Am Späti in Britz - "Wenn wir unseren Mietpreis sagen, staunen immer alle, wie niedrig der ist"

So 05.01.25 | 10:01 Uhr
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Grafik:Ein Kübel Blumen steht auf einem Tisch neben einer Mauer.(Quelle:rbb)
Bild: rbb

Die meisten Berliner wohnen außerhalb des Rings. Zwei rbb|24-Reporter sprechen dort Leute am Späti an und fragen, was sie umtreibt. Heute: eine Autorin, die von einer weiten Reise zurück ist und versucht, sich wieder an das trubelige Berlin zu gewöhnen.

rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "Am Späti" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.

Wer: Schriftstellerin
Alter: 40 Jahre
Uhrzeit: 09:51 Uhr
Gekauft: Lucky-Strike-Tabak und Blättchen
Woher: Kinder zur Schule bringen und Kaffeetrinken
Wohin: nach Hause
Späti: an einer großen Straße, unweit einer Autobahnauffahrt; Arzt, Friseur und Apotheke direkt nebenan

 

Ich war in diesem Jahr mit meiner Familie sieben Monate auf Reisen, wir sind ums Mittelmeer herumgereist. Ziemlich komische Welterfahrung, wie viel Müll überall ist, wie heiß es ist, was so los ist. Seit September sind wir wieder zurück. Ich habe jetzt zwei Schulkinder und seitdem ist Vollchaos, Berlin finde ich übelst anstrengend. Bevor das erste Kind eingeschult wurde, haben wir auch schon eine lange Reise gemacht, bevor das zweite eingeschult wurde jetzt wieder. Das älteste Kind wurde während der Reise fernbeschult. Da war ich die Lehrerin, das ging ganz gut.

Sie hat eigentlich schon ihr Rad aufgeschlossen, nimmt sich jetzt aber doch einen Moment Zeit für ein Gespräch, ist sofort offen und freundlich.

Ich bin gebürtige Brandenburgerin. Ich finde es richtig heftig, was in Brandenburg politisch abgeht mit dem Rechtsruck und der AfD. Als wir auf der Reise waren, hatten wir einen großen Abstand dazu. Wir haben immer Tagesschau geguckt jeden Tag, aber da war der Abstand größer. Italienische Nazis haben wir auch gesehen, aber die hatten irgendwie weniger mit uns zu tun.

Ich probiere momentan, Schriftstellerin zu sein. Ich schreibe gerade an einem Text zu den 90ern. Ich bin gerade bei Plattenbau im Osten, DDR, Nachwende, Punks und Nazis angekommen. Da schmerzt es mich zu sehen, wie im Kulturbetrieb gerade gekürzt wird. Das verteilt viele Päckchen auch auf mein Umfeld. Gerade für die Girls mit Kindern ist es besonders schwer. Viele sind alleinerziehend und kurz vorm Burn Out. Das finde ich besorgniserregend, weil ich nicht weiß, wo die wieder Energie herholen wollen, weil die Urlaube dafür oft einfach nicht reichen.

Ich habe relativ schnell festgestellt, dass Reisen nicht Urlaub ist. Ich hatte gehofft, dass mir diese Zeit Erholung bringt. Als ich losgefahren bin, war ich ziemlich erschöpft. Ich hatte vorher noch schnell mein drittes Studium abgeschlossen und nebenher gearbeitet. Und dann dachte ich, als wir losgefahren sind: Ach, jetzt mal hier schön am Strand bisschen Meeresschildkröten kieken. Aber so ist es nicht gewesen. Ich finde Reisen schon auch anstrengend. Immer wenn wir Ländergrenzen passiert haben, brauchte es eine Neuorientierung: Was ist jetzt hier los, welche Sprache wird gesprochen, wie kommen wir klar mit den Leuten?

Wir sind eine nicht sehr leise Familie, nicht immer harmonisch. Aber auf der Reise haben wir Langsamkeit gelernt. Und die haben wir hier auch noch relativ lange halten können. Viele haben bemerkt: Ihr kocht ja so langsam und ihr lauft ja immer so langsam durch die Gegend. Das war ziemlich cool.

Beim Reden spielt sie hin und wieder mit dem Ansatz ihrer Wollmütze, knalllila Haare werden darunter sichtbar.

Jetzt wieder ins wuselige Berlin mit all den 1.000 Anforderungen eintauchen. Der hohe Krankenstand an der Schule zum Beispiel - dafür kann niemand etwas, ich bin da sehr wohlwollend. Aber wir bekommen jeden Tag fünf bis zehn Nachrichten von der Schule oder vom Hort. Von dieser Essenslieferungsgeschichte war auch unsere Schule betroffen. Da haben alle dann völlig am Rad gedreht und ich habe mir gedacht: Sachen ruckeln sich zurecht, wir leben halt im Kapitalismus. So starke Anspruchshaltungen, wie die von anderen Eltern, sind mir fremd, die habe ich nicht.

Ich wohne jetzt schon fast 20 Jahre in Berlin. Seit fast zehn Jahren da in diesem Haus.

Sie zeigt auf ein Eckhaus hinter sich.

Wir suchen im Moment wieder zwei neue Mitbewohner. Wenn wir unseren Mietpreis sagen, staunen immer alle, wie niedrig der ist. Wir kämpfen um jeden Cent, ziehen immer gegen die Mietspiegelanpassung vor Gericht. Wir zahlen vielleicht die Hälfte im Vergleich zu allen anderen WGs.

Ich habe letztens nochmal mit Leuten gesprochen, die meinten, dass sich hier im Kiez so viel verändert, so viele neue Leute kommen, zum Beispiel neue coole WGs. Wir sind auch eine coole WG. Also auch Teil des Problems. Oder des Prozesses. Ich finde aber eigentlich gar nicht, dass sich so viel verändert hat. Manchmal wechselt ein Imbiss oder der Gemüsehändler ist jetzt ein anderer, aber sonst? Also aufwertungsmäßig passiert hier relativ wenig, aber sobald man ein bisschen näher zur Hermannstraße kommt, ändert sich das.

Sie trägt einen schwarzen Leinenbeutel mit der Aufschrift "Acht Eimer Hühnerherzen", einer Punkband, wie man sich ergooglen kann.

Ich bin eine große Punk Rockerin. Gerne erste Reihe beim Konzert, gerne in so ganz kleinen Läden. Demnächst stehen ein paar Konzerte an und ich freue mich sehr. Auch weil ja ziemlich viele Läden geschlossen haben oder von der Schließung bedroht sind. Ich gehe im Dezember zu "Düsenjäger" in den Schokoladen. Und da merke ich, dass ich relativ konservativ in meinem Wunsch bin, dass sich die alten Läden halten, wo ich mir noch ein Bier leisten kann. Sterni 1,50 Euro – das ermöglicht Leuten einfach, einen runden Abend zu haben.

Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24

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    Die meisten Berliner wohnen außerhalb des Rings. Zwei rbb|24-Reporter sprechen dort Leute am Späti an und fragen, was sie umtreibt. Heute: ein Afghane, der in Lichtenrade den American Dream verfolgt und lieber als Security als auf dem Bau arbeiten möchte.

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    Am Späti in Lichtenrade 

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    Die meisten Berliner wohnen außerhalb des Rings. Zwei rbb|24-Reporter sprechen dort Leute am Späti an und fragen, was sie umtreibt. Heute: ein Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, der sich über Jugendliche aufregt und für den Hertha das größte Glück ist.

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    "Dass ich jetzt aus meiner Wohnung raus muss, ärgert mich"

    Die meisten Berliner wohnen außerhalb des Rings. Zwei rbb|24-Reporter sprechen dort Leute am Späti an und fragen, was sie umtreibt. Heute: ein Hausmeister, der gerade umzieht, weil sein Haus zwangsgeräumt wird. Am Späti holt er Bier für seine Helfer.

73 Kommentare

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  1. 73.

    Doch, doch, das habe ich heute auch beobachten müssen. Als ich nach Stunden des Wartens, in der Schlange vor einem Müllcontainer, etwas benebelt vom Chanel Nr. 5 der Dame vor mir, endlich auch nach Pfandflaschen suchen durfte, habe ich leider nur zwei Rolex' und eine Hermès Handtasche rausfischen können. Ach ja, ich hoffe auf morgen, dass ich dann wieder ein paar Dosen finde und nicht nur diesen Wohlstandsmüll.

  2. 72.

    Meine Berliner Miete ist auch nach 20 Jahren immer noch völlig Ok !!!

  3. 71.

    An dieser Frau könnten sich viele eine dicke Scheibe abschneiden! Die sollte Vorbild für alle Meckerer und Pessimisten sein! Es geht auch anderst!

  4. 70.

    Jede/Jeder die Arbeiten/nicht auf Kosten des Staates leben, sind willkommen in Berlin.
    Herkunft vollkommen egal.

  5. 69.

    Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Lebensentwürfe es an den Spätis gibt. Danke für diese Reihe.
    Ich besuche selbst kaum Spätis, aber vielleicht sollte ich das ändern?

  6. 67.

    Sie haben noch Land und Kontinent vergessen nur so wird Berlin der Nabel der Welt oder eben was anderes.

  7. 66.

    In Rostock - Deutschlandweit die höchsten Mietsteigerungen, in den letzten Jahren.
    Nicht nur Berlin ist betroffen - Wohnungsmangel und teure Mieten, kommt wahrscheinlich langsam überall an.

  8. 65.

    Mit Öffis geht auch - sogar aus Brandenburg.
    Regio/Bus/S-Bahn brauchen von vielen Orten im Berliner Umland, bis ins Berliner Stadtzentrum - sehr oft nicht mehr, als eine halbe Stunde, Viele Grüße.
    8 Berliner Umlandkreise und mehrere Kreisfreie Städte haben gute Anbindung nach Berlin.

  9. 64.

    Ich kenne viele reiche Leute - ehemalige Gutverdiener, die Pfandflaschen sammeln und sich zu 2000 Euro Rente + 2000 der Ehefrau, immer noch etwas dazuverdienen."

    Ja wer kennt das nicht?
    Da kommen morgens ganze Wagenkolonnen (mit Chauffeur) aus Frohnau, Grunewald oder Zehlendorf in die Innenstadtbezirke um sich dort über jeden Mülleimer herzumachen.

  10. 63.

    Muß denn jeder Mensch, zum Beispiel aus der Lausitz, aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Meck-Pomm, usw. überhaupt nach Berlin ziehen ???
    Wie in mehreren Kommentaren doch schon steht :
    Hoyerswerda, Bautzen, Görlitz, Chemnitz, Gera, usw. sind immer noch bezahlbar, bei Mieten/Nebenkosten.
    Muss daher, jeder Mensch aus seinem Dorf/Stadt/Kommune, nach Berlin ziehen, nur weil dort Action, Spaß und Unordnung sind ???

  11. 62.

    Bei Altmieten werden die Möglichkeit zur Mietsteigerung,
    meist nicht so ausgeschöpft, wie bei neuen Verträgen.
    Lebe selbst sei 88 in Berlin und bin mit der Höhe der Miete vollkommen zufrieden !!!

  12. 60.

    Natürlich gibts auch Mietverträge mit einem Alter von 20 Jahren und länger.
    Wenn der Vermieter die gesetzlichen Möglichkeiten zur Mietsteigerung ausschöpft, zahlen sie auch als Altmieter in ihren geschilderten Komfort schnell ordentlich Miete! Und das dürfte gerade in Berlin auch der Fall sein.

  13. 59.

    Bin vor wenigen Jahren von Berlin nach Rostock gezogen.
    In Mecklenburg-Vorpommern, sind die Mieten in den letzten Jahren, unheimlich angestiegen - ist mittlerweile ein Deutschlandweites Problem der Jährlich steigenden Mieten - irgendwann nicht mehr bezahlbar = Bürgergeld/Grundsicherung.

  14. 58.

    Offenbar werden hier wieder nur Beiträge veröffentlicht, die die alternativen Einstellungen dieser Dame gutheißen. Gibt abermals ein tolles Bild ab.

  15. 57.

    Da, bin Ich ganz bei Ihnen :
    Man ist so jung/alt, wie man sich fühlt !!!
    Seit ich, chronisch krank geworden bin(55), trifft das, sogar noch viel mehr zu - manchmal 75, aber auch manchmal 35, LG.

  16. 56.

    Ich kenne sogar persönlich, in Mecklenburg-Vorpommern und sogar auf der schönen Insel Rügen, einige Menschen, für die ist das Pfandflaschen sammeln, ein Hobby/ein willkommener Zeitvertreib.
    Sogar ehemalige Beamte und ehemalige Selbständige - von denen ich 100% weiß, die haben das Kramen im Papierkorb garantiert nicht nötig.
    Früher wurde auf der DDR- Müllkippe(Westmüll) gesammelt - heute sind das gut betuchte Hobby Flaschensammler.

  17. 55.

    Ich kenne viele reiche Leute - ehemalige Gutverdiener, die Pfandflaschen sammeln und sich zu 2000 Euro Rente + 2000 der Ehefrau, immer noch etwas dazuverdienen.
    Als geborener Havelländer, kenne ich da genügend Flaschensammler, die das garantiert Nicht nötig hätten
    (Gute Renten +Haus+Erspartes).
    Das sind auch keine Einzelfälle, das ist die Regel- mag in Berlin anders sein, durch Zuwanderung/Zuzug aus aller Welt und durch, kein Eigentum, zu hohe Mieten, warten auf Sozialsystem.

  18. 54.

    In 30 Jahren muss sie Flaschen sammeln weil sie nur eine kleine Rente hat. Vermutlich ist aber der Staat, der Kapitalismus oder die Anderen Schuld.

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