Klinik für psychiatrisch auffällige Straftäter - Ärztekammer warnt vor "Kollaps" des Berliner Maßregelvollzugs

Do 01.02.24 | 08:54 Uhr
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Archivbild: Blick auf eines der Gebäude vom Krankenhaus-Maßregelvollzug für als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank eingestufte Straftäter auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. (Quelle: dpa/Carstensen)
Audio: rbb24 Inforadio | 01.02.2024 | Ricardo Westphal | Bild: dpa/Carstensen

Überbelegt, unterbesetzt, unterfinanziert und veraltet: Die Situation im Berliner Maßregelvollzug, in dem psychiatrisch auffällige Straftäter untergebracht sind, wird von der Ärztekammer als explosiv eingeschätzt.

  • Berliner Ärztekammer kritisiert "menschenunwürdige Situation" im Maßregelvollzug
  • Personalknappheit bei gleichzeitiger Überbelegung in veralteten Räumlichkeiten
  • Straftäter mussten aufgrund von Platzmangels bereits freigelassen werden

Die Situation im Berliner Maßregelvollzug, in dem psychiatrisch auffällige Straftäter untergebracht werden, ist aus Sicht der Berliner Ärztekammer nicht mehr tragbar. "Man kann es nicht anders sagen: Es ist der Kollaps eines ganzen Krankenhauses. Und eines Krankenhauses, das verdammt wichtig ist für unsere Stadt und für die Sicherheit aller", sagte Kammerpräsident Peter Bobbert der Nachrichtenagentur DPA.

Überbelegung, zu wenig Personal und Jahrzehnte alte Räumlichkeiten führten im Maßregelvollzug zu einer "menschenunwürdigen Situation". Bobbert sagte: "Jedes andere Krankenhaus wäre in so einer Situation schon längst geschlossen worden." Das Ziel, Menschen so zu therapieren, dass sie nach ihrer Freilassung keine Gefahr mehr darstellten, sei in dem Umfeld nicht mehr erreichbar.

In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht sie als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank einstuft. Sie verbringen dort teils mehrere Jahre. Schon im Januar 2023 hatte die Ärztekammer von erschreckenden und nicht länger hinnehmbaren Zuständen gesprochen. Es gab auch Fälle, in denen Straftäter wegen Platzmangels auf freien Fuß kamen.

Gefahrenanzeige und Brandbrief

Vor gut einer Woche verschickten mehrere Abteilungsleiter des Maßregelvollzugs eine Gefahrenanzeige unter anderem an die Krankenhausleitung, in der sie festhielten, unter gegenwärtigen Bedingungen nicht mehr die Verantwortung übernehmen zu können.

In dem Schreiben, über das am Mittwoch der "Tagesspiegel" berichtete und das der DPA vorliegt, heißt es: Es sei zunehmend "unmöglich" geworden, die erforderliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Aufnahmekapazitäten seien erschöpft. Die Gefahrenlage verschärfe sich von Woche zu Woche, die Sicherheit von Personal wie Patienten sei erheblich in Gefahr.

Laut "Tagesspiegel" ging zudem ein Brandbrief des Personalrates an Regierungschef Kai Wegner (CDU). Der Vorsitzender der Berliner Ärztekammer dringt auf Sofortmaßnahmen: "Der Regierende Bürgermeister muss das Thema zur Chefsache machen. Er muss entscheiden und handeln." In den vergangenen Jahren seien immer wieder Ankündigungen gemacht worden. "Was jetzt zählt, sind schnelle Handlungen. Heute. Und nicht erst morgen."

Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten, reichten Worte der Wertschätzung nicht mehr aus: "Man muss jetzt auch finanzielle Anreize schaffen, sonst ist das Aufrechterhalten der Arbeit dort gar nicht mehr möglich." Außerdem würden neue Räumlichkeiten und die Personalstruktur dazu gebraucht.

Unterbesetzt, unterfinanziert, überbelegt

Die Senatsgesundheitsverwaltung teilte mit, dass zum Jahresende 2023 von 610 Stellen 514 besetzt gewesen seien. Derzeit würden 626 Patienten versorgt, bei 549 Planbetten. Die "Sachverhalte" seien bekannt und man arbeite intensiv an Lösungen. Der neue Senat setze einen Masterplan des Vorgängersenats weiter um.

Vorgesehen seien insbesondere eine Sanierung und Erweiterung des Standorts. Die Mittel für den Maßregelvollzug steigen laut der Behörde von 67,7 Millionen Euro 2023 auf 83,3 Millionen Euro 2024 und auf 89,2 Millionen Euro im Jahr 2025. Auch um Personalgewinnung sei man "hochgradig bemüht". Man brauche jetzt akut Hilfe und nicht erst 2030 oder 2040, sagte hingegen einer der Personalräte bereits vor einigen Tagen in der rbb24 Abendschau.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.02.2024, 7:00 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    Es ist wie so oft ein Versäumnis in zurück liegenden Jahren und damit meine ich einen Großteil der Personen, die dort untergebracht und therapiert werden sollen. Die Gründe dafür kommen ja nicht über Nacht. Es fehlen Angebote für Kinder und Jugendliche, die auffällig werden aus welchen Gründen auch immer. Im Schulalltag kann das kaum aufgefangen werden. Was dann folgt, ist nicht selten ein Verschieben der Probleme, bis nichts mehr greift, als die Justiz und Jugendstrafanstalten oder die Kinder und Jugend Psychiatrie. Wenn sie dann wieder entlassen werden, braucht es ebenfalls gute Unterstützung. Wenn das fehlt, wird der Kreislauf nicht durchbrochen.

  2. 8.

    Deutschland hat sich abgeschafft.
    Es ist unfassbar was es hier inzwischen gibt bzw nicht gibt. Mir fehlen die Worte. Und wenn so ein freigelassener Straftäter jemanden verletzt oder sogar tötet dann schreien alle wieder und schieben sich den schwarzen Peter zu (ich hoffe das man das noch sagen darf !?!?) denn mittlerweile muss ich ja mehr auf meine Worte achten als das in diesem Land für Ordnung gesorgt wird.

  3. 7.

    Frage sind die dort einsitzenden wirklich alle die dort berechtigt untergebracht worden sind oder sind dort viele einsitzend die sich erhoffen schneller aus der Psychiatrie "" geheilt"" entlassen zu werden als ihre eigentlich Haftstrafe ist?? Es sind die Fehler der Justiz wenn sie all zu oft Gutachten zulassen die Fragwürdig sind für die Staatsanwaltschaft bzw. Verurteilten. und auch eine Maßregelvollzug ist Gewinnoptimiert zu Verwalten. Schöne Grüße an den Professor Psychiatrie Erkner, das ist ein solcher Spezi der von seinem Ziehvater in Bremen nichts dazu gelernt hat.

  4. 6.

    Ein Neubau in Reinickendorf oder wenn dort kein Platz ist beim ehemaligen Flughafen Tegel. Die Gegend muss doch wegen der Autobahn sowieso umgeplant werden. Da ist doch bestimmt Platz für ein großes Gebäude. Schafft auch Arbeitsplätze in der Ecke.

  5. 5.

    zuerst Erinnere ich mal an das Limit " Unterversorgungsgesetz des Bundes" und dessen Bedeutung zweitens sind sie selber daran schuld die Profitgier der Krankenhaus Manager( Aktionäre) eine Krankenhaus als AG / GmbH die Profit erwirtschaften soll, jetzt die Große denke.??

  6. 4.

    Wenn man so liest was in Berlin läuft bzw. nicht läuft, könnte man meinen, Berlin hat "fertig". Ganz schön traurig

  7. 3.

    Wieso Gänsefüßchen? "Kollaps"

  8. 2.

    Warum sollte es da gut laufen? Es hängt halt alles zusammen.

  9. 1.

    Ich warne vor dem Kollaps überhaupt in allen Kliniken. Ich arbeite seit einem Jahr am Limit.

    Viele haben es sich bequem gemacht in den letzten Jahren, während andere jahrelang die Arbeit für Sie gemacht haben.

    Und ich meine hier nicht Migranten oder irgendwelche prekär Beschäftigten, sondern die faule Beamten/Angestellten-Mittelschicht.

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