Brandenburg - Landtag beschließt Verfassungstreue-Check für Beamte

Sa 27.04.24 | 09:55 Uhr | Von Markus Woller
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Symbolbild: Während einer Landagssitzung. (Quelle: dpa/Bernd Settnik)
Bild: dpa/Bernd Settnik

Nach langen Diskussionen ist es beschlossen: Brandenburgs Beamte werden zukünftig noch vor der Vereidigung auf Verfassungstreue gecheckt. Bis zuletzt gab es heftige Kritik, auch von Gewerkschaften. Am Gesetz änderte das aber kaum etwas. Von Markus Woller

  • Ab September Regelanfrage zu angehenden Beamten beim Verfassungsschutz
  • Dabei dürfen nur öffentlich zugängliche Erkenntnisse genutzt werden
  • Abfrage auch bei Beamten im Dienst möglich, falls Verdacht besteht
  • AfD lehnt Gesetz als "DDR 2.0" ab
  • Linke sehen zu wenige Möglichkeiten für Einsprüche von Betroffenen

Eine angehende Lehrerin arbeitet in ihrer Freizeit für ein rechtsextremes Videoformat, das unter anderem gegen islamische und jüdische Organisationen und Migranten hetzt – erst im vergangenen Jahr war dieser Fall aus Brandenburg an die Öffentlichkeit gelangt. Die Landesregierung will es solchen Anwärtern nun schwerer machen, später tatsächlich in den Staatsdienst übernommen zu werden. Der Landtag hat am Freitag mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen und der Gruppe von BVB/Freie Wähler den Weg für einen Verfassungstreuecheck frei gemacht.

Egal ob bei Lehrern, der Polizei oder bei Finanzbeamten: Ab September soll es für alle angehenden Beamten vor dem Schwur des Amtseides eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz geben. Geklärt werden soll, ob Anwärter bereits durch Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung aufgefallen sind. Dabei dürfen dem jeweiligen Dienstherren nur Erkenntnisse mitgeteilt werden, die öffentlich zugänglich waren. Nachrichtendienstliche Mittel, wie das Abhören oder Informationen von V-Leuten, sind nicht erlaubt.

4.000 Extremisten in Brandenburg

Aber auch bereits im Staatsdienst befindliche Beamte können nun mit einer solchen Abfrage konfrontiert werden, wenn der Vorgesetzte oder der Dienstherr hinreichende Hinweise auf einer Verletzung der Verfassungstreuepflicht erhalten hat.

CDU-Chef Jan Redmann macht in dieser Woche klar, dass er in dem Gesetzentwurf einen wichtigen Schritt in der aktuellen politischen Lage sieht. Die Situation sei so gefährlich wie nie. Dem Verfassungsschutz seien mittlerweile mehr als 4.000 Extremisten unterschiedlichster Couleur in Brandenburg bekannt. Vor allem Rechtsextremisten nutzten mittlerweile ausgeklügelte Unterwanderungsstrategien und drängten auch ins Beamtentum.

Über die Details des neuen Gesetzes wurde lange gestritten, auch in der Brandenburger Koalition. Gerade noch rechtzeitig vor den letzten Landtagssitzungen der Legislatur einigten sich die Regierungspartner auf einen Gesetzestext. Unter anderem war lange nicht klar, ob auch Richter und Staatsanwälte vor ihrer Vereidigung gecheckt werden sollen. "Wir wollen keine Lex Waffenträger", sagte SPD-Fraktionschef Daniel Keller am Mittwoch vor dem Landtag - also kein Gesetz nur für Beamte mit Dienstpistole. Die Polizeigewerkschaft hatte vor einer Brandmarkung ihrer Beamten gewarnt. Nun also gilt der Check für alle. Das ist deutschlandweit einmalig.

AfD beklagt "DDR 2.0"

Die AfD-Fraktion sieht in dem Gesetz einen Angriff auf sogenannte "Andersdenkende". Das Land gehe damit einen Weg "zurück zur DDR 2.0", warf die Abgeordnete Marianne Spring-Räumschüssel dem Innenminister vor. Die AfD-Innenpolitikerin Lena Kotré sprach von einem "knallharten Eingriff in die Berufsfreiheit" und behauptete, wegen des Gesetzes sei die ganze Landesregierung selbst ein Fall für den Verfassungsschutz. Die Fraktion wolle deswegen vor dem Landesverfassungsgericht eine Normenkontrollklage gegen die Neuregelung einreichen, hieß es.

Dass die Novelle des Beamten- und Disziplinargesetzes nicht ausreichend in den entsprechenden Ausschüssen debattiert wurde, bemängelt nicht nur die Opposition von AfD und Linken. Auch zahlreiche Beamtengewerkschaften hatten sich in dieser Woche mit einem gemeinsamen offenen Brief zu Wort gemeldet. Ihnen geht es um eine Gesetzesänderung, die aus ihrer Sicht "Huckepack" mitverabschiedet wurde.

So packt die Landesregierung mit der Neuregelung auch das Disziplinarrecht an. Statt wie bisher durch ein unabhängiges Gericht können Beamte demnach zukünftig per Verfügung des Dienstvorgesetzen oder Dienstherren zurückgestuft oder aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. "Der Schutz der Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten vor politisch geprägten Einflussnahmen" würde dadurch geschwächt, heißt es in dem Schreiben. "Parteiische und voreingenommene Dienstvorgesetzte können per Verfügung das bestehende besondere Dienst- und Treueverhältnis beenden", so die formulierte Sorge.

CDU sieht genügend Einspruchsmöglichkeiten

Im Nachgang des Briefes wurde der Gesetzgebungsprozess in dieser Woche noch einmal erweitert, eine weitere Lesung im Landtag und eine Hauptausschusssitzung angesetzt. Im Ergebnis sicherte Innenminister Stübgen zu, Vorgesetzte durch ein Rundschreiben für die Gefahr von Missbrauch zu sensibleren. Grundsätzliche Probleme sehe er aber nicht.

Die Linke bemängelt außerdem, dass das Gesetz nicht klar auf extremistische Vorkommnisse beschränkt wurde. Rechtlich sei dies nicht möglich gewesen, hieß es von den Regierungsfraktionen. Auch die Möglichkeiten, Einspruch gegen die Zurückstufung oder Entlassung einzulegen, seien beschnitten worden, so die Linken-Abgeordnete Marlen Block. Der CDU-Abgeordnete Björn Lakenmacher betonte hingegen, auch in Zukunft könnten Beamte gegen ihre Entfernung aus dem Dienst juristisch vorgehen und klagen. Das Gesetz werde Disziplinarverfahren dennoch beschleunigen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.04.2024, 13:40 Uhr

Beitrag von Markus Woller

90 Kommentare

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  1. 90.

    Nun ja, wenn der Name Programm ist.
    Woran machen Sie fest, daß es angebliche russische Propaganda ist? Den Gedankengang des von Ihnen kritisierten Beitragsschreibers kann ich durchaus nachvollziehen. Ist schon erstaunlich an was Russland so alles schuld sein soll…..

  2. 89.

    Viele verstehen offenbar nicht den Unterschied zwischen Linksextremisten, Rechtsextremisten und Verfassungsfeinden. Es gibt durchaus in allen Lagern Verfassungsfeinde. Durchaus auch unter Bürgerlichen, Liberalen, Königstreuen, Alphornbläsern, Klimaaktivisten, Hooligans, Soldaten, Pazifisten, Maurern, Dachdecker, Literaten, Journalisten, Schauspielern, Fußballprofis, Kindergärtner, Rockmusikern, Rapper, Schlagersänger, Lehrer, Philosophen, Politologen, Ökonomen, Krankenpfleger, usw usw usw

  3. 88.

    Ah, Ihnen wird die Demokratie vorgegaukelt. Alles klar.
    Auf der Rückseite des Mondes erzählt man das auch.

  4. 87.

    Verfassungstreue ist für unsere Demokratie ein wichtiger Baustein der inneren Sicherheit.
    Hingegen:
    Ihr Kommentar klingt wie russische Propaganda. Gibt es da nicht einen Wegweiser für die AfD, wie sie mit unsinniger Propaganda die Demokratie schwächen soll? Gab es für diesen Wunsch Putins im Vorfeld Geld? Ich frag nur für einen Freund.

  5. 86.

    Sie verwechseln Meinungsfreiheit mit Verfassungstreue. Ihre Aufregung des Nichtverstehens obliegt Ihrer eigenen Sicht.
    Verfassungstreue hat nichts gegen Meinungen.
    Meinungen haben aber da Grenzen, wo sie die Verfassung angreifen und schädigen wollen. Verfassungstreue ist also wichtig für unsere Sicherheit.
    Als Beamter darf nur berufen werden, wer vor der freiheitlich demokratischen GO steht. Also geht es um Extremisten, die frühzeitig enttarnt werden sollen, natürlich will die AfD dagegen klagen, wer hätte etwas anderes erwartet.

  6. 85.

    Was verstehen sie unter Neutralitätsgebot beim Ö. Dienstes/ Verwaltung, Richter, Staatsanwälte uvm.??Hinweis Mieteinnahmen über § 558 BGB erhoben sind mit Steuern behaftet also Staatseinnahmen, Richter werden aus diesem Topf finanziert erhalten ihre Besoldung daraus, wie also wird ein Richter bei Mieterhöhungen reagieren ? Seien sie Logisch

  7. 84.

    Anna, daran hält sich doch niemand. Ist auf freiwilligen Basis und wie bei der Industrie nüscht wert.

  8. 83.

    Kapier ich nicht. Es gibt bereits ein Neutralitätsgebot im Öffentlichen Dienst.
    Wenn jemand offensichtlich Volksverhetzung betreibt oder rechtswidrig handelt, ist es strafbar und er muss mit Konsequenzen rechen.
    Das was hier gefordert wird, entspricht einer Art Gesinnungsprüfung und widerspricht der Meinungsfreiheit und dem Grundsatz der Unantastbarkeit der Würde.

  9. 82.

    Das ist mehr als Notwendig! Diese ganze versteckt, braune Brut müssen wirksam und mit allen demokratischen Mittel bekämpft werden. Sonst gehts mit unserer Gesellschaft (Prenzlauer) Berg ab!

  10. 81.

    Schlimm, schlimm. Da hilft ja nur noch auswandern.
    Nach Neuschwabenland.

  11. 80.

    Angemessene Maßnahmen, die uns davor schützen sollen, dass unsere demokratischen Institutionen von Extremisten unterwandert werden, bezeichnen Sie allen Ernstes als Gesinnungsschnüffelei? Sie haben ja ein merkwürdiges Demokratieverständnis...

  12. 79.

    Dann machen Sie es besser, bringen sich in der Politik ein, lassen sich demokratisch wählen (alles, nur nicht AfD, BSW) und ändern auf der Grundlage unserer freiheitlichen Verfassung die Mißstände. Nicht Jammern und Anklagen, einfach machen.

  13. 78.

    Es ist schade, dass es wieder soweit ist.
    Leider gab es schon immer Zeiten der Gesinnungsschnüffelei und des Spitzeltums.
    Da sind wir Deutsche Weltmeister.
    Schon in der DDR, der BRD und im 3.Reich.
    Das bekommt man aus den Deutschen nicht mehr so einfach raus.

  14. 77.

    Polemische Äußerungen wie die Ihrige tragen lediglich zur Spaltung der Gesellschaft bei, werden den komplexen Problemlagen der heutigen Zeit allerdings nicht gerecht.

  15. 76.

    Ich dachte bisher, Beamte müssten ohnehin die Verfassung beachten, ohne dass es eines besonderen Gesetzes bedarf.

  16. 75.

    "Lesen Sie nur, was Sie lesen wollen?!" Ja, selbstverständlich, genau wie Sie, und bei Ihnen auch nicht das Kleingedruckte!
    Es gibt ein breites Meinungsspektrum, das zum Glück nicht immer mit Ihrem übereinstimmt.
    Ich möchte jedenfalls nicht von Polizisten festgenommen und von Richtern verurteilt werden, für die die BRD eine GmbH ist.

  17. 73.

    Ein größtenteil sinnvoller Schritt, diejenigen, die einen Amtseid(!) auf unsere Verfassungs ablegen, tatsächlich auch zu prüfen, ob sie die fdGO vertreten oder nicht. Ebenso sinnvoll ist es, dass nicht nur bei Berufseinstieg zu prüfen.

    Wenn es jedoch um rechtliche Konsequenzen im Falle des Falls geht, müssen auch Rechtsmittel eingelegt werden können seitens Betroffener. Das ist auch zum Schutz des eigentlichen Vorhabens. Denn Polizei und Co werden immer Autoritäre anziehen, welche auch höhere Positionen beziehen können. Wenn diesen Personen die alleinige, wunwiderrufliche Macht gegeben wird, politisch darüber zu befinden, wer verfassungstreu sei, eröffnet das explizit der extremen Rechten, die bereits im Staatsdienst ist, enorme Spielräume. Ergo, es geht tatsächlich zu schnell und unüberlegt.

    Ferner fehlt es an externer Expertise i.S.v. Fortbildung und Supervision, es geht hier um rein hoheitliche Maßnahmen. Das ist unterkomplex.

  18. 72.

    Es wird eine Anfrage beim Verfassungsschutz getätigt. Meinen Sie wirklich, wer da schon negative Einträge hat, ist besonders verfassungstreu und als Beamter einsetzbar?

  19. 71.

    Warum spaltet dieses Thema eigentlich so sehr? Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten. Und wenn sich trotzdem jemand ungerecht behandelt fühlt, kann er vor Gericht dagegen klagen. Ich verstehe diese vielen Unterstellungen auch nicht.

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