Auftritt in "Ein Kessel Buntes" vor 50 Jahren - "ABBA-Platten waren, wie wir in der DDR immer so schön sagten, Bückware"

Sa 02.11.24 | 08:23 Uhr
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Archivbild: ABBA DDR-Besuch Die schwedische Popgruppe ABBA hinter den Kulissen während ihres DDR-Besuchs, bei dem sie im Friedrichstadtpalast im Rahmen der Show Ein Kessel Buntes Waterloo, So Long, Honey Honey und eine deutschsprachige Version von Waterloo aufführten, Berlin 1974. (Quelle: imago images/Tassilo)
Audio: rbb|24, 31.10.2024 | O-Ton aus dem Interview mit Martina Rehmer | Bild: imago images/Tassilo

Martina Rehmer aus Pankow ist ABBA-Fan der ersten Stunde, könnte man sagen. Doch den Auftritt ihrer Lieblingsband in "Ein Kessel Buntes" 1974 hätte sie fast verpasst. Dabei träumt sie bis heute davon, mit einem Berliner Bär im Publikum gewesen zu sein.

rbb|24; Frau Rehmer: Sie sind ABBA-Fan seit vielen Jahren. Schlug ihr Herz eher für Björn oder für Benny?

Martina Rehmer: Mein Favorit ist – bis heute – Benny Andersson.

Wie haben Sie als Pankowerin denn damals zu ABBA gefunden?

Über die "Schlager der Woche", eine Radiosendung im Rias. Da habe ich 1973 spitze Ohren bekommen. Doch damals hieß ABBA noch gar nicht ABBA, sondern "Björn, Benny, Agnetha und Frida". Sie traten in der Wertungssendung mit Moderator "Lord Knut" mit dem Titel "Hasta manana" an. Der ging mir sofort unter die Haut. Der große Knall kam dann aber 1974 mit dem Eurovision Song Contest, der damals noch "Grand Prix Eurovision de la Chanson" hieß.

In der DDR wurden ja nur sehr wenige der sehr vielen ABBA-LPs aufgelegt. Ich gehe mal davon aus, dass Sie die hatten?

Stimmt, ich hatte sie. Es gab die LP "Waterloo". Da war auf dem Cover nicht das Originalbild von ABBA, sondern ein Bild vom Auftritt von ABBA in "Ein Kessel Buntes". Die zweite LP hieß "Dancing Queen" – da fehlte der Titel "Money, Money, Money". Der wurde rausgenommen. Ich glaube, ich muss nicht erläutern, warum.

Archivbild: Martina Rehmer ABBA-Fan. (Quelle: Jo Diener)Abba-Fan Martina Rehmer (Quelle: Jo Diener)

War es leicht, an diese Platten ranzukommen?

ABBA-Platten waren, wie wir in der DDR immer so schön sagten, Bückware. ABBA zählte ja zu den ausländischen Künstlern. Und die Musik, die von ausländischen Künstlern in der DDR erschien, waren sogenannte Lizenzplatten. Die gab es in geringerer Stückzahl als die von Interpreten der DDR. Es gab die Platten aber offiziell zu kaufen. Doch man musste Glück haben, dass man dazu kam, wenn sie gerade rausgestellt wurden.

Es gab aber noch viel mehr ABBA-Alben. Hatten Sie davon auch welche – und wenn ja, über welche Wege?

Ich hatte das Glück, dass ich eine Tante hatte, die in Bayern lebte. Sie bestückte mich. Doch da habe ich auch erlebt, dass ABBA-Platten, die sie mir schickte, nicht ankamen, weil sie der Zoll konfisziert hatte.

Es gab die Platten offiziell zu kaufen. Doch man musste Glück haben, dass man dazu kam, wenn sie gerade rausgestellt wurden

Martina Rehmer

Und dann war ABBA leibhaftig zu Gast in der Fernsehsendung "Ein Kessel Buntes" – 1974. Da saßen Sie doch sicherlich gebannt vor dem Fernseher. Oder waren Sie sogar im Publikum?

Im Publikum zu sitzen ist mir leider nicht gelungen. Das war die Zeit, in der ich als Schülerin, ich war damals 15 Jahre alt, sonnabends noch zur Schule ging. Eine Klassenkameradin sagte mir, dass ABBA am selben Abend im "Kessel Buntes" sein würden. Das habe ich damit zu spät erfahren, um im Publikum zu sein. Aber ich habe natürlich gebannt und mit Freude vor dem Fernseher gesessen.

Wenn Ihre Freundin nicht davon erzählt hätte, hätten Sie den Auftritt komplett verpasst?

Ja! Und soll ich Ihnen mal einen Traum von mir verraten? Wenn ich es geschafft hätte, wäre es mein Traum gewesen, mit einem riesengroßen Berliner Bären dort hinzugehen – in der Hoffnung, es hätte ihn gegeben damals. Mit dem wäre ich auf die Bühne gegangen und hätte ihn Agnetha überreicht. Denn sie hatte damals ihre kleine Tochter Linda. Davon träume ich bis heute.

War der Auftritt im Fernsehen dann trotzdem schön für Sie?

ABBA im "Kessel Buntes" war ein absolutes Highlight für mich. Das war ein schöner Auftritt. Er unterschied sich auch von dem beim Eurovision Song Contest, denn sie trugen unter anderem andere Sachen.

Haben Sie die Band dann später noch live sehen können?

Nein. Bis 1989 war es mir ja nicht vergönnt.

War der Auftritt von ABBA im DDR-Fernsehen eigentlich eine richtiggehende Sensation? Vergleichbar mit den späteren Bruce-Springsteen-Konzerten oder dem Auftritt von Udo Lindenberg?

In meiner Erinnerung war ABBA zu der Zeit noch nicht so sehr Kult wie später. Ich glaube, es gab nur einen recht kleinen Fan-Kreis. Und wenn ich mich richtig erinnere, war ich auch nicht immer öffentlich ABBA-Liebhaberin. Es gab einen gewissen Dünkel.

Aber heute sind Sie vollkommen frei von Dünkel noch immer ABBA-Fan?

Oh ja. Und alle ABBAs haben ja nach der Trennung der Band auch solo weitergemacht. Benny Andersson wird ja inzwischen in Schweden wie ein kleiner, wenn nicht gar wie ein großer Mozart gefeiert. Und ich höre und sammle auch die Solo-Projekte der ehemaligen Band-Mitglieder.

Wie fanden Sie die Konzerte 2022 in London mit den digitalen Avataren der Bandmitglieder im Look von 1979?

Das war natürlich eine Weltsensation. Ich habe mir die Show aber noch nicht angeschaut und ich habe da auch Skrupel. Ich habe zwar von Bekannten gehört, es sei sensationell. Aber nach dem, was ich dazu im Fernsehen gesehen habe, zieht es mich nicht hin. Ich nehme den Avataren, man hat sie ja auch ABBAtare genannt, ihre Echtheit nicht ab.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Priess.

Sendung:

19 Kommentare

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  1. 19.

    Ein Sommerloch-Interview. Im Herbst!

  2. 18.

    Mir ist noch immer nicht klar, worin genau Ihre Kritik besteht. Dass ABBA Songs auch von jedem "auf der Straße" angestimmt werden kann und auch Kirchenchöre o. ä. imstande sind, ihre Songs zu interpretieren, zeugt doch davon, dass diese Melodien universell sind. Damit wird das zugrundeliegende Songwriting, das eben weitaus komplexer als das reine Absingen der Melodiefolgen ausfällt, doch nicht berührt bzw. entkleidet.

  3. 16.

    Zitat: "Aber bitte unterstellen Sie mir nicht, ich wäre ein oberflächlicher Betrachter von Musik."

    Ich kann nur davon ausgehen, was Sie hier geschrieben haben und damit stimme ich eben nicht überein. Das "oberflächlicher Betrachter" habe ich immerhin in Anführungsstrichelchen gesetzt und daher auch nicht explizit auf Sie gemünzt. Und wie Frank S. zutreffend schrieb, sind ABBA Songs kaum vernünftig zu covern, da sie eben keine Dutzend-Popware sind.

    Die sehr renommierte Brit-Pop-Band Placebo z.B. wollte für ihr "Covers" Album auch einen ABBA Song aufnehmen, musste aber erkennen, dass dies zu keinem annehmbaren Ergebnis führen würde. Stattdessen haben sie "Daddy Cool" von Boney M. gecovert. ;)

  4. 15.

    „ Wer ABBA für simpel hält möge gern mal versuchen, ihre Songs nachzusingen und vielleicht gar noch zu begleiten: Möglich, aber meist verdammt anspruchsvoll.“

    Genau das haben wir im Chor gemacht, natürlich mit Begleitung.
    So anspruchsvoll war das nun wirklich nicht.
    Wobei ich gestehen muss, es handelte sich um einen Kammerchor, der hin und wieder auch Pop-Titel interpretierte.
    Also kein Feld-Wald-und-Wiesenchor.
    Ich erinnere mich jedoch, dass wir keine Noten brauchten, nur den Text.
    Weil: enorm eingängig und eben einfach konstruiert.

  5. 14.

    Gut gesagt. Wer ABBA für simpel hält möge gern mal versuchen, ihre Songs nachzusingen und vielleicht gar noch zu begleiten: Möglich, aber meist verdammt anspruchsvoll. Insbesondere die beiden letzten Alben vor der Trennung Anfang der 80er, also #7 und #8, sind Pop-Meisterstücke. Wurden die eigentlich durch Amiga rausgebracht? - Allerdings ist mir die Intention des Artikels nicht ganz klar. Er ist ein kleiner Happen netter, nostalgischer Unterhaltung. Dass er null Bezug zur Gegenwart hat, finde ich auch mal angenehm. Aber soll da vielleicht auch die (mangelnde) Verfügbarkeit westlicher Popmusik in der DDR dargestellt werden. Dann sind ABBA-Platten in der Hauptstadt allerdings vielleicht nicht das deutlichste Beispiel. Na ja, und als West-Berliner Kind konnte ich mir von meinem Taschengeld vielleicht noch ne 7'' Single für 5 bis 6 DM leisten. Aber LPs mit deutlich über 20 DM gab es nur zum Geburtstag oder zu Weihnachten.

  6. 13.

    Ich will keinen Glaubensstreit provozieren.
    Musik ist und bleibt Geschmackssache und die Wertung liegt im Auge des Betrachters.

    Sie meinen, ABBA-Musik ist vielschichtig, am Klassischen orientiert.
    Und ich nehme diese Musik als simpel und extrem massenkompatibel, kommerzorientiert wahr.
    Und die klassischen Elemente, wo auch immer man die erkennen mag, dienen genau der Massenkompatibilität.

    Aber bitte unterstellen Sie mir nicht, ich wäre ein oberflächlicher Betrachter von Musik. Das Gegenteil ist der Fall.
    Ich rede die ABBAs auch nicht schlecht, nur berührt mich deren Musik so gar nicht. Weil ich eben eher komplexere Musik mag.



  7. 12.

    Edit: Der ABBA-Auftritt beim "Kessel" fand selbstverständlich am 02.11.74 statt.

  8. 11.

    Meine Güte, ABBA ist am 02.04.74, also gestern vor genau 50 Jahren, bei "Ein Kessel Buntes" aufgetreten und dazu hat rbb24 einen lesenswerten Beitrag bzw. ein Interview mit einer Zeitzeugin eingestellt. Dieses "Haben wir denn denn keinen anderen Probleme?" Gequatsche, zu egal welchem 'ausserpolitischen' Thema, kann einem echt auf den Senkel gehen gehen, Herr/ Frau BABA.

  9. 10.

    Ich stimme Ihnen zu, es gibt heute wohl doch wichtigeres. Und Musik, ja ist wohl Geschmackssache. Ich frage mich nur, warum dem RBB das Thema ABBA so wichtig erscheint um einen Artikel nach Ihrem Streik dazu abzulassen. Keine anderen Themen, die wirklich wichtig sind ?

  10. 9.

    Zitat: "Ich konnte mit ABBA nie etwas anfangen. Mir war das zu simpel gestrickt, zu vorhersehbar. Musik ohne Überraschungen."

    Na das eben nicht, Karimbel. Für den 'oberflächlichen' Betrachter bzw. Hörer mögen ABBA Kompositionen simpel erscheinen, da sie eben sehr eingängig sind. Wenn man aber mal etwas tiefer geht, fällt auf, dass vieles nach klassischem Muster alter Meister komponiert und mit einer prägnanten persönlichen Note versehen wurde. Das 'Geheimnis' besteht eben darin, szn. Überschüssiges wegzulassen und das Wesentliche herauszuarbeiten, wie es bspw. auch W.A. Mozart praktiziert hat. ;)

  11. 8.

    Musik ist eben Geschmackssache,

    Ich konnte mit ABBA nie etwas anfangen. Mir war das zu simpel gestrickt, zu vorhersehbar. Musik ohne Überraschungen.
    Im Oeuvre der Band wiederholt sich vieles. Und alles war viel zu viel auf Kommerz bedacht, den Mainstream bedienend. Von der Musik beginnend bis zur Bühnenshow.
    Trivial auf hohem Niveau, nur ein scheinbarer Widerspruch.

    Das hat alles seine Berechtigung. Aber war eben nie mein Ding

  12. 7.

    Ich Liebe Abba heute noch . Meine ersten Kasetten von Abba liefen , bis Sie durch waren .
    Ich Liebe alles an dieser Zeit .

  13. 6.

    Interessant, dass ABBAs viertes Album 'Arrival' von Amiga unter dem Titel 'Dancing Queen' ohne 'Money, Money, Money' veröffentlicht wurde. Ist ja ein durchaus Kapitalismus-kritischer Song. Ob die Öffentlichkeit allerdings heute einen Song dulden würde, in dem eine Frau träumt, sich in die finanzielle Abhängigkeit von einem Gatten zu begeben? - Der 12-minütige Auftritt "der Abbas", wie sie angekündigt wurden, ist übrigens sogar auf youtube zu finden. Z.B. einfach nach "kessel abba" suchen.

  14. 5.

    Phänomen kann man auch zur Band Queen sagen, die weltweit in den 70ern und sogar 80ern erfolgreich waren. Zudem haben Queen in den Liedern "Bohemian Rapsody" (1975) und Innuendo (1990) pro Lied über 5 Musikstile reingepackt. Queen waren vielseitiger als Abba was ihre zeitlosen Songs betrifft: Rock, Hardrock, Pop, Funk, Disco, Oper,... Für jeden Geschmack was dabei. Queen waren viel mehr on Tour und haben deutlich mehr Geld und Aufwand in Musikvideos investiert.
    Abbas Musik ist schön, aber manchmal hätten sie eine Schippe drauflegen können: Touren, Promotion, Videos, mehr backstage/aftershow Fotos, mehr gefilmte/aufgenommene Konzerte, unveröffentlichte Lieder veröffentlichen.... Irgendwie stehen Abba immer mit einem Bein leider auf der Bremse.

  15. 4.

    Sie wissen schon, dass ein Mangel an Serotonin u. a. zu zwanghaftem Verhalten führt, das sich auch in negativ konnotierten und depressiven Kommentaren zu grundsätzlich positiv und lebensbejahend zu bewertenden Themen äussern kann, Herr/Frau "Sero Tonin"? Dagegen kann man aber was tun, wenn man denn will.

    Aber mal zum Thema: ABBA war eine tolle Band, die m. E. Popmusik in Perfektion verkörpert hat. Ihre Songs waren sehr eingängig, dabei aber selten trivial und kompositorisch sowie produktions-technisch und natürlich interpretatorisch auf einem sehr hohen Level angesiedelt. Ich würde meinen, dass ABBA neben/nach den Beatles die beste Popband aller Zeiten ist. :)

  16. 3.

    Naja, mal wat anderet. Angenehm zu lesen und in der Erinnerung. Zumindest so ganz schlicht betrachtet. Hi Dancing Queens! Mein Lieblingstitel.

  17. 2.

    Na das ist doch mal ein richtiges, zeitgemäßes Thema, dass uns allen auf den Nägeln brennt. Prima, danke!

  18. 1.

    ABBA - für mich gibt es nichts Vergleichbares und die Band ist einfach nur ein Phänomen. Immer wieder unglaublich was für tolle, einzigartige Musik Björn und Benny komponiert und getextet haben sowie der unvergleichliche Gesang von Agnetha und Annafried. Als 1974 Waterloo den ESC gewann war ich 12 Jahre alt ,und hatte vorher im Fernsehen mit diesem Auftritt der Band nichts Vergleichbares gesehen. Es war alles sooo schön anzusehen und zu hören ! ABBA forever !!!

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