Protest der Spediteure - "Man kann den Lkw nicht einfach wegzaubern"

Do 18.01.24 | 17:37 Uhr
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LKW-Fahrer Martin Sommer auf seiner Tour. (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 18.01.2024 | A. Opitz | Bild: rbb

Kaum sind die Bauern weg, rücken die Spediteure zum Protest an. 1.500 Lkw-Fahrer sind zu einer Sternfahrt nach Berlin aufgebrochen. In der Branche gibt es Unmut, vor allem über fehlende Parkplätze und höhere Mautgebühren. Von Raphael Jung

Martin Sommer sitzt gern hinterm Steuer. Mit einem Lkw fährt er täglich Frachten von Berlin ins Umland. Sein Alltag ist geregelt: Jeden Morgen holt er bei einem Logistiker in Berlin-Tegel Sattelzug, Frachtpapiere und den bereits bepackten Container ab, dann geht’s auf die Straße. Wegen seiner Familie arbeitet er nur auf kürzeren Strecken, ärgert sich manchmal über kaum vorankommende Baustellen. Doch seine Kollegen, die Fernfahrten machen, seien längst nicht so zufrieden. Ein Grund: Zu wenig Parkplätze auf Autobahnen und Raststätten, um zu übernachten.

Maut für die Straße, nicht für die Schiene

"Die Arbeitszeit und Lenkzeit ist ja begrenzt", erklärt Sommer, "und dann steht man vor dem Problem, wo stelle ich mich hin?" Mit einem großen Lkw könne man ja nicht einfach runter ins Wohngebiet, eine Seitenstraße oder auf einen Parkplatz fahren. Gewerbegebiete seien teilweise mit Parkverbotszonen versehen. Und auf den Höfen der Auftraggeber oder Kunden könne man auch nicht stehen. "Da kannst Du nicht sagen, so meine Schicht ist jetzt vorbei, ich bleib hier stehen und schlafe mich aus", erzählt Sommer. "Man kann den Lkw ja nicht einfach wegzaubern!"

Die schlechte Parkplatz-Infrastruktur zwinge Kraftfahrer dazu, mitunter ein bis zwei Stunden vor dem Ende ihrer Lenkzeit anzufangen, einen Schlafplatz für die Nacht zu suchen, sagt Daniel Beständig vom Bundesverband Logistik und Verkehr pro e.V. Der Verband hatte für Donnerstag zu einer Sternfahrt des deutschen Güterverkehrs aufgerufen, am Freitag soll es eine Kundgebung am Brandenburger Tor geben. Rund 1.500 Laster werden erwartet. Neben einer besseren Infrastruktur für Berufskraftfahrer fordert der Verband eine Rücknahme des zum 1.12. eingeführten CO2-Aufschlags auf die Lkw-Maut. Zudem sollten die Mauteinnahmen wieder in die Straße investiert werden und nicht in die Schiene.

Lkw-Maut um 82 Prozent erhöht

Der Hennigsdorfer Spediteur Marc Kampmann teilt diese Forderungen. Vor gut zwanzig Jahren hat er gemeinsam mit einem Partner die Spedition "Busse & Zerber" gegründet, damals mit nur einem Lkw. Inzwischen sind es 450 Laster und 850 Fahrer an neun Standorten. Die Erhöhung der Maut um einen CO2-Aufschlag treffe viele Unternehmen in der Branche hart, sagt Kampmann. "In Zahlen stellt es sich so dar, dass der durchschnittliche Lkw seit 1.12. einen Mautzuschlag in Höhe von 82 Prozent bezahlt." Die Kurzfristigkeit der Einführung sei durchaus ein Problem gewesen. "Das allergrößte Problem für uns aber ist, dass unsere 72 gasbetriebenen Lkw, die bis dahin mautfrei waren, jetzt zu 100 Prozent bemautet werden."

Vor der Erhöhung zahlte Kampmann rund 500.000 Euro Maut im Monat für die von seinen Lkw zurückgelegten Kilometer. Nun sind es rund 1,5 Millionen Euro im Monat, also das Dreifache – wegen des CO2-Aufschlags auf die Maut und weil seit Jahresbeginn auch die mit Erd- und Biogas betriebenen Lkw mautpflichtig sind. Gerade das leuchtet dem Spediteur nicht ein: Die Gas-Lkws seien teurer gewesen in der Anschaffung, müssten öfter in die Wartung und könnten außerdem mit umweltfreundlichem Bio-LNG betankt werden. Für diese Lkws würde Kampmann sich seitens der Politik mehr Differenzierung und einen "signifikanten Mautrabatt" wünschen.

Hoffnung auf konstruktiven Dialog

Zwar kann Kampmann die höhere Maut an seine Kunden weitergeben. Allerdings fragen einige ihn auch, ob er Gegenzug nicht den Frachtpreis reduzieren könne. Bei dem großen Kostendruck sei das aber kaum machbar. "Wir befinden uns in einer Branche, die eine durchschnittliche Umsatzrendite von 1,8 bis 2 Prozent hat. Da bleiben von 100 umgesetzten Euro im besten Fall zwei Euro übrig." Vom Protest der Lkw-Fahrer und Spediteure erhofft der Unternehmer sich "einen konstruktiven Gesprächseinstieg, hin zu einem Dialog zwischen Politik und unserer Branche", bei dem über die konkreten Forderungen gesprochen wird.

Martin Sommer ist unterdessen beim ersten Kunden in Falkensee angekommen. Mit einem elektrischen Hubwagen bringt er die Fracht aus dem Anhänger in die über zehn Meter hohe Speditionshalle, lässt die Papiere abzeichnen und setzt sich wieder hinters Steuer. Was denkt er über die Anhebung der Mautsätze, über die Klagen in der Branche? "Wenn man ehrlich ist, dann sind das nicht direkt die Kopfschmerzen eines Fahrers", sagt Sommer. Das sei zunächst mal Unternehmersache. "Allerdings, irgendwann kann es einen als Fahrer halt auch betreffen." Wenn das Unternehmen, bei man angestellt ist, in die Insolvenz rutsche oder man nicht das Geld verdienen könne, was man verdienen möchte.

Martin Sommer wird sich nicht am Protest beteiligen, er wird stattdessen seine Frachten ausfahren. Aber sein Chef Marc Kampmann schickt zehn Laster zur Sternfahrt nach Berlin – in der Hoffnung, dass die Politik die Bedeutung und auch die Nöte des Transportgewerbes wahrnimmt.

Sendung: rbb24 Abendschau, 19.01.2024, 19:30 Uhr

43 Kommentare

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  1. 43.

    Niemand hat die Absicht einen Großteil des Güterverkehrs von der Straße auf dei Bahn zu bekommen.
    Wenn man dies Umsätzen würde, dann würden dem Staat Milliarden an Steuereinnahmen durch wegfallende Energiesteuer (früher Mineralölsteuer), Mautabgaben,... fehlen.
    Auch wenn die Politik dies, insbesondere die Grünen, dies immer wieder fordern, wirklich umsetzen möchte es "dort oben" niemand.

  2. 42.

    So ist es. Die Bahn zahlt ihre Infrastruktur selbst, die Spediteure bekommen die vom Steuerzahler quasi geschenkt.

  3. 41.

    Da hängen Arbeitsplätze dran? Ja, die der Steuerzahler doppelt und dreifach finanziert. Erst die Subventionen für zweifelhafte "Unternehmer", dann die Bezuschussung der Billiglöhne und letztendlich dann die karge Rente die aufgestockt werden muss.

    Ich dachte immer wir hätten einen freien Wettbewerb? Nur scheint der nicht für alle zu gelten, besonders nicht für die die am lautesten krakeelen.

    Nochmal. Hier protestieren keine LKW Fahrer, sondern lohnabhängige AN auf Geheiß ihrer AG.

  4. 40.

    Eine nachhaltige Verkehrspolitik ist unerwünscht. Wenn die Maut nach Nutzung und Abnutzung berechnet würde, kämen die Speditionen noch schlechter weg. Wenn das Verkehrsminsterium von Dinosauriern geführt wird, wird sich an der jetzigen Situation nichts ändern.

  5. 39.

    "Seh'n se. " Nee, seh ick nich. Abwegige Beispiele tragen nicht zu einem besseren Verständnis bei.

    Ich habe sie sogar sehr gut verstanden, deswegen ja meine Frage die sie weiter unbeantwortet lassen.

    Butter bei de Fische, was würden sie anders machen?

  6. 38.

    Tut mir leid, wenn Sie meinen Beitrag nicht verstehen. Für Sie hier ein vereinfachendes Beispiel:
    Stellen Sie sich 300 Zimmer Spa-Wellness-Resort vor, das seit den 90zigern Ø ein Zimmer jährlich modernisiert hat. Während im Umfeld seither 1.000 Zimmer Konkurrenz entstanden, ging die Belegungsquote von einst 75% auf heute 55% zurück. Wie schlau wäre dann ein Management, das aus Kostengründen beschließt, den zwischenzeitlich maroden Spa-Wellnessbereich zu schließen und dafür die Preise um 20% zu erhöhen? Seh'n se.

  7. 37.

    Das Eine schließt das Andere nicht aus. In allen Fällen hängen aber letztlich Arbeitsplätze dran.

  8. 36.

    Wäre das hier ein Forum -wie manche immer noch fälschlicherweise annehmen- müßte man den Kommentar oben anpinnen. Danke.

  9. 34.

    Ich finde die positiven Kommentare hier fragwürdig: Bauern und LkwFahrer würden gebraucht und der umweltverachtende Protest wird gut geheißen
    Klimakleber die friedlich, unter Gefahr von Hirnlosen verletzt zu werden und ihre Karriere aufs Spiel setzen (Strafverfolgung, unverhältnismäßige Vorgehensweise der Exikutive im direkten Vergleich zu Bauern und Lkw-Fahrern), für den Erhalt der Welt demonstrieren damit Bauern anbauen und LKWs ausliefern können finden extrem wenig Verständnis für ihr Handeln

  10. 33.

    Symptomatisch für regierungsamtliches Realtitätsverständnis: 'Wir verschlechtern deine Standort- bzw. Wettbewerbsbedingungen und dafür musst du künftig noch mehr blechen.' Das fliegt uns nicht nur in der Logistikbranche um die Ohren. Industrie, Wohnungsbau, Gastronomie - alles, was sich nicht von jetzt auf gleich transformieren kann, passt nicht mehr in ein Land, das allen anderen moralisch überlegen ist.

  11. 32.

    "Aber sein Chef Marc Kampmann schickt zehn Laster zur Sternfahrt nach Berlin – in der Hoffnung, dass die Politik die Bedeutung und auch die Nöte des Transportgewerbes wahrnimmt."

    Hier protestieren keine LKW Fahrer, hier protestieren Unternehmer die ihre Umsätze schwinden sehen.

  12. 31.

    Sehe ich genauso. Die zu vielen LKWs sind ein Fehler im Verkehrssystem. Und Fehler sollte man korrigieren.

  13. 30.

    "Man kann den Lkw nicht einfach wegzaubern"
    Doch, nennt sich Bahnverkehr. Wurde über einige Jahrzehnte zurück gebaut. Dadurch wurden die Straßen mit LKW geflutet und logisch das es zu viele sind, um irgendwo parken zu können.

  14. 28.

    Wenn man den Güterverkehr nicht auf die Schiene bekommt braucht man LKW, stimmt. Unsere Verkehrsminister betreiben bei dem Thema ja schon seit ein paar Jahrzehnten Arbeitsverweigerung.

  15. 27.

    Ein recht merkwürdige Kalkulation, die Sie aufmachen: Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Fahrten beim Flex-Ticket, was sofort und ohne Vorbuchung angetreten werden kann und wofür auch angemessen bezahlt wird, zwischen Fahrten mit Vorbuchung und Fahrten in Regionalzügen, bei denen genommen werden muss, was gerade fährt. Da ist keine Zauberei dabei, sondern in diesem Sinne schon ein nachvollziehbares kalkulatorisches Denken.

    Wo die Politik einer zu kurzfristig gedachten Betriebswirtschaft auf die Sprünge helfen muss: Kosteneinsparung bei eingetretendem Verschleiß kommt langfristig teurer zu stehen, als einen Gegenstand physikalisch stabil zu halten. Da hat "die Politik" dem bloßen Hinterher-Reparieren seit Mehdorn einen Freibrief ausgestellt.

  16. 26.

    "Der Unterschied wäre marginal. Immer mehr Reisezüge und Taktverdichtungen rauben die Kapazitäten zunehmend."

    Der Ansatzpunkt liegt keineswegs in der astronomischen Erhöhung der Transporte, sondern in der Vermeidung von Verkehren. Für die unabdingbaren Verkehre reicht die Infrastruktur vollkommen aus, für die gigantische Warenverschiebung bei Abwälzung der Kosten auf andere - bei grassierender Kostenunehrlichkeit - keineswegs.

  17. 25.

    Ok, sie fahren also mit Ihrem Auto über die auch von Ihnen bezahlten Straßen, machen diese dadurch aber auch nicht besser und transportieren ... sich. Toll.
    Derjenige, der das Haus gebaut hat in dem sie wohnen, brauchte z.B. Kies und Beton und Rohre und und und. Der Bäcker, bei dem sie ihre Brötchen holen braucht Zutaten. Der Lebensmittelladen braucht sein Zeug und die Werkstatt, die (nicht nur) ihr Auto repariert, braucht auch Material. Um nicht wieder das abgedroschene Lastenrad zu bemühen ... selbst der Kofferraum eines großen Pkw reicht dafür nicht und bei der Anlieferung von Baumaterial auf der Baustelle ist selbst ein Sprinter eher nicht das Mittel der Wahl.
    Aber klar - "superschwere" LKw sind völlig unnötig. Die haben eine Nutzlast von rd. 30 Tonnen, ein Pkw rd. 500 Kg.
    Macht also etwa 60 Fahrten mit einem Pkw für "die volle Rutsche". Ja, das macht Sinn.

  18. 24.

    Kalkulation liegt wohl an zu wenig Geld. Sind SIE bereit satt 49 Euro Ticket ein 300 Euro Ticket zu abonieren? Sie denken die Steuergelder werden es richten, die wir ja alle auch aus unserer Tasche bezahlen. Auch die, die nicht fahren, damit SIE es schön billig haben. Überall sollen es Steuergelder richten und am besten von den anderen genommen. Wir arbeiten über ein halbes jahr nur für den Staat, damit er alles mögliche subventionieren kann. Wie wäre es, wenn er weniger nimmt und die Bürger aus ihrer Tasche selber entscheiden wofür sie es ausgeben. Da muss man sich entscheiden iPhone oder Monatskarte. Hoffnungslos überteuerte Markenklamotten oder C&A. usw.

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