der Angeklagte ist ein ehemaliger Stasi-Offizier. (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Abendschau | 14.10.2024 | Norbert Siegmund | Bild: rbb

Ein heute 80 Jahre alter ehemaliger Stasi-Offizier soll vor einem halben Jahrhundert einen Mann an einem DDR-Grenzübergang heimtückisch erschossen haben. Jetzt hat ihn das Landgericht Berlin wegen Mordes zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Ein früherer Stasi-Offizier ist vom Berliner Landgericht wegen eines Mordes an der Grenzübergangsstelle im Bahnhof Berlin-Friedrichstraße im Jahr 1974 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Das Gericht sah es am Montag als erwiesen an, dass der mittlerweile 80-jährige Verurteilte einen polnischen Staatsbürger bei einer Stasi-Operation im Transitbereich des Bahnhofs erschossen hatte. Es handelt sich um das erste Mordurteil gegen einen ehemaligen Stasi-Mitarbeiter. Die Staatsanwaltschaft hatte im Vorfeld zwölf Jahre Haft gefordert.

Die Brandenburger Beauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Maria Nooke, begrüßte das Urteil. Es entspreche der historischen Bewertung des Vorgangs, teilte Nooke mit. Der Prozess belege die Bedeutung der juristischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung von DDR-Unrecht bis in die Gegenwart.

Ermittlungen kamen lange nicht voran

Nach Überzeugung der Anklage hat der damalige Oberleutnant am 29. März 1974 das 38 Jahre alte Opfer hinterrücks aus zwei bis drei Meter Entfernung an dem belebtesten Grenzübergang zwischen Ost und West erschossen. Der Angeklagte habe zur Tatzeit einer Operativgruppe des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit angehört und sei mit der "Unschädlichmachung" des Polen beauftragt worden, nachdem dieser mit einer Bombendrohung seine Ausreise habe erzwingen wollen.

Die Verteidigerin des deutschen Verurteilten hatte Freispruch gefordert. Der Mann hatte im Prozess geschwiegen. Seine Verteidigerin hatte zu Beginn erklärt, er bestreite die Vorwürfe.

Die Ermittlungen zu dem Fall kamen über viele Jahre nicht voran. Laut Staatsanwaltschaft Berlin gab es erst 2016 einen entscheidenden Hinweis zur möglichen Identität des Schützen aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv. Zunächst ging die Behörde jedoch von einem Totschlag aus. In diesem Fall wäre die Tat verjährt gewesen. Zuletzt sah die Staatsanwaltschaft jedoch das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt.

Prozess um Mord an Czesław Kukuczka am 14.10.2024 in Berlin. Der Angeklagte ist ein ehemaliger Stasi-Offizier. (Quelle: rbb)Das Opfer Czesław Jan Kukuczka

Angeklagter bestritt Vorwürfe bei Prozessauftakt

Bei dem Opfer handelte es sich der Anklage zufolge um einen Mann, der zuvor mit einer Bombenattrappe in die polnische Botschaft im damaligen Ost-Berlin eingedrungen war, um seine Ausreise in den Westen zu erzwingen. Einsatzkräfte der Staatssicherheit sollen entschieden haben, den Mann zum Schein ausreisen zu lassen. Zugleich sollen sie beschlossen haben, den 38-Jährigen währenddessen zu töten.

Laut Anklage wartete der damals 31-jährige Angeklagte, der Mitglied einer sogenannten Operativgruppe der Stasi war, im Transitbereich am letzten Kontrollpunkt hinter einer Sichtblende und schoss dem Opfer aus einem Abstand von knapp zwei Metern gezielt in den Rücken. Zum Prozessauftakt im März bestritt der 80-jährige Beschuldigte den Tatvorwurf.

Sendung: rbb|24, 14.10.2024, 13:00 Uhr

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159 Kommentare

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  1. 159.

    Der Artikel liefert (leider) keine Heimtücke-Begründung. Da fehlt noch etwas Journalistisches. So wie beschrieben war es ein Befehl. Der Angeklagte hat einen Terroristen ausgeschaltet. Aber vielleicht war es doch ganz anders...?

  2. 158.

    @Kaiserdamm: danke für die Aufklärung!
    Das macht Sinn. Schade, dass es nicht gleich auch im Artikel stand.

  3. 157.

    Da wundert es micht nicht, woher ihre Weltbild kommt. Noch viel Spaß mit den Öffentlichen!

  4. 156.

    Um das beurteilen zu können,müßte man mehr wissen.Z.B.,ob das Opfer im Zeitpunkt der Tötung
    noch über die vermeintliche Bombe verfügte.In
    diesem Falle hätte doch aller Wahrscheinlichkeit nach auch die bundesdeutsche Polizei mittels des euphemistisch so genannten " finalen Rettungs-
    schusses" gehandelt,also auch getötet.

  5. 155.

    Die NS Täter wurden in der BRD nur teilweise verfolgt, das ist richtig. Allerdings wurden auch in der DDR nicht alle NS Täter bestraft, oder? Die Mauerschützen-Prozesse sind auch ein Anzeichen dass aus der Geschichte gelernt wurde. Oder wollen Sie dass wieder Täter ungestraft davonkommen?

  6. 154.

    Klar Anbo, wenn es nach DDR-Recht in Ordnung war einem Menschen die Ausreise zu versprechen und ihn dann in den Rücken zu schießen, also heimtückisch zu ermorden, dann darf das natürlich nicht bestraft werden. War ja in der DDR in Ordnug. So läuft es glücklicherweise nicht. Sonst hätte es auch keine Nürnberger Prozesse gegeben.

  7. 153.

    Ja, es ist traurig, dass 2024 die NS Verbrecher immer noch nicht verurteilt sind. Statt dessen eine super Karriere in der BRD hatten und alle Opfer verhöhnt werden. Leider hat man immer mehr mit Menschen zu tun, die die Geschichte nach ihrem Weltbild verdrehen um keine Verantwortung für die Geschichte zu tragen. Und es gibt immer mehr Menschen, die dafür empfänglich sind, und nachquatschen ohne ihr Gehirn zu benutzen.

  8. 152.

    Mit Ihrer Empfehlung sind Sie leider auf dem falschen Dampfer. Die Geschichtklitterung fand in der DDR statt. Nutzen Sie die die Bildungsprogramme der Öffentlichen.

  9. 151.

    Was ist das für ein Unsinn?! Zu Ihrem Verständnis: Weder ich, noch irgendjemand anderes, den ich ansprach, wählt die Rechtsextremisten! Ihr Kommentar lässt tief blicken! Wir sind hier nicht am Stammtisch.

  10. 150.

    Naja, 34 Jahr keine Angleichung der Gehälter, oftmals Überforderung der Vorgaben für Polizei und Justiz durch mangelnde Steureinnahmen, Perspektivlosigkeit, Armut etc... Das ist der Grund. die Bewegung zwischen Daumen und Zeigefinger.

  11. 149.

    „Der Mann handelte nach DDR Recht und wird nach BRD Recht verurteilt? Welche willkür“
    Auch in der DDR war Heimtücke strafrelevant... Der Artikel liefert (leider) keine Heimtücke-Begründung. Da fehlt noch etwas Journalistisches. So wie beschrieben war es ein Befehl. Der Angeklagte hat einen Terroristen ausgeschaltet. Aber vielleicht war es doch ganz anders...?

  12. 148.

    Lassen Sie mich raten: Sie haben nicht zufällig auch die West-Politiker der AFD gewählt?

  13. 147.

    Ich würde an ihrer Stelle erst einmal Geschichtsunterricht nehmen und mich dann noch mal melden. Auf so einen Unsinn kann man nicht antworten.

  14. 146.

    Ich bin Jahrgang 1965 und aus Eisenhüttenstadt. Und auch ich bin erschüttert über diese verherrlichenden, bzw. relativierenden und teilweise verschwörungsidiologischen Kommentare hier! Ich kann Ihnen aber nur teilweise zustimmen, sozusagen zu 99%. Denn zum Glück sind sehr viele, ich denke die Mehrheit, der ehemaligen DDR-Bürger ebenso entsetzt über die Tatsache, dass hier Menschen sind, die sich die Diktatur der DDR zurückwünschen. Und diese Mehrheit ist auch heute noch froh, dass zusammengekommen ist, was zusammengehört. In meinem gesamten Familien-, Bekannten- und Kollegenkreis schütteln alle mit dem Kopf, die so etwas hören und lesen. Und wir sind verteilt über Berlin, Brandenburg und Sachsen. Schade ist, dass man den Eindruck bekommt, der RBB findet das ganz gut, wenn hier verbal aufeinander eingeschlagen wird. Dadurch wird bei den Menschen der Eindruck erweckt, diejenigen die die DDR vermissen, seien die Mehrheit. Dabei ist es die Minderheit. Pluralistische Ignoranz!

  15. 145.

    Hat die SED-parteigruppe gerade getagt? Die 80 Mio. Toten gehen auch auf die Schultern der Deutschen in der ehemaligen DDR. Woher kennen Sie die Verfahrensweise des Gerichts?

  16. 144.

    Dieser Mensch handelte nach alles moralischen Grudsätzen falsch. Ebenso die NS Verbrecher und jeder sollte seine gerechte Strafe bekommen. Westdeutschland hatte da sicher Defizite, aber es ist 2024. Guten Tag!

  17. 143.

    Hubert, dass Du so etwas schreibst, zeigt mal wieder, wie begrenzt dein Wissen ist.
    Wenn Du mal richtig recherchieren würdest, statt hier nur - aus Prinzip - das andere Deutschland zu bashen, könntest Du noch ne Menge über die in Frage stehenden Punkte lernen und erfahren.
    Und los!

  18. 142.

    "Es wird für mich immer deutlicher, dass da was zusammengekommen ist, was nicht zusammen gehört sondern nur Schaden anrichtet."

    Das ist echt beleidigend für alle Ostdeutschen. Danke!

  19. 141.

    Wenn die Bundesdeutschen Richter mal so hinter den Naziverbrecher her wären, dann wäre dieses Deutschland ein anderes. 80 Millionen Tote Menschen zählen in diesem Deutschland nicht. Die Verbrecher hat man statt dessen in die Bundesregierung, als Minister, als Richter und Lehrer eingesetzt. Wie viele Menschen sind durch die Stasi direkt ermordet worden? Dieser Staat soll sich schämen. Der Mann handelte nach DDR Recht und wird nach BRD Recht verurteilt? Welche willkür.

  20. 140.

    Hier werden ja zwei Dinge noch mal sehr deutlich: die DDR war eine mordende Diktatur und die Mörder laufen z.T. heute noch frei rum. Zugleich wird deutlich, dass die Aufarbeitung der DDR-Zeit (und dazu zählt nicht nur die Stasi, sondern auch solche Dinge wie Zwangsadoptionen, Erziehung in Jugendwerkhöfen etc.) bisher allenfalls in den Anfängen steckt. Ebenso, dass es dort ja auch keine Alt-Nazis gab, die waren ja merkwürdigerweise alle im Westen.
    Es wird für mich immer deutlicher, dass da was zusammengekommen ist, was nicht zusammen gehört sondern nur Schaden anrichtet.

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