Kommentar | Landratswahl Dahme-Spreewald - Warnsignale aus dem Spreewald
In einem der wirtschaftlich stärksten Landkreise Brandenburgs hat ein Kandidat der AfD besonders gut abgeschnitten. Die Gründe dafür haben nicht allein mit der Politik des Landkreises zu tun, kommentiert Andreas Rausch.
Das SPD-Kernland Dahme-Spreewald macht blau. Und das Entsetzen ist groß. Was? Einer der wirtschaftlich stärksten Landkreise des Ostens, eine Region mit Zukunft, will sich künftig von einem AfD-Mann führen lassen? Man spürt förmlich das Frösteln, das durch die gesichert-demokratischen Gebeine fährt. Wer hätte das gedacht?
Hier zieht die Mär vom abgehängten Ossi nicht, der aus Frust und Enttäuschung Protest wählt. Dahme-Spreewald wählt den Kandidaten einer Partei, die in Brandenburg als rechtsextremer Verdachtsfall gilt, der im Wahlkampf bei landkreislösbaren Problemen sehr allgemein war.
Ungleichheit und Wachstumsschmerzen
Ein Kandidat, der dafür umso konkreter gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik oder die - Zitat - "sinnlosen Klimaschutzmaßnahmen" wetterte, der gar den Bau eines Atomkraftwerks südlich von Berlin für denkbar hält. Alles schlagzeilentauglich, nichts davon wird von einem Landrat entschieden.
Das war im ersten Gang mehr als 25.000 Wählern egal, das sind mehr als ein Drittel aller abgegebenen Stimmen. AfD-Mann Kotré profitiert von dreierlei Dingen – dem Ärger über eine offensichtlich verkorkste Ampelpolitik in Berlin, dem eher unklaren Verständnis über den Job eines Landrats und der bröckelnden Brandmauer gegenüber rechtsextremen Einstellungen in vielen Wählerköpfen.
Nun geht es also in eine Stichwahl zwischen Steffen Kotré (AfD) und Sven Herzberger, dem Parteilosen, dessen Wahl nun sicher von den meisten anderen Parteien und Vereinigungen unterstützt wird. Die 65 Prozent aus dem ersten Wahlgang, die nicht AfD gewählt haben, lassen kein Herzschlagfinale erwarten. Aber 35 Prozent der Wähler pro AfD sind eine enorme Zahl, die man nicht wegdiskutieren darf. Dahme-Spreewald hat Wachstumsschmerzen im Norden und Abgehängt-Gefühle im Süden. Beides muss angegangen werden.
Was es braucht, ist spürbar lösungsorientierte Politik, im übrigen auf allen Ebenen, von der Kommune bis zum Bund. Was es jetzt nicht braucht, sind die immergleichen symbolischen Schulterschlüsse "wir hier gegen die da". Davon profitiert am Ende nur die AfD.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.10.2023, 11:00 Uhr
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