Bundesverfassungsgericht - Stundenlöhne unter zwei Euro für Häftlinge sind verfassungswidrig

Di 20.06.23 | 19:21 Uhr
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Symbolbild: Pilotprojekt - Arbeit statt Strafe - in der Justizvollzugsanstalt ( JVA) Berlin Ploetzensee. (Quelle: dpa/T. Trutschel)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.06.2023 | Gigi Deppe | Bild: dpa/T. Trutschel

Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Häftlingen aus deutschen Gefängnissen Recht gegeben, die wegen niedriger Löhne in Gefängnissen geklagt hatten. Nun wollen Berlin und Brandenburg ihre Regelungen überprüfen.

Niedrige Löhne für Gefangene sind verfassungswidrig, wenn dahinter kein wirksames Konzept zur Resozialisierung der Betroffenen steht. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag entschieden. Zwei Häftlinge aus Bayern und Nordrhein-Westfalen hatten gegen ihre geringe Bezahlung geklagt.

Löhne zwischen 1,37 Euro und 2,30 Euro

Laut Gericht lag der Stundenlohn für Strafgefangene zuletzt zwischen 1,37 Euro und 2,30 Euro - je nach Qualifikation. Von dem Geld müssen manche unter anderem Familienangehörige unterstützen, Opfern Wiedergutmachung leisten oder Schulden tilgen. Solche Ziele der Resozialisierung müssten mit dem Geld auch erreicht werden können, hieß es vom Gericht. Wie hoch ein angemessener Lohn für Gefangene sein müsste, gab das Bundesverfassungsgericht nicht vor.

Das Gericht verpflichtete Bayern und NRW nun dazu, eine gesetzliche Neuregelung bis zum Sommer 2025 zu finden.

Berlin will eigene Regelungen überprüfen

Berlin kündigte aber bereits an, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts seine Regelungen auch überprüfen zu wollen. Das teilte die Senatsverwaltung für Justiz am Dienstag auf Anfrage mit.

In Berlin waren die Grundlöhne für arbeitende Häftlinge nach den Angaben zuletzt im Oktober 2022 um drei Prozent erhöht worden, im Oktober 2023 stehe nochmals eine Erhöhung um zwei Prozent an. Derzeit liegt der niedrigste Stundenlohn laut Senatsjustizverwaltung bei 1,66 Euro, der höchste bei 2,66 Euro. Etwa 70 Prozent der rund 3.450 Häftlinge in Berlin arbeiten demnach.

1,96 Euro in Brandenburg

Aus Brandenburg hieß es, man werde die Entscheidung des BVerfG gründlich prüfen und auswerten, wie ein Sprecher des Justizministeriums dem rbb sagte.

In Brandenburg wird der Lohn für Gefangene auf gleiche Weise wie in Bayern und NRW berechnet. Er entspricht neun Prozent des Durchschnittseinkommens des vorvergangenen Jahres.

Brandenburger Gefangene erhalten demnach, laut Ministerium, einen Stundensatz von 1,96 Euro, wobei Zu- und Abschläge möglich sind. Im Gegensatz zu den beanstandeten Regelungen in Bayern und NRW bestehe im Brandenburger Strafvollzug allerdings keine Pflicht zur Arbeit.

Arbeit hinter Gittern ist in den meisten Bundesländern Pflicht und soll der Resozialisierung dienen, also der Wiedereingliederung von Menschen in die Gesellschaft. Die Kläger etwa arbeiteten in der anstaltseigenen Druckerei und als Kabelzerleger in einem Betrieb.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.06.2023, 19.30 Uhr

32 Kommentare

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  1. 32.

    So ein Unsinn. Strafgefangene sind nicht mit behinderten Menschen gleichzustellen.

    Übrigens bekommen behinderte Menschen in wfbm eine Aufwandsentschädigung. Sie sind keine Arbeitnehmer sondern arbeitnehmerähnlich.

    Dazu kommt die gute Absicherung für die Altersrente.

    Letztlich steht es jedem frei, sich einen Job außerhalb der Wfbm zu suchen. Niemand wird gezwungen dort zu arbeiten. Also was soll dieser Unsinn und das Gejammer?

  2. 31.

    Mitarbeiter in Werkstätten für behinderte Menschen sind arbeitnehmerähnlich. Sie erhalten für ihre Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung und darüber hinaus noch eine gute Altersrente. Diese Personen bekommen pro Jahr 1 Rentenpunkt.

    Letztlich können Beschäftigte in wfbm nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.

    Sie vergleichen Lohn und Aufwandsentschädigung miteinander.

    Etwas mehr Kenntnisse taten Ihnen gut. Nicht nur Bildzeitung lesen und jammern.

  3. 30.

    Gott sei Dank haben Sie nichts zu sagen. Soviel Unsinn auf einem Haufen ist schon selten.

    Sie haben weder vom Thema noch von der Gesetzeslage Ahnung.

    Resozialisierung scheitert an der Gier der Landesregierungen. Resozialisierung ist personal- und kostenaufwendig.

    Das die Rückfallquote hoch ist, liegt an der Regierung und nicht an den Strafgefangenen.

    Wie eine Resozialisierung und ein Entlassungsmanagement funktioniert, sieht man am Maßregelvollzug.

  4. 29.

    Warum ist es für viele Bürger unmöglich, ein Urteil zu akzeptieren?

    Fakt ist, dass die Resozialisierung eine Hauptaufgabe des Strafvollzugs ist. Dies wurde im Urteil nochmal betont. Resozialisierung ist eine staatliche Aufgabe. Daher muss den Strafgefangenen nun ein vernünftiges Entgelt bezahlt werden. Außerdem muss mehr Personal her. Natürlich kann mit einem guten Entlassungsmanagement die Rückfallquote deutlich gesenkt werden. Ist schon lange aus der Forensik bekannt

  5. 27.

    Also für Behinderte Menschen ist es ok unter Mindestlohn zu verdienen? Aber für Kriminelle, die auch noch Unterkunft, Verpflegung umsonst bekommen ist das nicht angemessen! Wahnsinn.

  6. 26.

    "... Im Gegensatz zu den beanstandeten Regelungen in Bayern und NRW bestehe im Brandenburger Strafvollzug allerdings keine Pflicht zur Arbeit. ..."

    Tja, im Knast und in der Schule unterscheiden sich halt die Bundesländer.
    Also eine 'Straftat' sowie ein 'Umzug mit Schulkindern' muss gut geplant sein ;-)

  7. 25.

    Naja, Arbeitszwang gibt es im Strafvollzug schon, vgl. etwa § 24 Abs. 1 StVollzG Bln.

  8. 24.

    M.E. geht Ihre Rechnung in die "falsche" Richtung ...
    Bei 40-Stunden-Woche und 12-Euro-Mindestlohn würde der Strafgefangene ca. 2.000 Euro verdienen.
    Sein "Platz" - nach Ihren Angaben - 4.500 Euro im Monat.
    Momentan werden ca. 2 Euro (einfachere Rechnung) gezahlt = 340 Euro im Monat

    Jetzt noch einmal grob:
    Soll der Steuerzahler neu 6.500 oder alt 4.840 Euro pro Monat zahlen?
    Oder wo kommt das Geld her?
    Oder zahlt der Gefangene von seinen 2.000 Euro Essen + Logi und wieviel bleibt ihm dann - 1 oder 3 Euro?

  9. 23.

    @Horst: exakt so sehe ich das auch.
    Das hat einfach auch etwas mit Würde zu tun.

    Und die, die hier mit Unterkunft und Logis argumentieren: es spricht vielleicht auch nichts dagegen, vom Lohn dann eben für die Unterkunft eine Art "Mietanteil" abzuziehen. Eben genauso, wie es hinterher im "richtigen Leben" dann auch läuft.

  10. 22.

    Ich bin Rollifahrer und hab mal nachgefragt bei so Werkstätten...2 bis 3 €/h....mehr kriegt man nicht. Man ist laut Gesetz kein vollwertiger Arbeitnehmer.
    Ich habe das mecfs/ weichteilrheuma.
    Frechheit ist das.
    Ich habe bevor ich krank wurde, bzw die Diagnose nach 10j hatte, 4 Kinder bekommen.....also
    Schon schei...e wenn man keine Ahnung hat aber einen auf schlau macht.

  11. 21.

    Das ganze hat eine ganz schöne Schieflage. Hier geht es erstens um das Thema Arbeit, wo gearbeitet wird ist erst mal zweitrangig. Der Mindestlohn für Arbeitnehmer kannja nicht im Strafvollzug aufgehoben werden, oder ? Das zweite und wesentliche ist doch das jeder Strafgefangene monatliche Kosten von 4500 Euro verursacht laut Anfrage einer Partei im deutschen Bundestag. Mit einer vernünftigeren Bezahlung könnten so die Unkosten ein wenig mehr von den Gefangenen abbezahlt werden, aber scheinbar will das keiner?

  12. 20.

    Der Mindestlohn sollte grundsätzlich für alle und überall gelten. Gefängnisse sind ja keine Zwangs-Arbeitslager.

  13. 19.

    Genauso sehe ich es auch. Haft ist kein Urlaub. Dann wird vielleicht noch Bürgergeld und Entschädigung für die Familien gefordert. Ich glaub, ich bin im falschen Film

  14. 18.

    Im Jahre 2019 lagen die durchschnittlichen Kosten bei 179,-€ pro Tag und Inhaftiertem (finanzen.net). Ob man dies allerdings gegenrechnen darf ist die Frage.

  15. 17.

    Wer zahlt eigentlich die Unterkunft, Strom ect?

  16. 16.

    "In Brandenburg wird der Lohn für Gefangene auf gleiche Weise wie in Bayern und NRW berechnet. Er entspricht neun Prozent des Durchschnittseinkommens des vorvergangenen Jahres."
    1,96 = 9% ;
    21,78 = 100% bzw. 3.876,84 EUR monatlich (bei 178 h).
    Aber die Sache mit dem Durchschnittseinkommen ist doch nur ein Krücke, weil die 9% vollkommen willkürlich sind.

    Natürlich könnte man auch 21,78 €/h zahlen, abzüglich .... alles was auch ein Pflegeheim den Bewohnern in Rechnung stellt. (bei dem Stundensatz wären dann aber sogar einige Vollzugsbedienstete neidisch).
    Am Ende müssten die Häftlinge wohl noch einen Eigenanteil dazuzahlen.
    Sie mussten ja auch die Gerichtskosten tragen.
    Also warum nicht auch die Vollzugskosten? Es könnte gesetzlich ausgeschlossen sein (§ 50 StVollzG, Haftkostenbeitrag).

  17. 15.

    Nun hört es aber echt auf. Das ist eine Haftstrafe, kein Urlaub!

  18. 14.

    Und wie sieht es mit der Inklusion aus? Die Arbeitsplätze müssen schließlich auch für die Inklusion geeignet sein.

  19. 13.

    Sorry, zwischen Menschen in einer Werkstatt für behinderte und zwischen Strafgefangenen gibts aber einen gewaltigen Unterschied. Außerdem sind es zwei völlig verschiedene Systeme und Rechtskreise. Bitte nicht immer Äpfel mit Birnen vergleichen

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