Am Späti in Lichtenrade - "Wenn du dir hier Mühe gibst, kannst du alles haben"
Die meisten Berliner wohnen außerhalb des Rings. Zwei rbb|24-Reporter sprechen dort Leute am Späti an und fragen, was sie umtreibt. Heute: ein Afghane, der in Lichtenrade den American Dream verfolgt und lieber als Security als auf dem Bau arbeiten möchte.
rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "Am Späti" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.
Seit 2020 wohnen ich und meine Familie in Lichtenrade. Vorher waren wir in einem Containerheim. Jetzt haben wir hier eine Wohnung. Meine Frau und ich haben zwei Kinder. Meine Tochter ist fast elf Jahre alt und das andere Kind ist noch nicht zwei. Es hat drei Jahre gedauert, bis meine ältere Tochter hier einen Schulplatz bekommen hat.
Direkt neben uns begrüßt der Späti-Inhaber eine Kundin und ihren kleinen Hund, der sich grell bellend und quietschend darüber freut. Der Geflüchtete beachtet das Gebelle nicht.
Ich habe bislang auf einer Baustelle gearbeitet, da habe ich aber jetzt gekündigt. Ich arbeite daran, mein B1-Deutschzertifikat zu bekommen. Zwei Mal habe ich den schriftlichen Test schon nicht bestanden.
In Zukunft möchte ich im Security-Bereich arbeiten. Vorher brauche ich noch einen Sachkundenachweis, dann kann ich mehr verdienen. Ich glaube, im Security-Bereich fällt mir die Arbeit leichter als auf der Baustelle. Ich bin über 40 Jahre alt. Ich bin eigentlich Metzger. Aber das passt mir nicht mehr, weil es ein sehr anstrengender Beruf ist und ich darauf keine Lust habe. Security- Arbeit finde ich besser, da muss man sich nicht viel bewegen, da muss man nur etwas schützen. Ich hoffe, das klappt.
Wir sind zufrieden in Lichtenrade. Wir haben guten Kontakt zu unseren Nachbarn und ein paar anderen Afghanern in der Gegend. Vor der Coronazeit hatten wir auch Kontakt zu zwei Berliner Familien, aber das ist auseinander gegangen. Sie wohnen weiter weg.
Wir haben am Anfang ein Jahr in einer Turnhalle an der Landsberger Allee gewohnt. Das war eine sehr schwere Zeit. Einen guten Punkt gab es dort aber: Wir haben schnell sprechen gelernt. Dort waren viele Deutsche, die zum Beispiel mit Kindern gespielt haben.
Wir haben Familie in Ahrensfelde, manchmal treffen wir uns. Im Moment wohnen wir in einer kleinen Wohnung, wir schlafen alle vier in einem Zimmer. Ich versuche deshalb, eine größere Wohnung zu finden. Aber ich muss geduldig sein.
Er steht entspannt im Schatten des Hochhauses, in dem er lebt. Ist nur kurz runter gekommen, um Tabak zu kaufen. Vorher hat er eine Weile mit seinem kleinen Sohn und einem weißen Auto auf dem Platz gespielt.
Anders als andere Afghanen ist mein Geburtstag wirklich am 1.1.. Viele haben das bei der Einreise einfach angegeben, weil unser Kalender anders ist und das zu schwierig war mit der Übersetzung. Mein Geburtstag ist wirklich am 1.1., aber trotzdem habe ich jetzt manchmal Probleme, weil sehr viele dieses Datum als falsches Datum angegeben haben.
Heute gehe ich noch zur Fahrschule. Ich habe ein Mal die praktische Prüfung nicht bestanden. Das ist aber wichtig für mich, denn eventuell möchte ich später im Security-Bereich als Fahrer arbeiten.
Das ist mein Plan, um in Zukunft noch besser zu leben. Hier ist unser Leben auf jeden Fall schon mal besser als in meinem Land. Wenn du dir hier Mühe gibst, kannst du alles haben. Wenn du dich aber nicht bemühst, dann geht es dir hier sogar schlimmer als in meinem Land. Dann bleibt man immer auf einer Stufe. Aber wenn man die Stufen hochsteigen möchte, dann geht das hier, in Afghanistan geht das leider nicht.
Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24
Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24
Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24