Sexarbeit in Brandenburg - Kaum sichtbar, kaum kontrollierbar
Mit einer Aktionswoche will der Berufsverband der Sexarbeitenden mehr Aufmerksamkeit für die Branche erzeugen. Was hat die Legalisierung gebracht? In Brandenburg fehlt vor allem Beratung. Von Amelie Ernst
Ana* ist eine von geschätzt 100 bis 150 Frauen, die täglich in Brandenburg sexuelle Dienstleistungen anbieten. Seit 2019 hat Ana in Brandenburg als Sexarbeiterin gearbeitet. Jetzt will sie aufhören.
Gründe nennt sie viele. "Ein Problem ist, dass manche Kunden keine Kondome benutzen wollen. Außerdem sind die Mieten für die Apartments so teuer geworden. Sie kosten inzwischen 600 bis 700 Euro pro Woche." Und auch in einem Bordell zahle sie mindestens 150 Euro Miete pro Tag und Zimmer, sagt Ana. Dazu kämen Vermieter, die ihr falsche Quittungen ausstellten, um selbst beim Finanzamt besser wegzukommen. Sie selbst sei in solchen Situationen oft macht- und hilflos.
Viele Sexarbeiterinnen werden nicht erreicht
Ana wollte legal der Sexarbeit nachgehen und hatte sich auch wie vorgeschrieben bei den Behörden angemeldet - auch um in schwierigen Situationen als Selbständige Beistand zu finden.
Doch alleine die Anmeldung sei in Brandenburg schon nicht immer einfach, bestätigt Carlota Memba Aguado vom zuständigen Referat im Brandenburger Sozialministerium. "Nicht auf jeder Website eines Brandenburger Ordnungsamts steht: 'Wenn Sie der Prostitution nachgehen möchten: Klicken Sie hier!' Bei manchen Landkreisen steht es gar nicht, bei anderen muss man suchen."
Zudem gebe es die entsprechenden Informationen in der Regel nur auf Deutsch. Die meisten Sexarbeitenden kämen aber aus anderen Ländern (u.a. Thailand, Bulgarien, Rumänien, Brasilien) und hätten wenig Deutschkenntnisse, so Aguado. Überhaupt bleibe es eine Hürde, sich an ein Ordnungs- oder Gewerbeamt zu wenden, um sich anzumelden.
Zentrale Anlaufstellen fehlen
45 Sexarbeiterinnen waren im Jahr 2022 in Brandenburg gemeldet. Bundesweit waren es rund 28.000. Grundsätzlich ist die Anmeldung überall in jedem Bundesland möglich. Aber weil die in Brandenburg - anders als in Berlin - nicht zentralisiert ist, sind hier alle Ordnungs- und Gewerbeämter zuständig. Und die seien mit der eigentlich vorgeschriebenen Beratung der Sexarbeitenden nicht selten überfordert, sagt auch Brandenburgs Gleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg.
Fachleute bestätigten, dass es helfen könnte, wenn die Anmeldung an einer oder einigen wenigen Stellen stattfinden würde, so Dörnenburg. Denn dann wäre es auch besser möglich, Sexarbeitende über ihre Rechte und Möglichkeiten zu informieren. Auch die Gesundheitsversorgung sei ein Thema. "Wir müssen klarer kommunizieren: Da kannst Du hingehen."
Überforderte Ansprechpartner
Doch bisher seien die Behörden wenig hilfreich und wohl auch überfordert gewesen, wenn sie sich an sie gewandt habe, sagt Ana. Beispielsweise wegen überteuerter oder heruntergekommener Wohnungen. Die Sexarbeit sei offenbar aus Sicht der Ämter immer noch keine selbstständige Tätigkeit wie jede andere auch. Und die Gesetze in Deutschland schützen aus ihrer Sicht immer noch eher die Vermieter, die Bordellbetreiber und diejenigen, die vom Geschäft profitierten. "Sie sagen zwar, das Gesetz schützt die Frauen, aber das glaube ich nicht. Denn wenn ich Hilfe brauche, tun sie nichts."
Im Moment hält in Brandenburg allein die Beratungsstelle "In Via" Kontakt zu Sexarbeitenden - soweit sie die entsprechenden Adressen kennt. 75 Terminwohnungen und drei Bordelle sind den Beraterinnen derzeit bekannt - verteilt in ganz Brandenburg. Zweieinhalb Personalstellen finanziert das Land, mit knapp 170.000 Euro pro Jahr. Die Mitarbeiterinnen fahren quer durchs Land und versuchen, die meist weiblichen Prostituierten zu erreichen.
Da könne man sich ausrechnen, wie selten diese letztlich Kontakt zu einer Beraterin hätten, so Dörnenburg. Viele Sexarbeiterinnen wechselten zudem häufig ihren Arbeitsort, also die Terminwohnung oder das Bordell.
"In einem Bordell kan man sich gegenseitig unterstützen"
Auch Margarete Muresan von der Beratungsstelle In Via plädiert für mehr Beratungsmöglichkeiten und Ressourcen in den Behörden. Denn trotz Legalisierung sei die Sexarbeit in Brandenburg noch immer ein großes Dunkelfeld. Die Corona-Pandemie habe die Lage noch erschwert. Vor der Pandemie habe es in Brandenburg noch etwa 16 bis 18 Bordelle gegeben, inzwischen seien es noch drei bis vier.
Das bedeutet einerseits, dass man die Sexarbeitenden noch schwerer mit Angeboten erreichen könne. Und vor allem fehlten vielen die Möglichkeiten zum Austausch. "In einem Bordell arbeiten mindestens drei Personen. Da kann man sich unterstützen und Tipps geben. Aber wenn man in einer Terminwohnung ist hat man diesen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen nicht", sagt Muresan.
Ana will versuchen, Alternativen zur Sexarbeit zu finden. Derzeit denkt sie an eine Anstellung als Reinigungskraft. Doch wenn das nicht klappen sollte, sagt sie, dann bliebe auch ihr nur der Weg zurück in die Sexarbeit.
*Name von der Redaktion geändert
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.06.2024, 14:00 Uhr