Sexarbeit in Brandenburg - Kaum sichtbar, kaum kontrollierbar

Fr 07.06.24 | 17:01 Uhr | Von Amelie Ernst
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Symbolbild: Ein rot beleuchtetes Schlafzimmer. (Quelle: dpa/Frank Bründel)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.06.2024 | Amelie Ernst | Bild: dpa/Frank Bründel

Mit einer Aktionswoche will der Berufsverband der Sexarbeitenden mehr Aufmerksamkeit für die Branche erzeugen. Was hat die Legalisierung gebracht? In Brandenburg fehlt vor allem Beratung. Von Amelie Ernst

Ana* ist eine von geschätzt 100 bis 150 Frauen, die täglich in Brandenburg sexuelle Dienstleistungen anbieten. Seit 2019 hat Ana in Brandenburg als Sexarbeiterin gearbeitet. Jetzt will sie aufhören.

Gründe nennt sie viele. "Ein Problem ist, dass manche Kunden keine Kondome benutzen wollen. Außerdem sind die Mieten für die Apartments so teuer geworden. Sie kosten inzwischen 600 bis 700 Euro pro Woche." Und auch in einem Bordell zahle sie mindestens 150 Euro Miete pro Tag und Zimmer, sagt Ana. Dazu kämen Vermieter, die ihr falsche Quittungen ausstellten, um selbst beim Finanzamt besser wegzukommen. Sie selbst sei in solchen Situationen oft macht- und hilflos.

Viele Sexarbeiterinnen werden nicht erreicht

Ana wollte legal der Sexarbeit nachgehen und hatte sich auch wie vorgeschrieben bei den Behörden angemeldet - auch um in schwierigen Situationen als Selbständige Beistand zu finden.

Doch alleine die Anmeldung sei in Brandenburg schon nicht immer einfach, bestätigt Carlota Memba Aguado vom zuständigen Referat im Brandenburger Sozialministerium. "Nicht auf jeder Website eines Brandenburger Ordnungsamts steht: 'Wenn Sie der Prostitution nachgehen möchten: Klicken Sie hier!' Bei manchen Landkreisen steht es gar nicht, bei anderen muss man suchen."

Zudem gebe es die entsprechenden Informationen in der Regel nur auf Deutsch. Die meisten Sexarbeitenden kämen aber aus anderen Ländern (u.a. Thailand, Bulgarien, Rumänien, Brasilien) und hätten wenig Deutschkenntnisse, so Aguado. Überhaupt bleibe es eine Hürde, sich an ein Ordnungs- oder Gewerbeamt zu wenden, um sich anzumelden.

Zentrale Anlaufstellen fehlen

45 Sexarbeiterinnen waren im Jahr 2022 in Brandenburg gemeldet. Bundesweit waren es rund 28.000. Grundsätzlich ist die Anmeldung überall in jedem Bundesland möglich. Aber weil die in Brandenburg - anders als in Berlin - nicht zentralisiert ist, sind hier alle Ordnungs- und Gewerbeämter zuständig. Und die seien mit der eigentlich vorgeschriebenen Beratung der Sexarbeitenden nicht selten überfordert, sagt auch Brandenburgs Gleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg.

Fachleute bestätigten, dass es helfen könnte, wenn die Anmeldung an einer oder einigen wenigen Stellen stattfinden würde, so Dörnenburg. Denn dann wäre es auch besser möglich, Sexarbeitende über ihre Rechte und Möglichkeiten zu informieren. Auch die Gesundheitsversorgung sei ein Thema. "Wir müssen klarer kommunizieren: Da kannst Du hingehen."

Überforderte Ansprechpartner

Doch bisher seien die Behörden wenig hilfreich und wohl auch überfordert gewesen, wenn sie sich an sie gewandt habe, sagt Ana. Beispielsweise wegen überteuerter oder heruntergekommener Wohnungen. Die Sexarbeit sei offenbar aus Sicht der Ämter immer noch keine selbstständige Tätigkeit wie jede andere auch. Und die Gesetze in Deutschland schützen aus ihrer Sicht immer noch eher die Vermieter, die Bordellbetreiber und diejenigen, die vom Geschäft profitierten. "Sie sagen zwar, das Gesetz schützt die Frauen, aber das glaube ich nicht. Denn wenn ich Hilfe brauche, tun sie nichts."

Im Moment hält in Brandenburg allein die Beratungsstelle "In Via" Kontakt zu Sexarbeitenden - soweit sie die entsprechenden Adressen kennt. 75 Terminwohnungen und drei Bordelle sind den Beraterinnen derzeit bekannt - verteilt in ganz Brandenburg. Zweieinhalb Personalstellen finanziert das Land, mit knapp 170.000 Euro pro Jahr. Die Mitarbeiterinnen fahren quer durchs Land und versuchen, die meist weiblichen Prostituierten zu erreichen.

Da könne man sich ausrechnen, wie selten diese letztlich Kontakt zu einer Beraterin hätten, so Dörnenburg. Viele Sexarbeiterinnen wechselten zudem häufig ihren Arbeitsort, also die Terminwohnung oder das Bordell.

"In einem Bordell kan man sich gegenseitig unterstützen"

Auch Margarete Muresan von der Beratungsstelle In Via plädiert für mehr Beratungsmöglichkeiten und Ressourcen in den Behörden. Denn trotz Legalisierung sei die Sexarbeit in Brandenburg noch immer ein großes Dunkelfeld. Die Corona-Pandemie habe die Lage noch erschwert. Vor der Pandemie habe es in Brandenburg noch etwa 16 bis 18 Bordelle gegeben, inzwischen seien es noch drei bis vier.

Das bedeutet einerseits, dass man die Sexarbeitenden noch schwerer mit Angeboten erreichen könne. Und vor allem fehlten vielen die Möglichkeiten zum Austausch. "In einem Bordell arbeiten mindestens drei Personen. Da kann man sich unterstützen und Tipps geben. Aber wenn man in einer Terminwohnung ist hat man diesen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen nicht", sagt Muresan.

Ana will versuchen, Alternativen zur Sexarbeit zu finden. Derzeit denkt sie an eine Anstellung als Reinigungskraft. Doch wenn das nicht klappen sollte, sagt sie, dann bliebe auch ihr nur der Weg zurück in die Sexarbeit.

*Name von der Redaktion geändert

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.06.2024, 14:00 Uhr

Beitrag von Amelie Ernst

5 Kommentare

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  1. 5.

    Außer Polemik, Falschbehauptungen bzw. Unwissen liest man bei Ihnen nichts heraus. Für die Arbeit oder die Ausübenden interessieren Sie sich recht wenig - ebenso das teils rechtsextrem geprägte Bayern, das Frauen grundlegende Rechte generell nur in Teilen gewährt.

    Was es braucht, sind in einem Flächenland wie Brandenburg definitiv mehr Beschäftigte in den Beratungsstellen, bei so erschwerter Lage mit noch weniger festen Orten umso mehr. Zweieinhalb Stellen unterstreichen die Art der Umsetzung und Respektierung der Rechtsansprüche der Sexarbeiter*innen - man bekämpft sie mehr, als man ihnen helfen will. Auch gilt es, das Utrechter Modell ggf. zu ermöglichen, damit die Arbeit ohne Ausbeutung, Gewalt und irgendwelche profitierende Dritte wie aus dem organisierten Verbrechen ablaufen kann. Ebenso muss die Kundschaft einen Ausweis beantragen, nicht die Sexarbeitenden, inkl. Gesundheitsnachweis. Es muss ein Machtgefälle geben - aber zugunsten der Sexarbeiter*innen.

  2. 4.

    Wenn die Gesetze ihre Wirkung verfehlen müssen die geändert werden, oder dessen Handhabung. Dies hier ist aus meiner Sicht ein Gradmesser dafür, ob Gleichberechtigung natürlich gelebt wird statt Gender Gap Artikel zu konstruieren.Genauso wie die Ungleichbehandlung von 17 Millionen Ostdeutschen seit 34 Jahren.
    Die leichte Gewerbeanmeldung ist aus meiner Sicht leicht umzusetzen. Da reichen schon Weiterbildungen aus.

  3. 3.

    Deutschland, das Bordell Europas. Drehscheibe für Menschenhandel und Zwangsprostitution. Fast 90% aus dem Ausland, fast alle werden dazu gezwungen. Organisierte Kriminalität Osteuropas, Opfer Zehntausende Frauen, auch Minderjährige. Prostitution macht krank, somatische und physische Folgen, da Freier immer mehr extreme Sexualpraktiken einfordern, Gruppensex beispielsweise. Der Gesundheitszustand der Prostituierten ist oft problematisch. 20% der Frauen würden durch Freier mittlere bis schwere Körperverletzungen erleiden, Brandwunden, Luxationen der Gelenke. Es geht auch um Seelenmord, die psychischen Folgen furchtbar und zerstörerisch.

    Quelle: Bayrisches Ärzteblatt, Phönix


    Selten macht das eine Frau tatsächlich freiwillig.

  4. 2.

    Diese ,,Freier'', Spießer im Anzug und die anderen müßten sich registrieren lassen. Mit Ausweis usw. Damit man die Namen hat. Ist schon zuviel passiert.

  5. 1.

    Die Legalisierung unter der Regierung Schröder, wenn ich mich richtig erinnere (?) hat ja eigentlich dafür sorgen sollen, dass die Frauen besser geschützt sind. Ob dies funktioniert hat, kann man ja mal die vielen Zwangsprostitutierten aus anderen Ländern fragen. Was diese Frauen oft erleben erzeugt in den meisten Fällen schwere Traumata, denn da wo sich die freiwilligen Prostituierten schon über das schlimme Benehmen der Männer beklagen, kann man sich ja selbst ausmalen, was Frauen in der Zwangsprostitutiion durchleiden müssen. Richtig schlimm und unmenschlich wie viele dafür entschuldigende Worte finden, so als ob die Gesellschaft bei bestimmten Frauen einfach nicht so genau hinschaut. Viele Frauen sind so traumatisiert, dass sie nicht mal in einer Talkshow so locker darüber reden könnten, es sind schwere Traumata, die in den meisten Fällen von Prostitution und vor allem Zwangsprostitution entstehen.

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