Entwurf der Bildungsverwaltung - Berliner Schüler sollen ab Notenschnitt schlechter als 2,3 Eignung fürs Gymnasium nachweisen

Fr 01.03.24 | 13:57 Uhr
  66
Symbolbild: Ein Lehrer unterrichtet in einem Klassenzimmer. (Quelle: dpa/Marijan Murat)
Audio: rbb24 Inforadio | 29.02.2024 | Kirsten Buchmann | Bild: dpa/Marijan Murat

Der Zugang zu den Gymnasien in Berlin soll stärker reglementiert werden. Nach Vorschlag der Bildungsverwaltung sollen Kinder, deren Noten in bestimmten Fächern unter einem bestimmten Schnitt liegen, erst Probestunden absolvieren müssen.

  • Berliner Senat will höhere Hürden für Zugang zu Gymnasien schaffen
  • betreffen soll es Schüler, die die Grundschule in Deutsch, Mathe und erster Fremdsprache mit einem Notenschnitt von höher als 2,3 verlassen
  • sie sollen sich bei einem Schulwechsel zuerst in Probeunterricht beweisen
  • Übergangsregelung für aktuelle Fünftklässler

Bei einer Durchschnittsnote, die schlechter ist als 2,3, sollen Berliner Schülerinnen und Schüler künftig ihre Eignung für den Übergang in die siebte Klasse am Gymnasium nachweisen müssen. Diese Durchschnittsnote soll sich außerdem künftig ausschließlich aus den Noten in Deutsch, Mathe und der ersten Fremdsprache zusammensetzen. Damit würde der Zugang zum Gymnasium strenger geregelt. Das geht aus einem Referentenentwurf der Bildungsverwaltung hervor, der dem rbb vorliegt.

Grundlage für die Aufnahme am Gymnasium soll demnach die sogenannte Förderprognose sein. Darin einfließen sollen die Noten in Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache im zweiten Halbjahr der fünften und im ersten Halbjahr der sechsten Klasse.

Sechs Noten insgesamt sollen künftig also darüber entscheiden, ob der Zugang zum Gymnasium ohne weiteres möglich ist. Die Summe dieser sechs Noten darf maximal 14 betragen. Damit ist ab einem Notendurchschnitt von schlechter als 2,333 für Schülerinnen und Schüler, die ans Gymnasium wollen, die erfolgreiche Teilnahme an einem Probeunterricht des Gymnasiums nachzuweisen.

Alle, die es ans Gymnasium geschafft haben, müssten nach dem Referentenentwurf nicht mehr befürchten, in der 7. Klasse wieder aussortiert zu werden: Das Probejahr am Gymnasium in Klasse 7 soll abgeschafft werden.

Übergangsregelung für aktuelle Fünftklässler

Für Kinder, die aktuell die fünfte Klasse einer Grundschule besuchen, gilt eine Übergangsregelung. Bei diesen Kindern, die ans Gymnasium wollen, wird der Notendurchschnitt noch so berechnet, wie es bisher der Fall war.

Relevant sind das Abschlusszeugnis der 5. Klasse und das Halbjahreszeugnis der 6. Alle Noten fließen in die Berechnung ein, wobei außer Kunst, Musik und Sport alle Fächer doppelt gewichtet werden. Der Notenschnitt, der sich daraus ergibt, darf – anders als bislang – nicht schlechter als 2,2 sein. Diese Regelung gilt aber ausschließlich für Kinder, die aktuell die 5. Klasse besuchen. Sie gilt also übergangsweise und damit nur ein Jahr.

11. Pflichtschuljahr geplant

Die schwarz-rote Koalition will in Berlin zudem das elfte Pflichtschuljahr einführen für Jugendliche, die nicht in Ausbildung oder einem berufsvorbereitenden Lehrgang sind. Rund 3.000 Jugendliche pro Jahr in Berlin verlassen momentan die Schule ohne anschließende Perspektive.

Bereits in ihrem Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD unter anderem Ziele wie das elfte Pflichtschuljahr verabredet. Mit dem neuen Referentenentwurf werden dazu Details beschrieben. Einen früheren Entwurf hatte es bereits im vergangenen November gegeben, den die SPD allerdings in rund einem Dutzend Punkten kritisierte. So sah der frühere Entwurf zwar vor, die Dauer der Probezeit am Gymnasium nicht mehr auf ein Jahr festzulegen, Details sollte allerdings eine Verordnung regeln.

Die SPD dagegen pochte darauf, die Probezeit komplett abzuschaffen, so wie es der Koalitionsvertrag vorsehe. In diesem Punkt setzte sie sich - laut dem vorliegenden Referentenentwurf - durch, während strengere Aufnahmekriterien für das Gymnasium seit langem die CDU gefordert hatte.

Landeselternausschuss übt Kritik

Bei Eltern löse der Vorstoß der Bildungsverwaltung Ängste aus, sagte der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise, dem rbb am Freitag. Das Elternwahlrecht erfahre dadurch eine starke Veränderung, Schule werde noch leistungsbezogener.

Wenn die Neuregelung so in Kraft tritt, wie der Referentenentwurf das vorschlägt, befürchtet Heise außerdem, dass dann noch mehr gute Schülerinnen und Schüler an beliebten Integrierten Sekundarschulen leistungsschwächere Schüler verdrängen. Die würden sich dann noch stärker in einzelnen Schulen sammeln, erwartet Heise.

MSA-Prüfungen an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen abschaffen

Neuerungen sind laut dem Entwurf auch für Vorschulkinder geplant, die noch keine Kita besuchen. Sie sollen, wenn sie Sprachförderbedarf haben, statt fünf künftig sieben Stunden am Tag eine Kita besuchen, fünf Tage in der Woche.

Ziel ist, die Schulgesetzänderungen bis zum Sommer im Berliner Abgeordnetenhaus zu verabschieden.

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sagte, um "transparent zu sein und Vorbehalte und Ängste abzubauen", wolle sie die Schulgesetznovelle öffentlich vorstellen, "bis Juni in allen zwölf Bezirkselternausschüssen".

Im parlamentarischen Verfahren will die SPD-Fraktion noch Änderungen bewirken. So will sie darauf drängen, die MSA-Prüfungen für Schnelllerner an Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen abzuschaffen. Damit solle zwischen diesen beiden Schularten und den Gymnasien "das Gleichgewicht wieder hergestellt werden", sagt die SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasic dem rbb. An Gymnasien sind die MSA-Prüfungen bereits abgeschafft worden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.02.2024, 19 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 02.03.2024 um 08:40 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

66 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 66.

    Also Deutsch und Englisch ist verständlich,aber Mathe???
    Im Berufsleben braucht man kein Mathe ausser Addition und Multiplikation. So ein Blödsinn das Mathe ins Gewicht fallen soll.
    Ansonsten halte ich den Notendurchschnitt von 2,3 zu niedrig. Es sollte schon ein Notendurchschnitt von mindestens 2,0 sein,um aufs Gymnasium gehen zu können.

  2. 65.

    Stimmt, aber 1970 hatte ich Abi und Facharbeiterbrief bereits längst in der Tasche. Das Schulmodell, das ich durchlief, hatte sich der Arbeiter-und-Bauern-Staat ausgedacht, um auch spätere Akademiker „mit Arbeit vertraut zu machen“. Es standen nur wenige Berufe zur Auswahl und nur wenige haben später in diesen Berufen gearbeitet. Ich auch nicht. Aber ich hatte immer Vorteile dadurch, dass ich bereits in so jungen Jahren (ab 14 J.) einen Beruf erlernt habe. Ich wünschte, junge Leute hätten heute die gleichen Möglichkeiten, die ich hatte. Denn obwohl seinerzeit als Zwangsmaßnahme geplant, hatte ich und sicher auch viele andere im späteren Leben einen Nutzen davon.

  3. 64.

    Es gab noch mehr Varianten: Ab 1970 EOS nur noch 11./12. Schuljahr OHNE Berufsausbildung, weil anschließend Studium. Und für Abiturienten ohne Studienabsicht eine einjährige Facharbeiterausbildung!

  4. 63.

    Ja, aber nicht zu meiner Zeit in den 1960er Jahren. Da ging man wie ich entweder vier Jahre auf die EOS und erlernte einen Beruf oder aber man machte nach der 10. Klasse POS wie mein Bruder eine dreijährige Berufsausbildung mit Abitur. Das wurde später teilweise aufgegeben, aber im genannten Zeitraum gab es nur diese Möglichkeit.

  5. 62.

    Sie haben offenbar das Wort „meinerzeit“ überlesen. Und gab zwei Formen: man ging entweder nach der 8. Klasse bis zur 12. Klasse auf die EOS und erlernte gleichzeitig einen Beruf (das habe ich gemacht und z.B. auch Herr Gysi) oder aber man machte nach der 10. Klasse die dreijährige Berufsausbildung mit Abitur (hat mein Bruder gemacht). Beide Ausbildungsformen fanden in den 1960er Jahren statt und wurden später teilweise aufgegeben.

  6. 61.

    So ein Unsinn ! Wer das verfasst hat. Ist wohl in der Schule kriminell behandelt worden! Jedes Kind ist wert. Geliebt und ausgebildet zu werden. Wie es das will und kann !!!

  7. 60.

    Was ist denn das für ein Quatsch. In der DDR begann das Gymnasium und (damals Erweiterte Oberschule ) nach der 8. Klasse, Abitur dann nach der 12. Klasse. Ich kenne keinen, der vor dem Gymnasium eine Berufsausbildung machte, allerdings gab es die Sonderform " Berufsausbildung mit Abitur" -- lief parallel.

  8. 58.

    Was für ein Rückschritt. Es hätte eine vollständige Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem gebraucht, eine Überwindung der sozialen Ungerechtigkeit, dass der sozio-ökonomische Hintergrund über die Schulempfehlung entscheidet, nebst der WIllkür von Lehrkräften. Stattdessen gibt es noch mehr Willkür, schön entlang tradierter preußischer Lehre, die schon zu Preußens Zeiten überholt und verkommen war.

    Leistung und Begabung - das sind Illusionen, in der Pädagogik umso mehr. Kritisch denkende und handelnde, gesellschaftsfähige Menschen soll Bildung hervorbringen. Das passiert nicht, indem man ignoriert, dass Schule ein Selektionsort ist. Wer was wann zu leisten im Stande ist, ist von Lehrkräften i.d.R. nicht zu ermessen. Die Bedingungen sind gänzlich unterschiedliche, die Behandlung aber ist die gleiche - das meint Ungerechtigkeit per se. Und genau an dem Ort, wo jetzt noch mehr ausgesiebt werden soll nach gedachten Kriterien, sind Quereinsteigende überrepräsentiert. Ein Desaster.

  9. 57.

    Die Lösung ist, sowohl die Noten als auch eine Prüfung .
    Es gibt Nachbarländer die diese Praxis seit über 70 jahren praktizieren , erfolgreich, da weniger Schulabrecher..

  10. 56.

    Vor ca 20 Jahren mussten auch nicht alle eine MSA- Prüfung machen und es funktionierte trotzdem. Ein Prüfungsabschluss sagt nicht wirklich viel über das Können einer Person aus. Man kann schlechte Tage haben oder einfach Prüfungsangst haben. Dann nach Noten einer einzelnen Prüfung beurteilt zu werden wäre falsch...

  11. 54.

    Die frühe Selektion nach der 6. Klasse ist insbesondere für Jungen eine Benachteiligung. Ich hatte in der Grundschule nur eine Realschulempfehlung. Zum Glück hat mich meine Mutter aufs Gymnasium geschickt. Heute bin ich promovierter Ingenieur in einer Führungsposition. Jungs sind in diesem Alter noch weniger selbst organisiert und zielstrebig, gerade wenn man aus einem weniger leistungsorientierten Haushalt kommt, fehlt in diesem Alter der Antrieb. Persönliche Begabungen lassen sich häufig erst später erkennen. Ich bin dafür, das heutige System beizubehalten, aber nach der 10. Klasse hinsichtlich des Abiturs stärker zu selektieren. Das Abitur sollte nicht der Standardabschluss sein, sondern auf ein Studium vorbereiten. Nicht jeder gute Handwerker muss Integralrechnung verstehen.

  12. 53.

    In der DDR konnte man meinerzeit das Abitur nur gekoppelt an eine Berufsausbildung erwerben. Das sollte meiner Meinung nach wieder verstärkt angeboten werden. Außerdem sollten verstärkt duale Ausbildungen, in denen man zugleich den Realschulabschluss/MSA erwirbt, angeboten werden. Das bietet viele Vorteile für Spätentwickler und Schüler, die vor allem in einem Fach leistungsstark sind, oder aber solche, die nicht genau wissen, was sie nach der Schule wirklich machen wollen. Etliche, die ursprünglich studieren wollten, gehen dann doch in die Wirtschaft und andere erwerben so die Möglichkeit auf ein Fachschulstudium oder zumindest eine höhere IHK-Qualifikation. So kann man vielen zu einer höheren Bildung und der Wirtschaft, die dann natürlich stärker eingebunden werden muss, zu mehr Fachkräften verhelfen.

  13. 52.

    Wird die Förderprognose für Kinder, die nicht ans Gymnasium wollen, denn so berechnet wie bisher? In den Artikeln dazu ist immer nur vom Gymnasium die Rede, aber auch für alle andren SuS wird ja eine Förderprognose berechnet, und ich fände eine Beschränkung auf die Noten in Deutsche, Mathe und Englisch wirklich schlecht. GeWi, NaWi, Sport, Kunst, Musik werden dadurch abgewertet, und SuS, die in einem dieser drei Fächer schlecht sind, haben weniger Möglichkeiten, dies auszugleichen. Und wie leicht hat ein Schüler/eine Schülerin mal in einem Fach eine schlechte Note, oft genug auch weil man vielleicht einfach mit dem Lehrer/der Lehrerin nicht zurecht kommt.

  14. 51.

    "In der DDR gab es einen Numerus Clausus und das war gut so."

    Nee, da hatte man das richtige Parteibuch.

  15. 50.

    Eine sehr gute Idee. Ein Abitur nur für diejenigen, die es auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit packen.
    In der DDR gab es einen Numerus Clausus und das war gut so. Selbiges gilt für eine maximale Dauer eines Studiums. Irgendwann sollte mit dem Studentenausweis Schluß sein.

  16. 49.

    Leider ist das kein Schwachsinn, sondern die cDU im Jahr 2023. Nach der Verkehrs"wende" zurück in die 1960er Jahre folgt jetzt die Bildungs"wende" zurück in die 1950er Jahre.

    Wäre ja auch noch schöner wenn man nicht als vermeintliche "Elite" unter sich bleiben könnte.

    Was gibt es eigentlich nicht was dieser Senat nicht komplett verbockt?

  17. 48.

    Ich meine, man sollte das Bildungssystem deutschlandweit vereinheitlichen. So ist es in allen Ländern, die uns in puncto Bildung voraus sind. Dann würden Schüler, die von einem Bundesland in ein anderes ziehen, nicht mehr benachteiligt werden. Zudem sollte der Übergang auf das Gymnasium später erfolgen, damit auch Spätzünder (meist Jungen) eine Chance haben. Und man sollte duale Ausbildungen anbieten, bei denen man zugleich den Realschulabschluss oder das Abitur erwirbt. Außerdem gibt es noch den zweiten Bildungsweg, der allerdings von Müttern mit kleinen Kindern oft schwer zu stemmen ist.

  18. 47.

    Wenn der Bedarf da ist, sollte man mehr Gymnasien bauen statt den Zugang zu beschränken. Jedes Kind muss für sich wissen, ob es den Anforderungen auf dem Gymnasium gewachsen ist oder besser auf einer Real-/Gesamtschule zurecht kommt. Auch wer die Grundschule nur mittelmäßig abschließt, kann sich durch Anstrengung und Willen später noch behaupten.

Nächster Artikel