Am Späti in Schöneweide - "Ich habe oft gehört, ich als Frau müsste mich anpassen"
Die meisten Berliner wohnen außerhalb des Rings. Zwei rbb|24-Reporter sprechen dort Leute am Späti an und fragen, was sie umtreibt. Heute: Eine Krankenschwester in Elternzeit, die sich als Frau auf der Straße nicht sicher fühlt und auch Angst um ihre Tochter hat.
rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "Am Späti" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.
Hier in Schöneweide fühle ich mich nicht immer sicher. Vor allem abends, wenn es dunkel wird. Es gibt viele betrunkene Leute, auch Clanmitglieder mittlerweile. Nach mir und meinem Kind wurde schon eine Bierflasche geschmissen. Ich wurde des Öfteren nachts angegriffen. Ich bin gern und viel nachts unterwegs, aber mittlerweile eher nicht mehr. Ich habe meine Wertsachen nie offensichtlich dabei. Wenn ich Stiefel anhabe oder Socken, dann stecke ich da die Karten oder das Geld rein.
Rot gefärbte Haare mit großem Ansatz, Pferdeschwanz, Tätowierungen, die an Dekolleté und Armen aus dem Shirt ragen, Sandalen mit Absatz – sie bleibt beim Sprechen auf Abstand, ist dadurch manchmal schlecht zu verstehen.
Vor 15 Jahren bin ich nach Schöneweide gezogen. Vorher bin ich in einem Dorf an der Nordsee aufgewachsen. Schöneweide hat sich absolut nur negativ verändert. Es sind viele Menschen dazu gekommen und – ich will jetzt nicht rechtsradikal klingen - , aber viele wollen sich nicht anpassen und bringen ihre Kultur mit hier ein. Und die ist bei einigen leider sehr frauenverachtend. Es sind nicht nur die islamischen Menschen, aber größtenteils schon. Auch meine Tochter, die jetzt 14 Jahre alt ist, erlebt es schon, dass sie als Frau angefeindet wird. Sie bekommt zum Beispiel zu hören, dass sie mehr bedecken sollte.
Sie will jetzt abends auch mal länger raus, aber sie ist sehr hübsch und schüchtern, da hat man als Mutter schon ein bisschen Angst. Junge Menschen werden in Berlin sehr früh dazu verleitet, Drogen auszuprobieren. Meine Tochter liest jetzt das Buch von Christiane F.. Mir ist es wichtig, dass sie weiß, auch die kleinsten Sachen können zum Schlimmsten führen. Auf dem Dorf wird die Jugend schon besser groß, da haben sie andere Sachen im Kopf. Ich bin auf dem Dorf groß geworden. Da sind Drogen nicht so einfach zu bekommen wie hier.
Zu Anfang des Gesprächs war sie zurückhaltend, antwortete in kurzen Sätzen. Jetzt kommt sie ins Erzählen, von ihren Sorgen über ihre Kinder.
Ich würde mir schon wünschen, dass die Politik mehr für die Sicherheit tut. Ich glaube, das A und O bei Integration ist, dass Menschen, die hierherkommen, lernen, sich anzupassen. Ich habe oft gehört, ich als Frau müsse mich denen anpassen von nicht deutschstämmigen Menschen. In den letzten zehn Jahren wird es hier immer schlimmer – auch mit der Gewalt. Es gab auch früher schon Geflüchtete hier, aber da gab es diese extreme Gewaltbereitschaft noch nicht. Es ist immer so ein Unwohlsein da, auch wenn ich abends mit dem Hund gehe. Es wurde abends auch schon nach unserem Hund getreten.
Das beeinflusst mich auch, wenn ich wählen gehe. Letztes Mal bin ich gar nicht wählen gegangen. Jede Partei hat ihre Vorteile, aber meistens auch sehr viele Nachteile. Es gibt ja auch Schlagzeilen, die immer das gleiche beinhalten - immer Gewalttaten. Menschen, die vor Züge geschubst werden zum Beispiel. In der Justiz, da passiert aber auch nichts als Folge darauf. Ein Mann schubst jemanden aufs Gleis und dann bekommt er Bewährung, weil es ihm psychisch nicht so gut ging. Mörder und Vergewaltiger kommen einfach wieder frei, weil sie getrunken haben oder einen Joint geraucht haben. Aber sie haben sich doch auch entschieden, was zu konsumieren.
Plötzlich wird es laut, wir werden zur Seite gedrängt. Lärmende Kinder füllen den Gehsteig vorm Späti, einige gehen rein und holen sich was, wir müssen aus Lärm- und Platzgründen unser Gespräch kurz unterbrechen.
Momentan bin ich in Elternzeit. Davor habe ich als Krankenschwester in Tempelhof gearbeitet. Als Corona war, war ich schon in Elternzeit. Wahrscheinlich kehre ich nicht in den Beruf zurück. Die Arbeit geht auf die Psyche und das Gehalt stimmt damit auch nicht. Was ich dann mache, lasse ich jetzt erstmal auf mich zukommen.
Kitaplätze sind hier in Schöneweide ein großes Problem. Am besten schon melden, wenn man plant, ein Kind zu bekommen. Das sagen die Kitas auch selber. Da muss man sich spätestens drum kümmern, wenn man schwanger ist. Meine kleine Tochter wird fünf Jahre alt übermorgen und ich habe bis jetzt keine Kita gefunden.
Meine Tochter hat aber auch einen Herzfehler und da muss man genauer hinschauen. Viele Kitas können das aber nicht gewährleisten. Ich melde sie also auch nicht in jeder Kita an. Es gibt viele Integrationskitas, die dann mehr mit Integrationskindern zu tun haben, und da sind die Augen dann nicht so sehr beim Kind, wie sie sein sollten. Bei meiner Tochter muss man sehr aufmerksam sein, deshalb habe ich sie noch Zuhause.
Meine Kinder und ich, wir haben hier unsere Freundeskreise aufgebaut, das will man nicht alles aufgeben. Es gibt ja auch schöne Seiten hier. Ich bin viel in der Wuhlheide, das ist für Kinder perfekt.
Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24.