Grenzübergang Friedrichstraße - Staatsanwaltschaft fordert in Stasi-Mordprozess zwölf Jahre Haft

Mo 07.10.24 | 10:28 Uhr
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Der Angeklagte hält sich am 14.03.2024 zum Beginn des Prozesses gegen den Ex-Stasi-Mitarbeiter wegen Mordes an Czesław Kukuczka vor 50 Jahren am Kriminalgericht Moabit eine Mappe vor sein Gesicht. (Quelle: dpa-Bildfunk/Sebastian Gollnow)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.10.2024 | Miriam Berger | Bild: dpa-Bildfunk/Sebastian Gollnow

Im Prozess gegen einen früheren Stasi-Mitarbeiter wegen eines mutmaßlichen Mordes an der Grenzübergangsstelle im Bahnhof Berlin-Friedrichstraße im Jahr 1974 hat die Staatsanwaltschaft zwölf Jahre Haft für den Beschuldigten gefordert.

Sie sprach sich am Montag vor dem Berliner Landgericht in ihrem Plädoyer für eine Verurteilung wegen heimtückischen Mordes aus. Der Beschuldigte soll einen polnischen Staatsbürger im Transitbereich des Bahnhofs erschossen haben.

Aus zwei Metern in den Rücken geschossen

Bei dem Opfer handelte es sich der Anklage zufolge um einen Mann, der zuvor mit einer Bombenattrappe in die polnische Botschaft im damaligen Ost-Berlin eingedrungen war, um seine Ausreise in den Westen zu erzwingen. Einsatzkräfte der Staatssicherheit sollen entschieden haben, den Mann zum Schein ausreisen zu lassen. Zugleich sollen sie beschlossen haben, den 38-Jährigen währenddessen zu töten.

Laut Anklage wartete der damals 31-jährige Angeklagte, der Mitglied einer sogenannten Operativgruppe der Stasi war, im Transitbereich am letzten Kontrollpunkt hinter einer Sichtblende und schoss dem Opfer aus einem Abstand von knapp zwei Metern gezielt in den Rücken. Zum Prozessauftakt im März bestritt der 80-jährige Beschuldigte den Tatvorwurf.

Sendung: rbb24 Ínforadio, 7.10.2024, 10:20 Uhr

32 Kommentare

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  1. 32.

    "... Noch am selben Tag erlag er in einem Ostberliner Krankenhaus seinen Verletzungen. ..."

    "... Ein Mann mit Reisetasche kam, sie sollten zur Seite gehen. Der schlicht gekleidete Mann sei schnell durch die Kontrolle gekommen und der weitere Besucherverkehr umgeleitet worden, schilderten 50 Jahre später drei Zeuginnen vor dem Landgericht. ..."
    (Zitate aus online-Zeitungen ... bei Bedarf bitte googlen)

    Aber wie schon geschrieben, am Montag sind wir evtl. schlauer ...

  2. 29.

    Der Angeklagte leugnet ja auch nicht umsonst die gesamte Tat.
    Denn der finale Rettungsschuss stünde auf sehr dünnem Eis. Zum Beispiel haben sich die Berichte kurz nach der Tat von späteren Dokumenten stark unterschieden. Außerdem wurde dem anfänglich schwer verletzten Polen die Notbehandlung in der naheliegenden Charite verwehrt, stattdessen verstarb er auf dem Weg zum Stasi-Knast Hohenschönhausen. Warum?
    Hinzu kommt, dass es früher im Ostblock nicht trivial war eine Bombe selbst zu basteln und einfach unbemerkt über die polnisch-ostdeutsche Grenze zu schmuggeln. Auch der Ort des angeblich finalen Rettungsschusses war ja alles andere als menschenleer und sicher. Schließlich fehlte dem Polen ja auch das Motiv, überhaupt noch die Bombe zu zünden auf dem Weg in den Westen. Warum wickelte man die Flucht überhaupt über den Tränenpalast ab?
    Nein der Pole sollte als Republikflüchtling einfach liquidiert werden. So wie man es an der Grenze mit Flüchtlingen immer tat.

  3. 28.

    ....und die Positiven Zeiten der DDR, hätten sie gerne zurück. Gepaart mit den guten Seiten am West-System...?

  4. 27.

    Wenn jemanden in den Rücken geschossen wird der davon ausgeht dass er jetzt ausreisen kann (also keinen Grund mehr hat eine Bombe zu zünden), der ist arg- und wehrlos PUNKT

    "Würde man heute einen Mann mit einer Bombe wirklich anders "stoppen"? " Ja, würde man.



  5. 26.

    "... Bei dem Opfer handelte es sich der Anklage zufolge um einen Mann, der zuvor mit einer Bombenattrappe in die polnische Botschaft im damaligen Ost-Berlin eingedrungen war, um seine Ausreise in den Westen zu erzwingen. ..."
    Naja, ich würde nicht von "arg- und wehrlosen Menschen" sprechen!

    Ich kann/möchte nicht urteilen, da m.E. viele Infos fehlen.

    Lasse Sie bitte einmal - bei meinen Überlegungen - die Stasi außen vor!
    Wäre es besser, den Mann in/vor der Botschaft - 1974 m.W. Unter den Linden - festzunehmen, unter der Gefahr einer Explosion mit vielen Opfern? Oder anders herum: War es nicht sogar besser, ihn zu "stoppen", wenn keine anderen Menschen in der Nähe waren?

    Würde man heute einen Mann mit einer Bombe wirklich anders "stoppen"?

  6. 25.

    "Sinnlose Diskussion, weil Leute wie Sie auch immer wieder abstreiten, das sehr viele ein gutes Leben hatten. "

    Weil sie die negativen Seiten komplett ausblenden.

  7. 24.

    Wie würden sie es nennen wenn man einen arg- und wehrlosen Menschen in den Rücken schießt?

    "Laut Anklage wartete der damals 31-jährige Angeklagte, der Mitglied einer sogenannten Operativgruppe der Stasi war, im Transitbereich am letzten Kontrollpunkt hinter einer Sichtblende und schoss dem Opfer aus einem Abstand von knapp zwei Metern gezielt in den Rücken. "

  8. 23.

    "Die Bahn+Busfahrpreise waren sehr niedrig." ---------- In Berlin kostete eine Fahrt vom Alex zum Zoo bis zu 28 Lebensjahre.

  9. 22.

    Wenn die Stasi gewußt hätte, daß die Bombe nur eine Attrappe war, hätte sie ihn sofort festgenommen. Weil sie die Bombe für echt hielten, haben sie ihn erschossen. Das diente auch der Sicherheit in Westberlin. Es hätte ein sehr großes Theater gegeben, wenn die DDR einen mit einer echten Bombe ausreisen ließ und die Bombe wäre in Westberlin explodiert. Darum war es verständlich, ihn zu erschießen. Das macht die Polizei heute genauso. Aber hier kann man gegen Mitarbeiter der DDR-Behörden bestrafen. Nicht jeder mußte >10 Jahre auf ein Auto warten. Das galt nur für die, die ein Auto haben wollten. Wer kein Auto wollte, mußte auch nicht darauf warten. Die Bahn+Busfahrpreise waren sehr niedrig. Beides waren Pluspunkte für die DDR, die mir sehr gefielen, die ich gern wieder haben möchte. Weitere Vorzüge: niedrige Preise für Betriebs+Schulessen +Mieten, niemand wurde wegen Mietwucher auf die Straße gesetzt. Jeder war sozialversichert, kein Lehrer+Lokführermangel, Läden auch in kleinen Dörfern.

  10. 21.

    Also ich will die DDR nicht als Kompaktpaket zurück. Was viele hier meinen ist sicher der Wunsch nach einer differnzierteren Betrachtung. Das Schulsystem z. B. war nicht schlecht, wenn man den Zugang zum Abi mal weglässt. Die Berufsausbildung war auch nicht übel. Niemand ist verhungert. Wohnungsnot gibt es heute auch. Das allein macht aber das Leben nicht aus. Ich hatte in vielen Bereichen meines Lebens den Eindruck, das Rad würde neu erfunden. Was Frauen und ihre Aufstiegschanchen, Kinderbetreuung und Schulwesen, Paragraf 218 und Frauenquote anbelangt, war die DDR einfach weiter. Wahrscheinlich lag das auch an der Technik, mit der gearbeitet wurde. Wenn das MfS Stasispitzel beschäftigte, wollten die auch bezahlt werden und somit fehlte die Kohle für die wirklich wichtigen Dinge wie moderne Arbeitsplätze und Technik in den privaten Haushalten, wie wir sie heute haben. Heute haben wir Arbeitslose, die gar nicht arbeiten wollen, trotzdem Geld bekommen. Geld, das für Bildung fehlt.

  11. 20.

    Ja das war auch die Sichtweise der Schreibtischtäter und Massenmörder im Dritten Reich.
    Sie führten schließlich alle nur Befehle aus. Schuld war letztendlich einzig und alleine nur der Führer Adolf Hitler.

  12. 19.

    Trotz aller Schadenfreude darf man nicht vergessen, in welcher Lage der Angeklagte damals war. Der Pole gab an, unter Gewaltanwendung nach Berlin-West zu gelangen. Der Angeklagte hat auf Befehl gehandelt. Derjenige werde den ersten Stein, der (in der Haut des Angeklagten) damals anders gehandelt hätte. Jetzt kann jeder gut reden!

  13. 18.

    Eben das wollen die Leute nicht. Deshalb ist die Aussage,"Viele wollen die DDR wiederhaben" auch so unsinnig. Wenn, dann hätte er schreiben können: Viele wollen einiges, was in der DDR gut war, wiederhaben.

  14. 16.

    "deshalb haben Sie die auch guten Seiten der DDR nicht kennengelernt, sondern erdreisten sich, einem Kommentator zuzustimmen, der behauptet, exakt diese DDR, mit auch all ihren schlechten Seiten, wollen Viele wiederhaben" >Diese Sehnsüchtigen haben Sehnsucht nach: Unrechtsstaat, unfreien "wahlen", Telefon- und Postüberwachung, Zonengrenze mit Schießbefehl, Aluchips, über 10 Jahre auf ein Auto warten, Schlange stehen, Versorgungsmängel ohne Ende, Eduard von Schnitzler usw usw

  15. 15.

    Wenn die Staatsanwaltschaft zweifelsfrei beweisen kann, dass er dem Polen auf kurzer Distanz in den Rücken schoss, denn er bestreitet ja grundsätzlich die Tat, dann lässt sich ein finaler Rettungsschuss als Ausweichmanöver eigentlich nicht mehr glaubhaft darstellen.
    Ob für die Identifizierung die Zeugenaussagen von damals Minderjähriger nach 50 Jahren reichen, da würde ich auch mal ein dickes Fragezeichen machen.
    Das weiß er auch alles selber, weswegen er die Tat natürlich gleich komplett leugnet und im Zweifel sowieso alle Rechtsmittel nebst Beschwerde beim BVerfG ausschöpfen wird.

  16. 14.

    Privates Glück und "Errungenschaften" gab es auch in früheren Diktaturen. Erinnert sei an verhängnisvolle 12 Jahre in Deutschland, aus denen manchen Zeitgenossen nur der Autobahnbau in Erinnerung blieb. Unbestritten deshalb, dass viele Leute in der DDR ein gutes Leben geführt haben. Unbestritten aber auch, dass noch mehr Leute von dieser DDR und ihrem verbohrten Dauerregenten, von Entmündigung und betreutem Denken die Schn,,,, voll hatten. Diese Mehrheit hatte einfach SALDO gezogen.

  17. 13.

    Vielen Dank für die klaren Worte, auch ihrem Vorredner.
    In den 2000er Jahren gab es ein Luftfahrt Sicherungsgesetz. Das wurde prompt vom Verfassungsgericht kassiert.
    In diesem Fall. So der Inhalt des Artikels, war ein planvolles Vorgehen zu erkennen. Und nur die Mitarbeiterin einer bestimmten Einrichtung hatte die Weisheit, zu entscheiden, einen Menschen zu töten. Das zu vergleichen, mit, es waren gute Verhältnisse, spricht wovon? ...
    Mord ist und bleibt Mord.

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