Das schwere Jahr von Drittliga-Absteiger Viktoria Berlin - Gemischte Gefühle und viel Arbeit vor sich
Vergangene Saison überwinterte Viktoria Berlin im Mittelfeld der 3. Liga. Ein Jahr später steckt der Klub im Abstiegskampf der Regionalliga. Die Lehren aus einem schweren Jahr und ein möglicher Ausweg. Von Jakob Lobach
Sollte Rocco Teichmann den Silvesterabend in zwei Wochen zum Anlass für ein Resümee nehmen - dann dürften gemischte Gefühle in ihm wühlen. Die ersten viereinhalb Monate des Jahres 2022 verbrachte der Sportliche Leiter von Viktoria Berlin mit seiner Mannschaft im Profi-Fußball der 3. Liga. Sie endeten mit dem Abstieg und dem Gang zurück in die Regionalliga Nordost. Acht Monate später steckt Viktoria auch dort im Abstiegsmorast. So weit, so viele Anlässe für negative Emotionen.
Klub war noch nicht bereit für Profi-Liga
Warum also gemischte Gefühle? Weil man das Jahr 2022 bei Viktoria Berlin eben nicht als gänzlich negativ bewertet. Dass man überhaupt schon mal die Luft der 3. Liga geschnuppert hat, hält auch Rocco Teichmann für ähnlich wertvoll wie die zahlreichen, aus der vergangenen Saison gezogenen Lehren, sagt er. Deren Kern: Der Klub war – unabhängig von allem Sportlichen – noch nicht bereit für den dauerhaften Sprung in Liga drei. Das soll sich in den kommenden Jahren ändern – wohl ohne großen Zeit- und Ergebnisdruck vonseiten des investierenden Hauptgesellschafters.
Wenn man mit Teichmann über das Viktoria-Jahr 2022 spricht, wird schnell klar, dass der Abstieg aus der 3. Liga bei ihm auch nach einem guten halben Jahr noch Spuren hinterlassen hat. "Natürlich können wir nicht sagen: '2022 war ein Jahr ausschließlich bestehend aus Jubelschreien'", sagt der 36-Jährige. "Der Weg war ja klar definiert in den letzten Jahren: Wir wollten in die 3. Liga", ergänzt Teichmann. Umso größer war die Enttäuschung, nachdem das Ziel nur für eine Saison Erfüllung fand.
Regionalliga birgt Vorteile für Nachwuchs
Diese Enttäuschung schwingt spürbar mit in Teichmanns Rückblick auf das Jahr 2022, Verständnis allerdings auch. Dahingehend, dass Viktoria Berlin sehr klar verstanden zu haben scheint, was gefehlt hat, um sich in der 3. Liga festzuspielen. "Das Fundament, sich da zu etablieren, war einfach nicht gegeben", sagt Teichmann und führt aus: "Gerade mit Blick auf die Vermarktung, die Infrastruktur und die personelle Basis, die es braucht, um sich hier in der Stadt als Profiverein zu etablieren, kam der Aufstieg zu früh."
Während Viktoria sich in den vergangenen Jahren verdient in die 3. Liga spielte, konnte die nicht-sportliche Entwicklung des Klubs nicht schritthalten. "Aufgrund dieser Erkenntnis müssen wir jetzt einen anderen Weg gehen."
Vereinfacht gesagt lautet dieser: den Verein ganzheitlicher denken, ihn strukturell so weit entwickeln, dass er dem Profifußball gewachsen ist, wenn seine Männermannschaft mittelfristig den nächsten Anlauf auf die 3. Liga nimmt. Profitieren will man bei Viktoria dann auch von den Bundesligamannschaften in der U17 und der U19 und den dort spielenden Talenten. Sie sind – neben der aufstiegsambitionierten und nun auch prominent gepushten Frauenmannschaft – einige der positiven Einflüsse auf Rocco Teichmanns gemischter Gefühlslage. Vielleicht sei es für die Emporkömmlinge sogar besser und aussichtsreicher, den Einstieg in den Herrenbereich in der Regionalliga angehen zu können, statt direkt in der 3. Liga, sagt Teichmann.
"Mund abputzen, Attacke, wieder loslegen
Aussagen wie diese, gepaart mit einem Blick auf die aktuelle Tabelle der Regionalliga Nordost, warfen die Frage auf, was der Hauptgesellschafter davon hält, was in den vergangenen Monaten bei Viktoria passiert ist. 2019 ist Zeljko Karajica zusammen mit seinem Bruder Tomislav beim Verein eingestiegen und hält einen Großteil der Anteile am Klub. Auf die Frage, was ein Abstieg zurück in die Regionalliga für sein Investment bedeuten würde, antwortete Zeljko Karajica im Frühjahr: "Gar nichts. Mal gewinnst du, mal verlierst du. Mund abputzen, Attacke und wieder loslegen."
"Erstmal seine Arbeit machen"
Rocco Teichmann spricht jetzt, da dieser Fall tatsächlich eingetreten ist, von einem "guten und sehr regelmäßigen Austausch" mit Karajica. Ein Austausch, in dem die Einschätzung der aktuellen Lage und dem bestmöglichen Umgang mit ihr "schon sehr deckungsgleich" seien, so Teichmann. Dass ein weiterer Abstieg zurück in die NOFV-Oberliga Nord diese Harmonie gefährden könnte, ist keine allzu steile These.
Auch deshalb formuliert Teichmann, nun bereits voraus- statt zurückschauend, als oberstes Ziel für 2023: "Es geht ganz klar darum, die Regionalliga zu halten. Das hat Priorität und ist Ziel Nummer eins." Eine schnelle Rückkehr in die 3. Liga hingegen erwartet man bei Viktoria vorerst, all ihren Reizen zum Trotz, nicht. "Natürlich macht es noch ein bisschen mehr Spaß, gegen 1860 München oder in Saarbrücken zu spielen", sagt Rocco Teichmann, "aber es gehört zur Realität, erstmal seine Arbeit zu machen. Und da haben wir viel zu tun."
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.12.2022, 15:15 Uhr