Parlamentswahlen - Polen steht vor Machtwechsel - Ergebnis für Dienstag erwartet

Mo 16.10.23 | 21:59 Uhr
  83
15.10.2023, Polen, Warschau: Donald Tusk (M), ehemaliger polnischer Ministerpräsident und Oppositionsführer, spricht zu Anhängern in der Parteizentrale seiner Partei.(Quelle:AP Photo/P.D.Josek)
Video: rbb24 Abendschau | 16.10.2023 | Marcel Troccoli Castro | Bild: AP Photo/P.D.Josek

In Deutschlands Nachbarland Polen naht das Ende für die nationalkonservative Regierung. Ein pro-europäisches Bündnis unter Donald Tusk hat nach aktuellem Stand die Mehrheit im Parlament. Das Endergebnis wird am Dienstag erwartet.

  • Opposition in Polen könnte Regierung bilden
  • Ex-Regierungschef Donald Tusk sieht sich als Sieger
  • Regierungspartei PiS stärkste Kraft - aber voraussichtlich ohne Mehrheit im Parlament

Die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat bei der Parlamentswahl am Sonntag die meisten Stimmen errungen, muss aber voraussichtlich trotzdem auf die Oppositionsbänke wechseln. Ein Bündnis aus drei pro-europäischen Oppositionsparteien hat nach aktuellem Stand eine Mehrheit im Parlament und will die nationalkonservative Partei nach acht Jahren an der Regierung ablösen.

Tusk: "Wir haben sie von der Macht entfernt"

"Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen. Wir haben sie von der Macht entfernt", sagte Donald Tusk, Chef der liberalkonservativen Bürgerkoalition (KO), am Sonntagabend in Warschau.

90 Prozent der Wählerstimmen waren am Montagnachmittag (Stand 21 Uhr) ausgezählt [wygory.gov.pl]. Demnach erhält Tusks Partei 30,1 Prozent der Stimmen und wird damit zweitstärkste politische Kraft. Die Bürgerkoalition könnte mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (14,4 Prozent) und dem Linksbündnis Lewica (8,5 Prozent) eine Koalition bilden. Alle drei Parteien waren mit dem Versprechen zur Wahl angetreten, die Macht der PiS zu brechen und gute Beziehungen zur Europäischen Union wiederherzustellen. Die aktuell regierende PiS kommt nach dem Auszählungsstand danach auf rund 36 Prozent.

"Am Sonntag, den 15. Oktober, war Schluss mit der Zankerei und der Almosenvergabe in Polen, und es begann die Zusammenarbeit und die Investition in unsere Zukunft", sagte Szymon Holownia vom Dritten Weg zu dem Ergebnis.

PiS steht ohne Partner da

Die seit 2015 regierende PiS kommt laut bisherigen Auszählungen auf 37 Prozent der Stimmen. Damit bleibt die Regierungspartei zwar stärkste Kraft, verfehlte aber deutlich die absolute Mehrheit. "Das ist ein historischer Sieg", sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Seit dem Ende des Kommunismus habe es in Polen noch keine Partei geschafft, drei Mal hintereinander die Parlamentswahl zu gewinnen.

Dennoch hat die PiS ein Problem: Als Koalitionspartner käme nur die ultrarechte Konfederacja infrage. Doch diese Formation bringt es nach aktuellen Stand auf lediglich 7,2 Prozent. Für eine Regierungsbildung würden die Stimmen beider Parteien nicht ausreichen. Zudem hatte die Konfederacja im Wahlkampf immer wieder betont, sie wolle kein Bündnis mit der PiS eingehen.

Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski sagte, seine Partei werde ihr Projekt realisieren, "unabhängig davon, ob wir an der Macht bleiben oder in die Opposition gehen werden". Er schloss damit indirekt nicht aus, dass die PiS die Macht verlieren könnte.

Wahlergebnis wohl Dienstagmittag

Der polnische Präsident Andrzej Duda hat angesichts eines möglichen Machtwechsels nach der Parlamentswahl an alle politischen Lager appelliert, in Ruhe auf das offizielle Endergebnis zu warten. "Ich hoffe, die Wahlkommission gibt die Ergebnisse morgen gegen Mittag bekannt", sagte er am Montag während eines Besuchs in Rom und fügte hinzu: "Ich kann vorab schon sagen: Denjenigen, die diese Wahl gewonnen haben, gratuliere ich von ganzem Herzen." Einen Namen nannte der Präsident nicht. Hochrechnungen wie in Deutschland sind in Polen nicht üblich.

Eine neue Regierungsbildung könnte mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern, sagte der langjährige Direktor des Collegium Polonicums, Krzysztof Wojciechowski, dem rbb. "PiS hat immer noch die Möglichkeit, zum Beispiel eine Minderheitsregierung zu bilden, was ein halbes, ein Jahr, oder sogar zwei Jahre dauern kann. Das hat auch Kaczynski gesagt, wir geben die Macht nicht ab, weil wir die Souveränität Polens nicht abgeben wollen. Dabei geht es ihm um die Souveränität von PiS."

Höchste Wahlbeteiligung seit langem

Bei der Wahl konnten gut 29 Millionen Wahlberechtigte abstimmen. Nach Prognosen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos lag die Wahlbeteiligung bei 73 Prozent. Dies wäre der höchste Wert bei einer Wahl seit dem Ende des Kommunismus in Polen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.10.2023, 6 Uhr

83 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 83.

    Naja, hab' mal gehört das bei einem Hillbilly der Horizont am nächsten Hügel endet. Also wundert das eigentlich nicht wirklich.

  2. 82.

    Mir der Pis-Partei geht's abwärts, endlich.

  3. 81.

    Der extrem rechte Machthaber hat aber Stimmen eingebüßt. Sonst könnten die anderen ja keine Koalition bilden. Das lässt hoffen, für Polen. Die Taktik mit dem Billig-Sprit hat ihm nicht geholfen.

  4. 79.

    Sie verwechseln mich hier mit @Kleinanzeigen, Kommentar #27. Er/sie/*, nicht ich, hat behauptet, dass nun einzig Ungarn sich vom Europarat nicht unterbuttern lässt, nachdem in Polen gewählt wurde. Danke.

  5. 78.

    Man kann natürlich vorsorglich schon mal den Wahlgewinner bemeckern und damit vom unsäglichen Wahlverlierer ablenken.

  6. 77.

    Einzelhändler:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 16.10.2023 um 17:03
    Sie sollten dringend ihr Wissen über den Ukrainekonflikt verbessern. Mitregieren oder mitarbeiten bedeutet auch sich zu informieren. Ihre Antworten offenbaren hier noch Luft oben
    und haben ja auch mit dem Artikel nichts mehr zu tun.
    Eben halt Propaganda."

    Ich denke, Sie sollten zuerst Ihre eigenen Ratschläge selber beherzigen, bevor Sie anderen etwas empfehlen, weil Ihr Kommentar besser zu Ihren Kommentaren als zu meinen Kommentaren passt!

    Leider hat Ihr Kommentar keinerlei sachliche Argumente, dafür umso mehr sinnfreie Polemik ohne jeden Realitätsbezug.

    Es scheint so, dass Sie keinerlei sachliche Argumente haben.

  7. 76.

    Einzelhändler:
    "Natürlich hat jeder Politiker die Aufgabe für Frieden einzustehen. Herr Putin ebenso wie Herr Selensky und vor allem Herr Biden."

    Putin sieht aber seine Aufgabe eher als imperialistischer Angriffskriegsherr und will Kolonialismus & Diktatur statt Frieden! Und, ob man aus diesem altersstarrsinnigen, psychopatischen, nationalistischen KGB-Macho-Diktator noch einen respektablen Staatsmann machen kann, das wage ich stark zu bezweifeln!

  8. 74.

    Na offenbar doch. PiS ist ja immer noch die stärkste Kraft und Polen zuriefst gespalten.
    Leider sieht’s so bereits in vielen Demokratien aus.
    Das Rumgefummelt an der Gewaltenteilung hat den Polen ja ihr großes Vorbild USA in Persona Donald Trump bereits vorbildhaft gezeigt . Und leider wackelt der einzige Garant gegen Willkürsysteme bereits in vielen Demokratien.

  9. 73.

    Da haben die künstlich tiefen Spritpreise des staatlichen Mineralölkonzerns dem Machhaber auch nicht zum Sieg verholfen, haha. Demokratie lässt sich nicht kaufen, mit "Freibier für alle". Selbst in Polen nicht.

  10. 72.

    Tja, warum soll es euch anders gehen als dem Rest der meisten Demokratien. Ihr seit auch zutiefst zwischen dem "starken" Mann und einer liberalen Demokratie gespalten.

  11. 71.

    Ich bin schon gespannt, wie Tusk seinen westlichen Jublern seine konsequente Weigerung, Migranten aufzunehmen, vermitteln wird.

  12. 70.

    Eigentlich schade, dass es ein solches System in D. nicht gibt. Dann hätte Merkel bis sie das zeitliche segnet an der Macht bleiben können. In Polen hat aber der Präsident mehr Macht als in D. Er könnte dem Kaczynski Spuk ein Ende bereiten. Leider heißt er Im Volksmund Präsident dlugopis, Kugelschreiber, der jeden Wunsch von Kaczynski unterschreibt.

  13. 69.

    Es ist glaub ich in allen Ländern so, dass in wirtschaftlich schwächeren Regionen eher nationalistische Töne gerne gehört werden. Solche Töne stellen andere immer gerne als Schuldigen der eigenen schlechteren Lebenssituationen dar. Das kann man in Deutschland genau betrachtet auch so beobachten. Es ist in den ersten fast kompletten Auszählungszahlen in Polen zu sehen, dass dort, wo die inländische Wirtschaft brummt und viel auch von ausländischen Tourismus profitiert wird, die Oppositionsparteien mehrheitlich bis gleichwertig gewählt wurden. Weiter Richtung Osten in die wirtschaftlich schwächeren Regionen bleibt die PIS in der Mehrheit. Was ich mich mit Blick auf diese Regionen frage: Wo sind die EU-Fördermittel für EU-Grenzregionen geblieben oder wurden von der Regierung keine Fördermöglichkeiten ausgelotet? Solche Themen lassen sich für die Menschen dort immer leicht mit der Schuld anderer verschleiern. Zur Not sind bei PIS immer noch die Deutschen Schuld.

  14. 68.

    Sie müssen sich schon selbst informieren, unter Meinungsfreiheit verstehen manche halt nur die Verbreitung ihrer eigenen Meinung.

  15. 67.

    Sie reiten immer wieder auf der westlichen Berichterstattung rum. Wollen Sie die polnischen Mitbürger damit als unmündig darstellen? Haben Sie schon mal den Gedanken probiert, dass da etwas dran ist was man so in westlichen Medien liest?
    Polen im Westen des Landes sehen. natürlich auch wie harmlos Deutschland ist und können somit die platten Parolen der PiS deuten.
    Wenn ein Pole nach Kanada oder USA auswandert tut er das weil er dort den absoluten Marktliberalismus erleben kann, den in Polen die PiS ganz offen als Vorbild betrachtet.
    Wenn dieser Pole nach Deutschland übersiedeln würde, würde er hier kaum glücklich werden. Und umgekehrt natürlich.
    Aber selbst in UK liegt die KO vorn. Wahrscheinlich weil der Brexit den dortigen Polen gelehrt hat, was die EU bedeutet und sie ihren Landsleuten ein weiteres Gezanke ersparen wollen.

  16. 66.

    Hab ich nur mal im Kreis Slubice gecheckt aber bestätigt auch wenn es keine Großstadt ist. Schon in Cybinka nahezu patt wo es in Slubice eindeutig KO ist.
    Ich denke in den westpolnischen Städten hat man inzwischen erkannt dass das deutsche Gespenst inzwischen ziemlich harmlos ist und Polen ganz bestimmt nicht mehr bedroht und ist somit resistenter gegen die PIS-Parolen.

  17. 65.

    Na dann mal her mit den Fakten. Nicht wilde Behauptungen aufstellen und alle anderen als unwissend hinstellen.

  18. 64.

    "In den USA macht die PIS das Rennen." Gab es denn unterschiedliche Akzente zur Berichterstattung zu den Wahlen z.Bsp. in den USA oder CAN im Gegensatz zu D? Könnte das als Erklärung zumindest mitspielen?

Nächster Artikel