Vor dem Achtelfinale in der Europa League - Was Union aus den Gruppenspielen gegen Union Saint-Gilloise lernen kann
Im Achtelfinale der Europa League trifft der 1. FC Union mit Royale Union Saint-Gilloise auf einen alten Bekannten. Die Gruppenspiele deuten auf einen defensiven Gegner hin. Das Kombinationsspiel wird entscheidend sein. Von Till Oppermann
Anfang September 2022 feierten die Fans von Union Berlin einen der schönsten Tage der jüngeren Vereinsgeschichte. Weil die Uefa im Sommer das Stehplatzverbot im Europacup kippte, durfte endlich international im Stadion an der Alten Försterei gespielt werden. "Fußball, wo er hingehört", verkündete eine Choreografie der Ultras. Der Gegner war in diesem Trubel eher Staffage.
Von Royale Union Saint-Gilloise hatten die meisten erstmals bei der Auslosung gehört. Das sollte sich schnell ändern. Am Ende gewannen die belgischen Gäste gegen schwache Unioner mit 1:0. Trainer Urs Fischer schimpfte: "Wenn man die ersten 45 Minuten so verschläft, kann es leicht passieren, dass man das Spiel verliert." Bis heute ist das Gruppen-Hinspiel gegen RUSG wettbewerbsübergreifend die einzige Heimniederlage der Eisernen in dieser Saison.
Union enttäuscht im ersten Gruppenspiel
Royale Union schlug den 1. FC Union im September mit seinen eigenen Waffen. Im 3-5-2-System machten die Brüsseler defensiv die Räume eng und lauerten auf Konter. Sie liefen mehr als die Eisernen, waren in den Zweikämpfen präsenter und gewannen viele zweite Bälle.
Trotz oder gerade wegen 56 Prozent Ballbesitz und 87 Prozent Passgenauigkeit fiel Urs Fischers Mannschaft wenig ein: Denn die tiefstehenden Gäste nahmen Union die Chance, Sheraldo Becker hinter die Kette zu schicken. Stattdessen spielten die Köpenicker im Kreis rund um den Strafraum und schlugen am Ende viele leicht zu verteidigende Flanken. "Unser Plan ist nicht immer aufgegangen, daher müssen wir das Spiel intensiv auswerten und daraus lernen", analysierte und versprach Urs Fischer.
Sieg in Leuven
Die Chance, diesen Lernprozess unter Beweis zu stellen, bot sich Union im November. Die Eisernen mussten ohne Gästefans auswärts am Ausweichspielort Leuven gegen die Brüsseler gewinnen. Sonst hätte Union nach dem Jahreswechsel in der Conference League antreten müssen. Auch wenn das Spiel ebenfalls mit 1:0 für die Gastmannschaft ausging – diesmal aber hatte der 1. FC Union das bessere Ende – entwickelte sich eine gänzlich andere Partie. Erst hier gelang es den Köpenickern, den RUSG-Abwehrriegel durch die Mitte zu knacken.
Anstatt wie im Hinspiel den Weg über die Außen zu suchen, chippte Sheraldo Becker einen Traumpass in den Strafraum, den Sven Michel verwandelte. Danach stürmten die Gastgeber: St. Gilles verwandelte 60 Prozent Ballbesitz in mehrere klaren Chancen, Union-Keeper Frederik Rönnow rettete den Sieg. Urs Fischer befand: "Wir hatten gute Phasen, aber auch Momente, in denen wir nicht so auf der Höhe waren." Seine Mannschaft habe es aber trotzdem verdient, in der Europa League zu bleiben.
Was Union Berlin besser machen muss
Wer am Donnerstag ein Fußballfest erwartet, wird enttäuscht werden. Nicht nur, weil die Eisernen nunmehr seit 288 Bundesliga-Minuten auf einen eigenen Treffer warten. Sondern auch, weil das Hinspiel aus dem Spätsommer dem belgischen Karel Geraerts und seiner Mannschaft in bester Erinnerung geblieben ist. "Die Tatsache, dass wir sie bereits geschlagen haben, zeigt, dass wir dazu in der Lage sind", sagt Senne Lynnen. Er schoss das 1:0-Siegtor im Hinspiel.
Es ist todsicher, dass Royale Union die Partie ähnlich defensiv angehen wird. Für Urs Fischer bedeutet das, dass er seiner Mannschaft zur Vorbereitung auf die Partie auch Videos der eigenen Defensivarbeit zeigen könnte. RUSG wird nicht nur im 3-5-2 antreten, sondern erneut die Räume eng machen, tief stehen, gut verschieben und Union so zu Flanken zwingen.
Für Urs Fischers Team kommt es also besonders darauf an, wie gut das eigene Kombinationsspiel funktioniert. So lange es den Gästen gelingt, das Tempo niedrig zu halten, wird der FCU wenige Torchancen haben. Da durch die tiefstehende Defensive wenig Raum für Tiefenläufe bleibt, muss Fischers Team also über Doppelpässe, Positionswechsel, Dribblings und Passschärfe für Tempo sorgen. Ob das gelingen wird? Wenn Union 2023 noch eine große Schwäche hat, dann diese. Nicht umsonst kritisierte der Trainer nach dem 0:0 gegen Köln: "Auf den letzten 30 Metern brauchst du Präzision, da hast du nicht viel Raum, alles ist sehr eng. Wir müssen uns in Zukunft wieder mehr Tormöglichkeiten erkämpfen."
RUSG in der Ergebniskrise
Aus Sicht der Köpenicker dürfte es Mut machen, dass sich auch die Belgier zuletzt nicht in Topform befanden. Erstmals seit ihrem Aufstieg 2021 mussten sie drei Niederlagen in Serie hinnehmen und kassierten dabei sogar zweimal vier Gegentore. Mit einem Sieg gegen den Abstiegskandidaten KAS Eupen stoppte der Zweite der belgischen Liga zwar den Negativlauf, aber insbesondere die Defensive sah erneut nicht immer sicher aus. Zudem könnte in Berlin Teddy Teuma fehlen: Der maltesische Mittelfeldmann ist der beste Spieler im Kader der Gäste. In sechs Europapokal-Spielen war er an fünf Toren direkt beteiligt.
Sendung: rbb24, 08.03.2023, 18 Uhr