Anhaltende Debatte - Politische Botschaften im Sport: verpönt bis verboten?
Die politische Positionierung von Vereinen, Sportlern und Verbänden löst immer wieder Debatten aus. Einige fordern die strikte Trennung von Sport und Politik. Doch geht das überhaupt und welche Regeln gibt es bereits? Von Lukas Witte
"Dartista, Dartista, Antifascista!" – Mit diesem Slogan hatte im Frühjahr der Antifaschistische Dartverein Zebras Berlin für Wirbel in der Dartszene der Hauptstadt gesorgt. Um seiner Haltung als weltoffener und inklusiver Sportverein Ausdruck zu verleihen, liefen die Spieler mit einem Aufdruck des Slogans auf ihren Trikots auf. Gegnerische Teams beschwerten sich und auch der Dartverband Berlin (DVB) wähnte die politische Neutralität in Gefahr und drohte dem Verein sogar mit einem Ausschluss.
Ähnlich erging es den Fußballern von Tennis Borussia [deutschlandfunkkultur.de], die 2021 einen Fonds der Amadeu-Antonio-Stiftung, der Opfer rechtsextremer Gewalt unterstützt, statt eines Trikotsponsors auf der Brust tragen wollten. Der Nordostdeutsche-Fußballverband (NOFV) erlaubte jedoch keine politische Positionierung auf der Spielkleidung und grätschte dazwischen.
Mittlerweile sind die Wogen in beiden Fällen geglättet. Und doch zeigen sie, dass die Debatte um politische Botschaften im Sport sich längst nicht nur auf Weltmeisterschaften oder Olympische Spiel beschränkt. Egal ob bei den Zebras und TeBe oder bei der großen Fußball-Nationalmannschaft in Katar – Auslöser der Diskussionen ist immer wieder die Forderung, Sport und Politik sollten strikt voneinander getrennt werden.
Sport und Politik - passt das zusammen?
Für Nina Reip ist das eine blauäugige Vorstellung. "Parteipolitisch muss der gemeinnützige Sport natürlich neutral sein. Aber gesellschaftspolitisch ist der Sport es nicht. Er ist wertebasiert und immer mehr als nur Bewegung. Alle Themen, die in der Gesellschaft vorkommen, kommen auch im Sport vor", sagt sie.
Reip ist Referentin des Netzwerks Sport & Politik für Fairness, Respekt und Menschenwürde bei der Deutschen Sportjugend. Zuletzt habe sie die Entwicklung beobachtet, dass viele Vereine und Verbände einen Prozess zur Klärung ihrer Haltung durchlaufen hätten und es großen Bedarf gebe, sich klar zu positionieren und dies auch geschehe. Dass genau das im Sport aber bei Vielen noch verpönt ist, hat ihrer Meinung nach verschiedene Gründe.
"Es gibt seit vielen Jahren Akteure in Deutschland, die versuchen, mit einem vermeintlichen Neutralitätsgebot Menschen zu verunsichern. Und das nicht nur im Sport", sagt Reip. Zudem hätten manche auch den Wunsch, einfach nur Sport zu treiben, ohne größere und auch anstrengende politische Debatten führen zu müssen. "Das kann ich auch durchaus nachvollziehen, meistens funktioniert es aber nicht. Was die Menschen in Sportvereinen umtreibt, wird früher oder später auch als Thema aufkommen."
Nicht alles ist erlaubt, nicht alles darf verboten werden
Hinzu kommt die Unsicherheit darüber, welche politischen Botschaften im Sport überhaupt erlaubt sind. In Deutschland wird diese Frage meist durch die Satzungen und Spielordnungen von Verbänden geregelt. "Es gibt sportartübergreifend im Verbandsrecht relativ viele ähnlich lautende Vorgaben. Dabei geht es insbesondere um die Kundgabe politischer Botschaften auf dem Spielfeld, zum Beispiel auf den Trikots. Das ist in fast allen Sportarten weitestgehend untersagt", erklärt Alexander Scheuch. Er ist Jurist an der Universität Bonn und war als Justiziar beim Fußball-Zweitligisten 1. FC Köln tätig.
In den Bereichen, in denen Botschaften möglich sind, müsse man dann zwischen tages- und parteipolitischen Forderungen und ganz allgemeinen politischen Äußerungen unterscheiden, sagt Scheuch. Erstere seien für Vereine schwierig – nicht zuletzt, weil diese leicht in Konflikt mit dem Gemeinnützigkeitsrecht geraten können, dem die allermeisten Klubs unterliegen.
"Allgemeine politische Botschaften, die oft auch schon in der Satzung des Verbands oder Vereins verankert sind, dürfen aber natürlich aufgegriffen oder wiederholt werden", erklärt der Jurist. "Wenn in der Satzung des jeweiligen Verbandes zum Beispiel steht, dass man gegen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung ist, dann kann ich nicht wegen einer angeblich unzulässigen politischen Äußerung jemanden bestrafen, der das auf dem Spielfeld zum Beispiel mit einer One-Love-Binde nach außen trägt."
Überhaupt sei alles, was sich auf dem Spektrum demokratie- und rechtsstaatsfreundlicher Äußerungen bewegt, nur schwierig zu untersagen, sagt Scheuch. "Wenn ich in Deutschland für unser gemeinsames Wertefundament, die freiheitlich-demokratische Grundordnung werbe, dann verhalte ich mich nicht unzulässig, sondern komme meiner Verantwortung als Staatsbürger nach."
Gesellschaftliche Positionierung löst Konflikte aus
Die von den Vereinen und Verbänden geschaffenen Regeln und Satzungen müssten dies also berücksichtigen und dürften auch nicht in Konflikt mit der Meinungsfreiheit von Sportlerinnen und Sportlern stehen. "Das muss alles in angemessener Balance stehen und ist im Zweifelsfall außerhalb des Verbandsrechtsweges durch neutrale Instanzen überprüfbar", erklärt Scheuch.
Seine Erfahrung sei jedoch, dass Verbänden und Vereinen häufig gar nicht so sehr die rechtliche Dimension Sorgen mache, sondern vor allem die Wahrnehmung in der eigenen Anhängerschaft. So hätte er zum Beispiel beim 1. FC Köln erlebt, dass der Verein neben Zuspruch auch viele Anfeindungen bekommen habe, weil er mit einem Wagen am Christopher Street Day in der Rheinmetropole teilgenommen hatte.
Für Vereine kann die gesellschaftspolitische Positionierung gefühlt also schnell zum Minenfeld werden, auf dem sie sich nur sehr behutsam fortbewegen können. Nina Reip motiviert trotzdem dazu, die Konflikte nicht zu scheuen. "Das ist gar nicht schlimm, sondern es sind eben die Konflikte, die auch in der Gesellschaft ganz allgemein bestehen. Es sind Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen. Das gehört zu Demokratie und demokratischem Sport mit dazu. Zudem bieten viele Verbände Unterstützung an, diese Konflikte gut besprechbar zu machen", sagt sie.
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