Eisbahn statt Tartanbahn - Der umworbene Bob-Anschieber: Alle wollen Georg Fleischhauer
Der Bobsport wird dominiert von einem Zweikampf um die Weltspitze. Mittendrin: Anschieber Georg Fleischhauer, der vor wenigen Jahren noch als Hürdenläufer an den Start ging. Über ein Multitalent und einen gescheiterten Abwerbeversuch. Von Antonia Hennigs
Hinter Georg Fleischhauer liegt ein turbulenter Sommer. Der Bob-Anschieber, der erst 2019 den Weg von der Leichtathletik zum Bobsport fand, ist beliebt. Vor allem unter den Bob-Piloten. Im Team von Johannes Lochner, mit dem Fleischhauer unter anderem Gold im Zweier-Bob bei der Weltmeisterschaft 2023 in St. Moritz gewann, zeigte er Weltklasse-Leistungen.
Das fiel auch Francesco Friedrich auf - dem Bob-Dominator der letzten Jahre. Friedrich wollte Fleischhauer abwerben, ihn für sein Team gewinnen. "Das hat mich schon eine ganze Weile beschäftigt. Weil ich jeden Tag hin und her überlegt habe", verrät Fleischhauer. Lochner oder Friedrich? Der 36-Jährige stellte sich die Frage: "Was ist die bessere Variante, um meine Ziele zu erreichen?"
Viele Gespräche mit Trainer Kuske
Ein wichtiger Ansprechpartner in dieser Zeit war sein Trainer Kevin Kuske. Der vierfache Olympiasieger holte Fleischhauer 2022 in seine Trainingsgruppe nach Potsdam. Seitdem läuft es für den ehemaligen Hürdenläufer im Bobsport. Zum Abwerbeversuch von Francesco – genannt Franz – Friedrich hat Kuske eine klare Meinung: "Diese Geschichte mit Franz fand ich persönlich nicht so optimal", erzählt er. Denn der Bobsport lebe aktuell vom Zweikampf zwischen Friedrich und Lochner. Konkurrenz im Ausland gebe es kaum, auch wenn sich Kuske das anders wünschen würde.
Wäre Anschieber Fleischhauer ins Team von Friedrich gewechselt, hätte Pilot Johannes Lochner wohl seine Karriere beendet, erklärt der Trainer: "Das hätte den Bobsport noch mehr kaputt gemacht." Er führt aus: "Darüber habe ich auch mit Georg gesprochen und ihm aus meiner eigenen Erfahrung aus 20 Jahren Bobsport viele Ratschläge gegeben."
Gemeinsam bis Olympia
Die Entscheidung fiel auf Lochner. Auf den Verbleib. Das gemeinsame Ziel: der Olympiasieg. Bei den Winterspielen 2026 in Italien. Lochner habe seinem Anschieber unmissverständlich gesagt, dass er das zusammen mit ihm durchziehen wolle bis Olympia.
Im Nachhinein habe die unsichere Situation im Sommer sogar sein Gutes gehabt. Jetzt wüssten alle im Team, dass sie an einem Strang ziehen, erklärt Fleischhauer. Jetzt sei die Motivation noch höher als vorher. Auch in Italien wird es voraussichtlich auf eine Entscheidung zwischen den beiden Favoriten Lochner und Friedrich hinauslaufen. Es ist ein deutscher Zweikampf um die Weltspitze – und Georg Fleischhauer ist mittendrin.
Neues Training, neues Glück
Auf den 400-Meter-Hürden musste der 1,95 Meter große Sportler viele Rückschläge einstecken. Achillessehnenprobleme verwehrten ihm die Teilnahme an den Olympischen Spielen in London. Auch in den Jahren danach warfen ihn Verletzungen immer wieder zurück. 2019 fand der gebürtige Halberstädter den Weg zum Bobsport – zunächst noch neben der Leichtathletik.
Es sollte aber passen mit Fleischauer und dem Bob. "Die Kombination aus Athletik, dem Material und der Technik, und der Geschwindigkeit in der Bahn fasziniert mich", sagt Fleischhauer. Und auch das Training, das zu einem großen Teil im Kraftraum stattfindet, passe zu ihm: "Krafttraining hat mir schon immer Spaß gemacht. Nur früher durfte ich es nicht, weil ich immer schon ein bisschen zu schwer war für die 400-Meter-Hürden. Von daher kann ich mich hier jetzt ausleben."
Der Sprinter Georg Fleischhauer
Die Schnelligkeit, die Fleischhauer aus der Leichtathletik mitgebracht hat, bleibe aber sein größter Vorteil. "Er kann sich mit seinem hohen Körpergewicht sehr schnell bewegen", erklärt Kevin Kuske. Der Trainer ist aber auch vorsichtig. Denn sein Athlet ist mit 36 Jahren im fortgeschrittenen Profisportler-Alter. Da müsse man vorsichtig sein, dass man nicht zu viel macht, erklärt Kuske.
Dazu kommt, dass Fleischhauer als Hürdenläufer jahrelang anders trainiert hat: "Durch das Leichtathletiktraining früher bin ich höhere Trainingsumfänge gewohnt. Manchmal ist es ungewohnt wenig. Aber man muss sich daran gewöhnen, dass weniger manchmal mehr ist."
Die Saison steht in den Startlöchern
Wenn der Wettkampf kommt, ist das dann vergessen. Am Start, oben auf der Bobbahn, sprudelt das Adrenalin. Dann spürt Fleischhauer als Anschieber den Druck. Seine Verantwortung. Er will seinen Piloten einen Vorsprung verschaffen. "Dann kann man sich vielleicht auch mal einen Fehler erlauben und gewinnt trotzdem noch", erklärt er.
Als Anschieber habe er fünf bis sechs Sekunden. In dieser Zeit soll auf das maximale Tempo beschleunigt werden. Dann in den Bob springen, Kopf runter und erst im Ziel wieder aufschauen. Dort will er auf einem Bildschirm "die 1 sehen", lacht er.
Am 1. Dezember startet der Bob-Weltcup in Altenberg. Eine erfolgreiche Weltcup-Saison wünschen sich Fleischhauer, Lochner und Kuske natürlich allesamt. Der Fokus liegt aber auf der Weltmeisterschaft im März 2025 in Lake Placid (USA). Der gemeinsame erfolgreiche Weg soll fortgesetzt werden. Auch nach den ungewissen Wochen im Sommer. Eine Entscheidung ist gefallen und kann noch mehr zusammenschweißen. Oder wie Kuske es formuliert: "Ich glaube, das Georg auf das richtige Pferd gesetzt hat."
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.11.24, 13 Uhr
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