Auftritt in "Ein Kessel Buntes" vor 50 Jahren - "ABBA-Platten waren, wie wir in der DDR immer so schön sagten, Bückware"
Martina Rehmer aus Pankow ist ABBA-Fan der ersten Stunde, könnte man sagen. Doch den Auftritt ihrer Lieblingsband in "Ein Kessel Buntes" 1974 hätte sie fast verpasst. Dabei träumt sie bis heute davon, mit einem Berliner Bär im Publikum gewesen zu sein.
rbb|24; Frau Rehmer: Sie sind ABBA-Fan seit vielen Jahren. Schlug ihr Herz eher für Björn oder für Benny?
Martina Rehmer: Mein Favorit ist – bis heute – Benny Andersson.
Wie haben Sie als Pankowerin denn damals zu ABBA gefunden?
Über die "Schlager der Woche", eine Radiosendung im Rias. Da habe ich 1973 spitze Ohren bekommen. Doch damals hieß ABBA noch gar nicht ABBA, sondern "Björn, Benny, Agnetha und Frida". Sie traten in der Wertungssendung mit Moderator "Lord Knut" mit dem Titel "Hasta manana" an. Der ging mir sofort unter die Haut. Der große Knall kam dann aber 1974 mit dem Eurovision Song Contest, der damals noch "Grand Prix Eurovision de la Chanson" hieß.
In der DDR wurden ja nur sehr wenige der sehr vielen ABBA-LPs aufgelegt. Ich gehe mal davon aus, dass Sie die hatten?
Stimmt, ich hatte sie. Es gab die LP "Waterloo". Da war auf dem Cover nicht das Originalbild von ABBA, sondern ein Bild vom Auftritt von ABBA in "Ein Kessel Buntes". Die zweite LP hieß "Dancing Queen" – da fehlte der Titel "Money, Money, Money". Der wurde rausgenommen. Ich glaube, ich muss nicht erläutern, warum.
War es leicht, an diese Platten ranzukommen?
ABBA-Platten waren, wie wir in der DDR immer so schön sagten, Bückware. ABBA zählte ja zu den ausländischen Künstlern. Und die Musik, die von ausländischen Künstlern in der DDR erschien, waren sogenannte Lizenzplatten. Die gab es in geringerer Stückzahl als die von Interpreten der DDR. Es gab die Platten aber offiziell zu kaufen. Doch man musste Glück haben, dass man dazu kam, wenn sie gerade rausgestellt wurden.
Es gab aber noch viel mehr ABBA-Alben. Hatten Sie davon auch welche – und wenn ja, über welche Wege?
Ich hatte das Glück, dass ich eine Tante hatte, die in Bayern lebte. Sie bestückte mich. Doch da habe ich auch erlebt, dass ABBA-Platten, die sie mir schickte, nicht ankamen, weil sie der Zoll konfisziert hatte.
Und dann war ABBA leibhaftig zu Gast in der Fernsehsendung "Ein Kessel Buntes" – 1974. Da saßen Sie doch sicherlich gebannt vor dem Fernseher. Oder waren Sie sogar im Publikum?
Im Publikum zu sitzen ist mir leider nicht gelungen. Das war die Zeit, in der ich als Schülerin, ich war damals 15 Jahre alt, sonnabends noch zur Schule ging. Eine Klassenkameradin sagte mir, dass ABBA am selben Abend im "Kessel Buntes" sein würden. Das habe ich damit zu spät erfahren, um im Publikum zu sein. Aber ich habe natürlich gebannt und mit Freude vor dem Fernseher gesessen.
Wenn Ihre Freundin nicht davon erzählt hätte, hätten Sie den Auftritt komplett verpasst?
Ja! Und soll ich Ihnen mal einen Traum von mir verraten? Wenn ich es geschafft hätte, wäre es mein Traum gewesen, mit einem riesengroßen Berliner Bären dort hinzugehen – in der Hoffnung, es hätte ihn gegeben damals. Mit dem wäre ich auf die Bühne gegangen und hätte ihn Agnetha überreicht. Denn sie hatte damals ihre kleine Tochter Linda. Davon träume ich bis heute.
War der Auftritt im Fernsehen dann trotzdem schön für Sie?
ABBA im "Kessel Buntes" war ein absolutes Highlight für mich. Das war ein schöner Auftritt. Er unterschied sich auch von dem beim Eurovision Song Contest, denn sie trugen unter anderem andere Sachen.
Haben Sie die Band dann später noch live sehen können?
Nein. Bis 1989 war es mir ja nicht vergönnt.
War der Auftritt von ABBA im DDR-Fernsehen eigentlich eine richtiggehende Sensation? Vergleichbar mit den späteren Bruce-Springsteen-Konzerten oder dem Auftritt von Udo Lindenberg?
In meiner Erinnerung war ABBA zu der Zeit noch nicht so sehr Kult wie später. Ich glaube, es gab nur einen recht kleinen Fan-Kreis. Und wenn ich mich richtig erinnere, war ich auch nicht immer öffentlich ABBA-Liebhaberin. Es gab einen gewissen Dünkel.
Aber heute sind Sie vollkommen frei von Dünkel noch immer ABBA-Fan?
Oh ja. Und alle ABBAs haben ja nach der Trennung der Band auch solo weitergemacht. Benny Andersson wird ja inzwischen in Schweden wie ein kleiner, wenn nicht gar wie ein großer Mozart gefeiert. Und ich höre und sammle auch die Solo-Projekte der ehemaligen Band-Mitglieder.
Wie fanden Sie die Konzerte 2022 in London mit den digitalen Avataren der Bandmitglieder im Look von 1979?
Das war natürlich eine Weltsensation. Ich habe mir die Show aber noch nicht angeschaut und ich habe da auch Skrupel. Ich habe zwar von Bekannten gehört, es sei sensationell. Aber nach dem, was ich dazu im Fernsehen gesehen habe, zieht es mich nicht hin. Ich nehme den Avataren, man hat sie ja auch ABBAtare genannt, ihre Echtheit nicht ab.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Priess.
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