Serie | Parlamentswahl - Preise an polnischen Tankstellen werden im Wahlkampf zum Politikum
Die günstigen Preise in Polen beflügeln den Grenzverkehr. Während auch Deutsche beim Tanken profitieren, sorgen Subventionen für staatliche Tankstellen bei anderen Anbietern für Empörung. Ein weiterer Aufreger sind die hohen Lebensmittelpreise.
Kurz vor der polnischen Parlamentswahl werden die Preisgefälle an der Grenze zum Politikum: Unter anderem wird dem staatlichen Ölkonzern Orlen vorgeworfen, er würde mit günstigen Benzinpreisen Wahlkampf für die nationalkonservative PiS-Partei machen. Am Sonntag könnte nämlich die PiS-Regierung abgewählt werden. Gegen sie tritt ein breites Wahlbündnis um Donald Tusk von der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO) an. Umfragen deuten auf einen knappen Wahlausgang hin.
Weite Strecken für vollen Tank
Nirgendwo in Europa ist Benzin so günstig wie aktuell in Polen. Das wissen auch viele Deutsche, die für einen vollen Tank zum Teil weitere Strecken auf sich nehmen. Wieviel tatsächlich gespart wird, berichtete Anfang der vergangenen Woche zum Beispiel ein Kunde aus Bernau (Barnim) noch an der Zapfsäule: "30 Cent pro Liter Super!". Ganze 40 Kilometer war er extra bis zu seiner üblichen polnischen Tanke angereist.
Am Tag der Deutschen Einheit war der Mann mit dieser Idee nicht allein, denn der Ansturm war enorm. So musste der Bernauer lange Schlange stehen: erst auf den Hinweg vor der Grenze, dann an der Tankstelle und auf dem Rückweg wieder am Übergang.
Wahlkampf mit Discount-Sprit
Tanken ist aktuell in Polen ein Politikum. Denn hätte der Mann einen anderen Grenzübergang benutzt und wäre an eine Tankstelle des Unternehmens Orlen gefahren, hätte er nicht nur 30, sondern sogar bis 60 Cent auf den Liter gespart. Grund dafür: Orlen ist ein staateigener Konzern und aktuell konkurrenzlos günstig mit teilweise 1,30 Euro für Diesel und Benzin.
Deshalb schieben sich jeden Tag zahlreiche Autos mit deutschen Kennzeichen über die Grenze. In Slubice und Swiecko auf der gegenüberliegenden Oder-Seite von Frankfurt sind die Tankstellen an den Abenden oft leer: "Wir sind ausverkauft", steht auf einigen Schildern.
Die Praxis der Dumping-Preise führt allerdings auch zu Unmut. Die Opposition wirft Orlen vor, mit künstlich niedrigen Benzinpreisen Wahlkampfhilfe für die PiS-Regierung zu leisten. Immerhin hält der polnische Staat mehr als 50 Prozent Anteile an Orlen. Außerdem ist Konzernchef Daniel Obajtek PiS-Mitglied. Mit einem Marktanteil von rund 70 Prozent in ganz Polen gibt Orlen die Preisgestaltung bei Treibstoffen vor und andere müssten mitziehen, heißt es.
Andere Tankstellen-Betreiber sprechen von unfairem Wettbewerb. So auch der Wart einer freien Tankstelle in Osinow Dolny bei Hohenwutzen. "Das ist eine politische Strategie vor den Wahlen. Irgendwann werden wir für die künstlichen Preissenkungen bezahlen müssen. Dieser Sprit wird doch unter den Kosten verkauft."
Das Thema polarisiert in Polen. Aus Protest fahren viele Gegner der PiS-Partei aktuell nicht zu Orlen tanken. Für viele Deutsche sind die Preise hingegen oftmals sogar ein zusätzlicher Anreiz, über die Grenze zu fahren.
Preisunterschied bei Lebensmitteln wird kleiner
Doch nicht nur Kraftstoff, sondern auch die sogenannten Polenmärkte locken die deutschen Kundinnen und Kunden. "Fleisch, Milch, Käse - alles Essen ist fast drei Mal billiger als in Deutschland und schmeckt auch besser", sagt eine Frau auf dem Basar in Osinow Dolny.
Doch viel günstiger sind die Lebensmittel mittlerweile nicht mehr. Bei insgesamt zehn Prozent lag die Inflation 2023 in Polen, und das schlägt sich auch auf die Lebensmittelpreise nieder. Die Preise in deutschen und polnischen Supermärkten gleichen sich langsam an. Das macht aktuell viele Polen nachdenklich, so wie Ilona, die ein kleines Restaurant auf dem Markt betreibt. "Wir alle machen uns Gedanken wegen der hohen Inflation. Es ist Zeit für einen Regierungswechsel. Ich habe aber Angst, dass die jetzige Regierung an der Macht bleibt."
Wie Wahlanalysen zeigen, wählen Unternehmer und Geschäftsleute nur verhältnismäßig selten die regierende PiS-Partei. Sie geben dieser die Schuld, dass in den vergangenen Jahren in Polen der Mindestlohn deutlich angehoben wurde, auf 3.600 Zloty, umgerechnet 800 Euro im Monat. Die Meinungen dazu sind geteilt. "Sicherlich freuen sich manche über den höheren Mindestlohn", sagt Verkäuferin Elzbieta. "Andere wiederum wie Unternehmer, Arbeitgeber haben dann noch höhere Kosten."
Noch können sich viele deutsche Kunden über die Preise in Polen freuen. Doch ob das angesichts von höheren Löhnen, Inflation und mutmaßlichen Wahlkampfgeschenken so bleibt, ist nur abzusehen. Wie auch immer die Wahlen ausgehen, wird das mutmaßlich einen Einfluss auf die Preise auch in Hohenwutzen haben.
Sendung: Antenne Brandenburg, 12.10.2023, 15:40 Uhr
Mit Material von Magdalena Dercz, Jakub Paczkowski und Sabine Tzitschke