Interview | Turbine-Präsident Ritter-Lang - "Natürlich sind wir nicht realitätsfern und sprechen auch über die 2. Bundesliga"
Am Sonntag startet Turbine Potsdam gegen Bayern München in die Rückrunde. Wenige Tage zuvor ist Trainer Sven Weigang zurückgetreten. Präsident Karsten Ritter-Lang spricht im Interview über den überraschenden Abgang und die Zukunft des Klubs.
rbb: Am Sonntag steht für Turbine Potsdam das erste Spiel des Jahres an. Nur wenige Tage zuvor hat Ihr Trainer hingeschmissen. Wie kam es dazu?
Ritter-Lang: Es ist auch für uns sehr überraschend gewesen. Es gab kontinuierliche Gespräche zwischen dem Präsidium, dem Trainerstab und dem Mannschaftsrat. Sven Weigang hat dann nach einem solchen Gespräch am Mittwoch am nächsten Tag um die sofortige Aufhebung seines Vertrags gebeten. Das hat uns sehr überrascht. Gründe hat er dafür nicht genannt.
Bereits am Sonntag ist das Spiel gegen Bayern München. Wie muss man sich das vorstellen: Trainiert die Mannschaft jetzt alleine?
Nein. Wir haben mit Dirk Heinrich einen sehr erfahrenen Fußballlehrer, der schon seit 20 Jahren bei Turbine ist. Er hat alle Höhen, die Turbine hatte, mitgemacht - Bundesliga, Pokal-Wettbewerbe, Champions League. Er hat also eine mega Erfahrung. Er ist bei der Mannschaft total akzeptiert und ich mache mir deswegen um die fußballerische Seite wenig Gedanken. Er hat in all den Jahren die Prozesse mitbegleitet.
Wie sieht die langfristige Planung auf der Trainer-Position aus?
Wir sitzen derzeit (Samstagnachmittag, Anm. d. Red) in einer Besprechung und machen uns darüber Gedanken. Wie gesagt: Es war für uns sehr überraschend und wir müssen erst einmal mit der Situation umgehen. Mitten in der Rückrunde jemanden zu verpflichten, ist sicherlich kein einfaches Tagwerk. Wir müssen uns also Gedanken machen, wie wir das Ganze aufstellen. Wir sitzen mit den Trainern zusammen und beraten das.
Sie haben den Job des Präsidenten in der Krise, im letzten November, angetreten. Warum kehrt keine Ruhe bei Turbine ein?
Ich glaube, dass man durch die Erfolgsverwöhntheit, die Turbine hatte, Jahr für Jahr gesagt hat: Es gibt ein 'Weiter so'. Wenn man sich die Leistungskurve anguckt, sind die großen Jahre etwas her, aber trotzdem war Turbine in den letzten Jahren immer unter den ersten vier in der Bundesliga. Dann guckt man nicht so ganz genau hin, es haben sich im Laufe der Zeit aber ein paar Dinge verändert. Der Frauenfußball verändert sich rasant. Die Zwerge, also die reinen Frauenfußball-Vereine, werden in der Bundesliga immer weniger, dafür schieben die großen Vereine nach, weil sie auch bessere finanzielle Möglichkeiten haben. Da hat sich aus mehreren Richtungen eine Problemsituation entwickelt, die zum Teil nicht beachtet wurde. Hinzu kamen in der letzten Saison die internen Probleme - der Abschied von Sofian Chahed und der Zerfall des Kaders. Da eine Neuaufstellung hinzukriegen, ist schwierig. An der Stelle ist die Situation implodiert und man hätte sie vielleicht vorher schon erkennen können.
Es geht jetzt also darum, die Strukturen innerhalb des Vereins zu ändern?
Klar, wir müssen uns neu aufstellen und die Situation analysieren. Wir müssen Strukturen und Prozesse schaffen und den Verein nachhaltig aufstellen - mit den Mitteln, die wir haben und mit den Mitteln, die wir vielleicht über neue Partner bekommen.
Turbine ist in der Tabelle als Letzter mit nur einem Punkt sehr weit abgeschlagen. Muss man sagen: Am Ende dieser Saison steigt die Mannschaft ab?
Wir schauen natürlich optimistisch in die Zukunft und sagen: Wir geben jetzt alles, was in unseren Kräften steht und von allen Seiten, um die Klasse zu halten. Egal, ob das die Mannschaft, der Trainerstab oder das Präsidium ist. Aber natürlich sind wir nicht realitätsfern und sprechen auch über das Szenario 2. Bundesliga.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führten Meili Scheidemann und Andreas Ulrich, radioeins.
Sendung: Radioeins, 04.02.23, 14:10 Uhr