DDR-Geschichte - Frankfurt (Oder) erinnert an Sturm auf die Stasi-Zentrale vor 35 Jahren

Do 05.12.24 | 20:33 Uhr
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Archivbild: Gebäude der ehem. Stasizentrale in Frankfurt Oder, Brandenburg. (Quelle: imago images)
Audio: Antenne Brandenburg | 05.12.2024 | Robert Schwaß | Bild: imago images

Vor 35 Jahren stürmten Bürger in Frankfurt (Oder) die Stasi-Bezirksverwaltung und stoppten die Aktenvernichtung. Es war ein Wendepunkt, der die bröckelnde Macht der DDR-Diktatur sichtbar machte. Zeitzeugen erinnern sich an diesen historischen Tag.

In Frankfurt (Oder) ist am Donnerstag an die Besetzung der Stasi-Bezirksverwaltung vor 35 Jahren erinnert worden. Am 5. Dezember 1989 versammelten sich etwa 2.000 Menschen vor der Frankfurter Behörde des Ministeriums für Staatssicherheit, forderten Zutritt zum Objekt und den Stopp der Aktenvernichtung.

Aus diesem Anlass fanden am Nachmittag in Frankfurt Zeitzeugengespräche statt. Auch ein Gedenken am Gedenkstein für Stasi-Opfer vor der damalige Stasi-Zentrale war am Abend geplant.

Etwa 1,68 Millionen Karteikarten

"Wir sind immer gebückt an dieser Anlage vorbeigegangen und hatten Angst, was sich dahinter verbirgt", erinnert sich Hartmut Kelm, der damals das historische Ereignis für die Bürgerbewegung fotografierte. "Plötzlich öffneten sich die Türen und wir guckten rein in diese Stasi-Anlage. Für mich war der 5. Dezember ein ganz besonderer Tag. Es war der Tag, an dem ich merkte: Diese DDR-Diktatur ist am Kippen."

Erstmals erhielten Bürger vor genau 35 Jahren einen Einblick in das Archiv mit seinen unzähligen Akten. Kelm sei jedoch vor allem eine Begegnung mit dem damaligen Stasi-Generalmajor Heinz Engelhardt im Kopf geblieben: "Der hatte Schweißperlen auf der Stirn und stand etwas gebückt. Er war sehr höflich." Trotzdem wurden währenddessen in Hinterzimmern bereits heimlich Akten vernichtet, wie Kelm im Nachhinein feststellte.

Die Frankfurter Stasi-Bezirksverwaltung wurde erst im Januar 1990 endgültig aufgelöst. Im Stasi-Unterlagen-Archiv in Frankfurt (Oder) lagern nach Angaben des Bundesarchivs mehr als 6.000 laufende Meter Unterlagen der Staatssicherheit aus den Bezirksverwaltungen Cottbus und Frankfurt (Oder) sowie aus den Kreisdienststellen. Dazu zählen etwa 1,68 Millionen Karteikarten. Rund 1.500 Säcke mit vorvernichtetem Material lagern im Keller des Archivs.

Demonstrierende dringen am 5. Dezember in die Stasi-Gebäude in Frankfurt (Oder) ein. Auf dem Podest am Mikrofon: Pfarrer Christian Gehlsen - der hier bei einer Präsentation auf das Bild deutet. (Quelle: rbb/Hartmut Kelm)
Bild: rbb/Hartmut Kelm

Die Stasi, "Schild und Schwert" der SED

Der Sturm auf die Stasi-Zentrale habe eine sehr wichtige historische Rolle gespielt, sagte Konrad Tschäpe, Historiker des Frankfurter Stadtmuseums Viadrina: "Es geht bei diesen Besetzungen um eine ganz zentrale Frage, nämlich wie es die Bürgerbewegung schaffte, die Macht der SED zu überwinden. Ein wichtiges Machtinstrument – Schild und Schwert der Partei – ist dieser Geheimdienst MfS. Das muss überwunden werden, damit die friedliche Revolution erfolgreich wird. Was am 5. Dezember passiert, ist ein großer Schritt in diese Richtung", sagte der Historiker dem rbb.

Privatpersonen können Einsicht in die Akten beantragen, die die Staatssicherheit über sie angelegt hat. Auch nahe Angehörige von vermissten oder verstorbenen Personen können unter bestimmten Voraussetzungen die Unterlagen einsehen. Die Recherche und Akteneinsicht sind für sie kostenlos.

Sendung: Sendung: Antenne Brandenburg, 05.12.2024, 16:10 Uhr

Mit Material von Robert Schwaß

11 Kommentare

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  1. 11.

    Sie stellen die richtigen Fragen!

    Nur kann nicht jeder diese Differenzierung nachvollziehen.

  2. 10.

    Hat dieser Mensch gegen ein Gesetz verstoßen oder wurden ihm die bürgerlichen Rechte aberkannt?

  3. 9.

    27 Bürger an die Stasi verraten ist in der Tat keine Kleinigkeit. Das lässt tief auf den Charakter dieser Person blicken.

  4. 7.

    Der Wähler sollte erst mal einen Test machen ob er überhaupt in der Lage ist richtig zu wählen.
    Wann sollte das passive Wahlrecht entzogen werden?
    Niemand darf gewählt werden der moralisch nicht integer ist!
    Das ist Ihre Vorstellung von Demokratie?

  5. 6.

    Ich bewerte gar nichts davon, weder heisse ich etwas gut, noch verurteile ich es.

    Teslafan an #1 hat sich darüber beschwert, "daß der Grünheidener Bürgermeister immer noch im Amt sitzt" und er findet das unerträglich. Nun ja, er sitzt immer noch im Amt, weil er demokratisch gewählt wurde. und wenn man sich darüber beschwert, dass es so ist, dann beschwert man sich über eine demokratische Wahl. Wenn man also unerträglich findet, dass dieser Bürgermeister im Amt ist, dann findet man das demokratische Wahlverfahren unerträglich... und wenn dem so ist, dann sage ich "Tschüss" ;-)

  6. 5.

    Was ist denn demokratisch, wenn due Verdrängung und Gleichgültigkeit den Wahlzettel ausfüllte, mit komplizenhaftem Untertanengeist, a la DDR?
    Das können Sie nicht ernsthaft gutheißen!

  7. 4.

    Du verstehst es scheinbar nicht. Der Mann ist demokratisch in sein Amt gewählt. Wenn seine Stasi-Vergangenheit so "unerträglich" wäre, dann hätte ihn sicherlich niemand gewählt. Jetzt angekommen?
    Offensichtlich regen sich nur wenige derartig auf ;-)

  8. 3.

    Du verstehst es scheinbar nicht: es geht um seine Stasiarbeit, denn er hatte 27 Bürger an die Stasi verraten. Ist das eine Kleinigkeit? Ich denke nicht!

  9. 2.

    "Es ist unerträglich!"
    Bürgermeister werden gewählt! Demokratie ist für Sie unerträglich?
    Es gibt viele Länder, sogar in der EU, die nehmen´s nicht so genau mit der Demokratie. und Dank EU-Freizügigkeit können Sie jederzeit dorthin übersiedeln.

  10. 1.

    Dazu paßt es auch, daß der Grünheidener Bürgermeister immer noch im Amt sitzt, obwohl alles über ihn und seine Mittäterschaft bewiesen ist. Es ist unerträglich!

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