#Wiegehtesuns | Seelsorgerin aus Cottbus - "Für die Patienten wird es zu Weihnachten ganz schwierig"
Wegen der Corona-Pandemie herrscht in vielen Krankenhäusern Besuchsverbot. Bekannte und Verwandte dürfen nicht zu den Patienten. Weil Pfleger und Ärzte kaum Zeit für längere Gespräche haben, sind Klinik-Seelsorger:innen wie Karen Martens sehr gefragt. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Karen Martens ist seit November 2021 Klinik-Seelsorgerin am Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum. Sie hat in Leipzig Theologie studiert, lebte 20 Jahre lang in Schweden und war unter anderem Gefängnis-Seelsorgerin. Heute wohnt die Pfarrerin in der Cottbuser Innenstadt mit Blick auf das Staatstheater.
Seelsorge hat mich immer schon interessiert. Bereits beim Studium war ich im Krankenhaus und habe Seelsorge-Übungen gemacht. Dann im Gefängnis gab es auch viele Gespräche zur Seelsorge und das hat mir großen Spaß gemacht. Man hatte wohl den Eindruck, dass ich das ganz gut mache. Nach einer Auszeit habe ich im Internet die Stellenausschreibung der Klinikseelsorgerin in Cottbus gesehen, mich beworben und jetzt bin ich hier.
Im Krankenhaus sind wir zu dritt. Ich habe noch einen evangelischen Kollegen und eine katholische Kollegin. Morgens besprechen wir den Tag und sind anschließend unterwegs auf Station und führen Gespräche. Manche Patienten rufen uns an oder die Pfleger sagen uns Bescheid. Langweilig wird es nie, eigentlich wird man nie fertig.
Bisher sind alle Patienten erfreut gewesen, wenn ich vorbeigekommen bin. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Leute zuerst sagen, sie brauchten niemanden zum Reden. Aber dann fangen sie doch an zu erzählen! Ob es nun um die Schmerzen geht, oder die Freude darüber, dass man jetzt operiert ist. Auch das aktuelle Besuchsverbot ist natürlich ein Thema.
Manche Patienten fühlen sich dadurch allein und verlassen. Sie können zwar mit ihren Angehörigen telefonieren. Aber gerade die älteren Leute wissen manchmal nicht mit einem Handy umzugehen. Und manchmal geht es ja auch rein körperlich nicht, irgendwo anzurufen. Das ist dann schon schwierig. Die Schwestern und Ärzte haben so viel zu tun. Die haben selten Zeit, sich mal hinzusetzen und mit den Patienten zu reden. Dann würde jemand anderes auf der Strecke bleiben. So sind wir oft die Einzigen, die dafür die Zeit haben.
Neben den Patienten leidet auch das Personal unter der Pandemie. Alle arbeiten so hart und kommen jetzt an ihre Grenzen. Bisher habe ich noch keine Gespräche mit ihnen geführt, aber ich hoffe, dass das auch kommt. Und ich wünsche mir, dass die Klinikleitung solche Gespräche auch als Arbeitszeit ansieht. Denn Seelsorge ist wichtig, um die Arbeit und das, was man dort täglich erlebt, gut zu verarbeiten.
Für die Patienten wird es, glaube ich, gerade zu Weihnachten ganz schwierig. Wenn man da allein im Bett liegt und es ist nichts los – da werden die Menschen traurig. Da vermisst man die Familie schon ganz besonders, es ist ja ein Familienfest. Deshalb überlegen wir, was wir machen können, um die Stimmung aufzuhellen. Wir wollen auf mehreren Stationen eine Andacht halten. Geplant ist, die Andacht auch aufzunehmen und über die Klinikfernseher zu verbreiten. So, dass es auch diejenigen sehen können, zu denen wir nicht hinkommen können.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass ich ein bisschen Hoffnung verbreiten kann. Nicht so viel durch Worte, sondern einfach, weil ich da bin. Und: Dass die Leute, auf die ich treffe, aus sich herauszukommen und mit mir sprechen. Denn die meisten sagen mir hinterher: Es hat sehr gut getan, dass ich mal ein bisschen reden konnte.
Gesprächsprotokoll: Daniel Friedrich
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Sendung: Antenne Brandenburg, 25.11.2021, 15.40 Uhr
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