Vom Erotikportal in den Eiskanal - Wieso OnlyFans jetzt in den Spitzensport einsteigt
Bobpilotin Lisa Buckwitz lässt sich seit dieser Saison vom Erotikportal OnlyFans sponsoren. Während die Olympiasiegerin so ihre hohen Kosten decken kann, verfolgt das Unternehmen mit dem Einstieg in den Spitzensport ein klares strategisches Ziel. Von Lukas Witte
Beim Namen "OnlyFans" denken die meisten wohl eher an nackte Haut als an den Eiskanal. Doch beim Weltcup-Auftakt im sächsischen Altenberg am vergangenen Wochenende war es erstmals so weit: In blauer Schrift auf schwarzem Grund, direkt unter der deutschen Post, zierte die Online-Plattform den Bob von Lisa Buckwitz.
Bereits vor einigen Wochen hatte die Berlinerin ihre Kooperation mit dem Unternehmen öffentlich gemacht und damit für Aufregung gesorgt. Schließlich ist ein Sponsoring des vor allem für explizite Inhalte bekannten sozialen Netzwerks im Profisport noch eine Neuheit.
Das "Instagram for Porn"
Seit 2016 ist OnlyFans online, sei aber erst mit der ersten Pandemiewelle richtig groß geworden, erklärt Medienwissenschaftlerin Lisa Andergassen. "Es ist so etwas wie das Instagram for Porn. Man kann auf OnlyFans eben Inhalte hochladen, die man woanders nicht hochladen kann", sagt sie.
Der überwiegend sexualisierte Content steckt dabei hinter einer Paywall. Die Nutzer müssen Abos abschließen, um die Fotos und Videos der Creator sehen zu können. Zudem bekommen sie so die Möglichkeit zum persönlichen Kontakt in Chats und personalisiertem Content. "Die Leute zahlen für die Illusion Geld, dass man dort eine persönliche Beziehung hat. Das wird als Online-Girlfriend-Experience bezeichnet", erklärt Andergassen. Und das scheint gefragt: Über 300 Millionen Menschen sind auf der Plattform registriert.
Buckwitz wird sich nicht nackt zeigen
Neben der Werbefläche auf ihrem Bob hat sich Buckwitz im Rahmen ihres Sponsorings auch einen Account erstellt. Schon auf Instagram zeigte sich die Olympiasiegerin von 2018 regelmäßig freizügig, auf OnlyFans will sie ihren Fans nun mehr bieten. "Zum Beispiel dass ich mit ihnen mehr interagiere. Das ist mir auf Instagram gar nicht mehr möglich, weil ich dort so viele Follower habe, dass ich es zeitlich nicht schaffe. Außerdem gibt es noch mehr Behind-the-scenes-Content. Meine Fans bekommen von mir als Leistungssportlerin Eindrücke, die auf Instagram nicht so gezeigt werden", erklärt sie.
25 Dollar im Monat muss man dafür hinblättern. Nacktbilder wird es von der Bobpilotin allerdings nicht zu sehen geben. "Mir geht es nicht um diese erotische Seite. Ich bin Leistungssportlerin und Olympiasiegerin. Diese Seite möchte ich zeigen", so Buckwitz.
Sponsoren sind Mangelware
Unklar ist, wie genau der Deal mit OnlyFans aussieht, wie viel Geld für die Werbeflächen auf dem Bob fließt, wie viel die Potsdamerin von den Einnahmen durch ihren produzierten Content für sich behalten darf und welche Bedingungen das Unternehmen an diesen stellt.
Ihr neuer Partner sei für die weitere Finanzierung ihres Sports jedoch essenziell, erklärt Buckwitz. "In meiner Randsportart Bobsport ist es schwierig, überhaupt noch Sponsoren zu finden. Deshalb finde ich es toll, dass ich so ein großes Unternehmen wie OnlyFans jetzt an meiner Seite habe, die meinen Bobsport finanzieren und fördern. Ich manage ein Team und habe drei Anschieberinnen. Ich muss das Geld irgendwie selbst zusammensammeln, damit ich denen auch was zurückgeben kann oder mal neue Kufensätze kaufen kann. Da kostet einer schon 8.000 Euro", sagt sie.
Im deutschsprachigen Raum ist Buckwitz die erste Athletin, die eine offizielle Kooperation mit dem Unternehmen eingegangen ist. Zwar nutzten bereits andere Leistungssportler vor ihr die Plattform, um ihr Einkommen etwas aufzubessern und den Sport zu finanzieren, allerdings ohne dabei von OnlyFans gesponsort zu werden.
Vom Schmuddel-Image in den Mainstream
Dass das Unternehmen nun aber auch auf diesem Markt einzusteigen scheint, überrascht Medienwissenschaftlerin Andergassen überhaupt nicht. "Es gibt das Bedürfnis, Mainstream zu werden und sich von dem Schmuddel-Image abzuwenden", sagt sie. "Es ist ja klar, dass wenn ich als Businessmodell direkt mit der Sexindustrie in Verbindung gebracht werde, mir bestimmte Türen nicht offenstehen."
Schon 2021 plante OnlyFans, alle expliziten Inhalte von der Plattform zu entfernen, musste sich damals aber der Gegenwehr vieler Creator beugen, die damit drohten, sich in diesem Fall von der Plattform zurückzuziehen. Nun könnte Sportsponsoring der Weg aus dem Erotikmarkt sein. Gerade unterfinanzierte Randsportarten eigenen sich dabei als einfacher Zugang auf den Markt. Neben Buckwitz finden sich zum Beispiel auch Mountainbiker, Rallyefahrer und eine Jetski-Weltmeisterin unter den Athleten, die bereits einen Sponsoringvertrag mit der Plattform abgeschlossen haben. Zudem gibt es breite Kooperationen im Kampfsport.
Auf rbb-Anfrage teilte das Unternehmen mit, dass man mit großer Begeisterung Athletinnen und Athleten in Nischensportarten unterstützen wolle, weil es für diese oft schwieriger sei, ein großes Publikum zu erreichen. Für Andergassen vermutet dahinter jedoch eine klare Strategie. "Das ist eigentlich der normale Gang und war zum Beispiel auch in den Anfängen des Pay-TV zu beobachten. Es werden erst einmal explizite Inhalte genutzt, um Leute dazu zu bringen, das neue Medium zu nutzen. Später möchte man sich dann davon distanzieren, weil Pornografie als Businessmodell eben noch marginalisiert ist", erklärt sie.
Buckwitz will mit Klischees aufräumen
Davon sei man bei OnlyFans jedoch noch ein ganzes Stück entfernt. Zwar gebe es bereits nicht-erotischen Content, dieser sei jedoch für das Business noch nicht so relevant, so Andergassen. Anziehend bleibe hingegen die Freizügigkeit. "Auch wenn Buckwitz sagt, dass sie nicht nackt zeigen wird. Aber da gibt es ja Abstufungen. Bei Instagram ist völlig klar, was ich zu sehen bekommen werde. Bei OnlyFans könnte es mehr sein, aber es muss halt auch nicht. Es wäre möglich und allein deshalb guckt man hinter die Paywall", sagt Andergassen.
Die in Berlin geborene Bobpilotin will hingegen mit den Klischees der Plattform aufräumen. "Man hat als Mensch sehr viele Vorurteile. Ich würde vielen ans Herz legen, da einfach unvoreingenommen ranzugehen. (…) Ich finde es schön, dass es OnlyFans gibt. Mir macht es möglich, dass ich mit meinen Fans interagieren kann", erklärt sie.
Sendung: Der Tag, 2.12.2024, 19:15 Uhr