Am Späti in Lichtenrade - "Wenn du dir hier Mühe gibst, kannst du alles haben"

Fr 02.08.24 | 17:02 Uhr
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Illustration Am Späti:Eine Person hält Tabakwaren und Schlüssel mit Anhänger.(Quelle:rbb)
Bild: rbb

Die meisten Berliner wohnen außerhalb des Rings. Zwei rbb|24-Reporter sprechen dort Leute am Späti an und fragen, was sie umtreibt. Heute: ein Afghane, der in Lichtenrade den American Dream verfolgt und lieber als Security als auf dem Bau arbeiten möchte.

rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "Am Späti" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.

Wer: Mann aus Afghanistan
Alter: 42 Jahre
Uhrzeit: 13:26 Uhr
Gekauft: ein Päckchen Pueblo-Tabak, Blättchen
Geld: schwarzes, flaches Lederportemonnaie
Woher: von Zuhause
Wohin: nach Hause
Späti: in einer leeren Ladenzeile, an einem Platz mit Norma und einem stillgelegten Springbrunnen aus steinernen Nilpferden, drumherum Hochhäuser

 

Seit 2020 wohnen ich und meine Familie in Lichtenrade. Vorher waren wir in einem Containerheim. Jetzt haben wir hier eine Wohnung. Meine Frau und ich haben zwei Kinder. Meine Tochter ist fast elf Jahre alt und das andere Kind ist noch nicht zwei. Es hat drei Jahre gedauert, bis meine ältere Tochter hier einen Schulplatz bekommen hat.

Direkt neben uns begrüßt der Späti-Inhaber eine Kundin und ihren kleinen Hund, der sich grell bellend und quietschend darüber freut. Der Geflüchtete beachtet das Gebelle nicht.

Ich habe bislang auf einer Baustelle gearbeitet, da habe ich aber jetzt gekündigt. Ich arbeite daran, mein B1-Deutschzertifikat zu bekommen. Zwei Mal habe ich den schriftlichen Test schon nicht bestanden.

In Zukunft möchte ich im Security-Bereich arbeiten. Vorher brauche ich noch einen Sachkundenachweis, dann kann ich mehr verdienen. Ich glaube, im Security-Bereich fällt mir die Arbeit leichter als auf der Baustelle. Ich bin über 40 Jahre alt. Ich bin eigentlich Metzger. Aber das passt mir nicht mehr, weil es ein sehr anstrengender Beruf ist und ich darauf keine Lust habe. Security- Arbeit finde ich besser, da muss man sich nicht viel bewegen, da muss man nur etwas schützen. Ich hoffe, das klappt.

Wir sind zufrieden in Lichtenrade. Wir haben guten Kontakt zu unseren Nachbarn und ein paar anderen Afghanern in der Gegend. Vor der Coronazeit hatten wir auch Kontakt zu zwei Berliner Familien, aber das ist auseinander gegangen. Sie wohnen weiter weg.

Wir haben am Anfang ein Jahr in einer Turnhalle an der Landsberger Allee gewohnt. Das war eine sehr schwere Zeit. Einen guten Punkt gab es dort aber: Wir haben schnell sprechen gelernt. Dort waren viele Deutsche, die zum Beispiel mit Kindern gespielt haben.

Wir haben Familie in Ahrensfelde, manchmal treffen wir uns. Im Moment wohnen wir in einer kleinen Wohnung, wir schlafen alle vier in einem Zimmer. Ich versuche deshalb, eine größere Wohnung zu finden. Aber ich muss geduldig sein.

Er steht entspannt im Schatten des Hochhauses, in dem er lebt. Ist nur kurz runter gekommen, um Tabak zu kaufen. Vorher hat er eine Weile mit seinem kleinen Sohn und einem weißen Auto auf dem Platz gespielt.

Anders als andere Afghanen ist mein Geburtstag wirklich am 1.1.. Viele haben das bei der Einreise einfach angegeben, weil unser Kalender anders ist und das zu schwierig war mit der Übersetzung. Mein Geburtstag ist wirklich am 1.1., aber trotzdem habe ich jetzt manchmal Probleme, weil sehr viele dieses Datum als falsches Datum angegeben haben.

Heute gehe ich noch zur Fahrschule. Ich habe ein Mal die praktische Prüfung nicht bestanden. Das ist aber wichtig für mich, denn eventuell möchte ich später im Security-Bereich als Fahrer arbeiten.

Das ist mein Plan, um in Zukunft noch besser zu leben. Hier ist unser Leben auf jeden Fall schon mal besser als in meinem Land. Wenn du dir hier Mühe gibst, kannst du alles haben. Wenn du dich aber nicht bemühst, dann geht es dir hier sogar schlimmer als in meinem Land. Dann bleibt man immer auf einer Stufe. Aber wenn man die Stufen hochsteigen möchte, dann geht das hier, in Afghanistan geht das leider nicht.

Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24

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Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24

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16 Kommentare

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  1. 16.

    Migranten, Einwanderer- Kräfte sind im Pflegebereich von 8% auf 14% seit 2023 gestiegen.
    Bei Reinigungskräfte auf 41 Prozent. Beim Bau sind viele beschäftigt.
    Wo bleiben mehr die Deutschen die teils die schwere, bzw. die niedrige Arbeit machen?
    Wenn mehr Deutsche diese Arbeiten machen würden, dann hätten wir einen besseren Stand in diesen Bereichen.
    Unterschätzen Sie bitte nicht die Arbeit vom Security, es ist kein leichter Job. Dabei denke ich nicht an Türsteher bei kleinen Discos. Ein Security- Fahrer ist kein Taxifahrer. Wer klein anfängt, sich hocharbeitet mit guter Ausbildung und Disziplin der kann es weit bringen.


  2. 15.

    wenn das alle so handhaben, gibt es bald niemand mehr, der unangenehme aber gesellschaftlich unverzichtbare Tätigkeiten ausübt. Mezger und Bauarbeiter sind solche Mangelberufe, Security nicht.
    Und nein, „sauer“ bin ich nicht, denke aber, dass ein bisschen mehr Pflichtbewusstsein für die Gesellschaft besser wäre als immer nur „Ich habe keine Lust“.

  3. 14.

    Danke für Ihren Kommentar!
    Ein friedliches Zusammenleben wird immer schwieriger werden in einer Großstadt, wenn es Menschen gibt die kein gutes Haar mehr an andere Menschen lassen.
    Nice week!

  4. 13.

    Komische Ansichtsweise oder sind Sie sauer, weil "mich fragt auch keiner, ob ich lieber eine etwas leichtere Tätigkeit hätte."?
    Jeder kann/darf/muss für sich entscheiden, welchen Berufsweg er eingeht!

  5. 12.

    die Herkunft interessiert mich nicht sondern der Unwille, in einem Bereich zu arbeiten, wo dringend Fachkräfte gesucht werden.

  6. 11.

    eine Wahl gibt es nicht. Wenn alle nur saubere, leichte Tätigkeiten machen wollen, gibt es bald niemand mehr in so wichtigen Bereichen wie Pflege, Reinigungsgewerbe oder auf dem Bau arbeitet. Wie soll das also funktionieren.

  7. 10.

    irgendwer muss auch die unangenehmen und schwierigen Tätigkeiten machen. Wer soll das sein, wenn ich „keine Lust“ mehr habe?

  8. 9.

    Jeder ob Deutsche/r kann seinen Job oder Beruf auswählen wie er will. Bei Menschen vom Ausland sieht man es anders?
    Es wäre besser gewesen Sie hätten geschwiegen,
    als im Gästebuch über Menschen dieser Diskriminierung freien Lauf zu lassen.



  9. 8.

    die Herkunft interessiert mich nicht, doch hat er einen Beruf erlernt (Mezger) der hier dringend gesucht wird. Anstatt diesen auszuüben, will er lieber etwas anderes machen. Das ist problematisch. Wenn niemand die unangenehmen Arbeiten macht, bricht letztlich alles zusammen.

  10. 7.

    Haben Sie etwas gegen Menschen aus dem Ausland, die hier arbeiten? Ihre Vorurteile und Wertungen sind fürchterlich. Wieso schreiben Sie so etwas? Neid, Missgunst?

    Ich finde den Mann Klasse, vernünftige Meinung, bodenständig, geht arbeiten, redet nicht schlecht über andere.
    Ein zufriedener Mensch.

  11. 6.

    Ja aber… niemand ist gezwungen, einen Job bis zum Lebensende zu machen. Sie hatten oder haben auch die Wahl. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, einen Job zu lernen, der einen besser liegt, dann sollte man das machen. Sie müssen es selber machen! Da kommt niemand und zeigt Ihnen den richtigen Weg. Das ist selbstbestimmtes Leben. Neidvoll über andere meckern in diesem Fall ist eigene Schuld.

  12. 5.

    "... ich bin über 60 und mich fragt auch keiner, ob ich lieber eine etwas leichtere Tätigkeit hätte." Mimimi
    Wer sollte Sie fragen? Es liegt doch an Ihnen, wenn Sie nicht aus dem Arm kommen und sich nicht kümmern.

  13. 4.

    lesen Sie seine Worte: „Aber das passt mir nicht mehr, weil es ein sehr anstrengender Beruf ist und ich darauf keine Lust habe.“
    Er hat keine Lust mehr, ist sich also zu fein für anstrengende Arbeit. Will lieber als Security-Mann durch die Straßen fahren. Und wer zahlt die Fortbildung? Seine bisherige Stelle auf dem Bau hat er ja bereits gekündigt.

  14. 3.

    Nee, er ist sich nicht zu fein. Er nimmt sein Schicksal selbst in die Hand, bildet sich weiter, qualifiziert sich. Es hat ihn auch niemand gefragt. Und er muss auch nicht in einem bestimmten Beruf bleiben, ist ja schließlich keine Planwirtschaft mehr.

    Einfach mal ne Scheibe von abschneiden, anstatt sich über andere zu beschweren.

  15. 2.

    er ist sich zu fein, um auf dem Bau oder als Mezger (sein erlernter Beruf, hierzulande gesuchte Fachkräfte) zu arbeiten. Lieber Security. Er will also nicht für die Bevölkerung arbeiten sondern sie lieber überwachen. Und, oh je, er ist über 40, ich bin über 60 und mich fragt auch keiner, ob ich lieber eine etwas leichtere Tätigkeit hätte.

  16. 1.

    "Wenn du dir hier Mühe gibst, kannst du alles haben", es ist eine gute Haltung wenn er in Deutschland es zu was bringen möchte. Er hat den Mut und das Selbstbewusstsein, dass er nicht unten an der Leiter stehen muss. Es ist keine Schande zweimal den Deutsch-Test nicht bestanden zu haben. Verständlich, die deutsche Grammatik ist für Ausländer schwer zu verstehen.
    Ich wünsche diesen Mann und seiner Familie, dass die Motivation die er hat ihm hilft - sein Ziel nicht zu verfehlen. Viel Glück!

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