Unerwartetes Karriereende | Interview mit Laufbahnberatern - "Wir können den Sportlerinnen und Sportlern immer mehr neue Wege eröffnen"
Das Karriereende kann Profisportler vor große Probleme stellen. Damit sie auf das Leben nach dem Sport gut vorbereitet sind, gibt es die Laufbahnberatung. Im Interview erklären zwei Berater des Olympiastützpunkt Brandenburgs, worauf es dabei ankommt.
rbb|24: Frau Pezold, Herr Rupprecht, Sie beide arbeiten in der Laufbahnberatung des Olympiastützpunkts Brandenburg. Was kann man sich darunter vorstellen?
Beate Pezold: Als Laufbahnberater kümmern wir uns um die duale Karriere von Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern. Das bedeutet, dass wir Möglichkeiten suchen und Kooperationen eingehen, um ihnen zu ermöglichen, neben ihrer Tätigkeit im Leistungssport eine angemessene und ihren Vorstellungen entsprechende berufliche Laufbahn anzugehen.
Zu welchem Zeitpunkt ihrer sportlichen Karriere kommen die Athletinnen und Athleten zu Ihnen?
Beate Pezold: Wenn Sportlerinnen und Sportler Teil des Bundeskaders werden, kommen sie für ein Erstgespräch zu uns, um einander kennenzulernen und über unsere Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren. Das ist meistens noch in der Schulzeit. Unsere Erfahrung ist, dass das sehr gerne genutzt wird.
Björn Rupprecht: Tatsächlich ist dieses Erstgespräch auch verpflichtend und die Förderung der Sporthilfe ist daran gebunden. Es ist also allen Beteiligten wichtig, dass die Athletinnen und Athleten neben dem Sport noch etwas anderes im Hinterkopf haben und ihre berufliche Karriere forcieren.
Welche Möglichkeiten zur Unterstützung haben Sie denn?
Beate Pezold: Wir haben Kooperationen mit Hochschulen, Arbeitgebern und Sportfördergruppen. Außerdem unterstützen wir bei der Berufs- und Studiumswahl. Wir beginnen also einen Prozess mit Ihnen, der viele Jahre dauern kann.
Viele der Nachwuchs-Talente werden sicherlich ja den Traum haben, vom Profisport leben zu können. Wie gut stehen denn die Chancen dafür?
Björn Rupprecht: Dafür muss man glaube ich den Begriff Profisport ein wenig relativieren. Alle, die ihre Sportart auf höchstem Niveau betreiben, sind natürlich Profisportler. In der Regel bekommen die Athleten bei uns am Stützpunkt aber keine wahnsinnigen Sponsorenverträge und können sich nicht durch den Sport finanziell für den Rest ihres Lebens absichern. Bei uns ist es meistens so, dass man durchaus über die Sporthilfe oder Fördermechanismen der Bundeswehr und Polizei die Möglichkeit hat Geld zu verdienen, wenn man einen gewissen Kaderstatus erreicht hat. Aber die Unsummen, die man zum Beispiel beim Männer-Fußball bekommt, die gibt es bei uns nicht.
Beate Pezold: Gerade deshalb ist es ja so wichtig, sich auch auf die berufliche Karriere zu fokussieren. Denn auch wenn sie vielleicht während ihrer sportlichen Laufbahn finanziell gut klarkommen, müssen sie trotzdem mit spätestens 35 oder 40 Jahren ihre Karriere beenden. Und dann sollten sie die Möglichkeit haben, ein erfüllendes Berufsleben zu finden.
Die Abhängigkeit von Förderung ist für die Athletinnen und Athleten während ihrer sportlichen Laufbahn also enorm groß. Wie stark ist da die Angst vor dem Abrutschen in eine prekäre finanzielle Lage, wenn man die Profikarriere zum Beispiel aufgrund einer Verletzung plötzlich beenden muss? Enden dann auch die Fördermaßnahmen sofort?
Beate Pezold: Natürlich ist es so, dass die Förderung abhängig von den erzielten Leistungen ist. Aber so hart wird das aus unserer Sicht eigentlich nicht durchgezogen. Wenn eine Athletin oder ein Athlet seine Karriere plötzlich beenden muss, dann läuft die Förderung langsam aus. Und wir haben dann ja eigentlich genau an der Stelle auch vorgearbeitet und versucht, den Weg für eine berufliche Laufbahn zu ebnen. Unsere Arbeit wird dann nicht abrupt abgebrochen, sondern wir gucken weiter, wie wir sie beim Übergang in ein normales Leben nach dem Sport unterstützen können.
Sich dual zu orientieren ist also unabdingbar. Allerdings bleibt neben Wettkämpfen, Training und Regeneration nicht mehr besonders viel Zeit dafür. Wie schafft man es, da die Balance zu finden?
Björn Rupprecht: Wenn eine Athletin oder ein Athlet zum Beispiel parallel zum Leistungssport ein Studium macht, dann ist es uns schon wichtig zu vermitteln, dass man sich nicht überfordern sollte. Das ist auch die Grundlage unserer Kooperation mit den Hochschulen. Es wird eine individuelle Studienplanung erstellt, die eben gewisse Freiräume lässt, sodass sich die Sportlerin oder der Sportler auch bestmöglich entwickeln kann. Da sprechen wir dann von einem gestreckten Studium. Die Balance zwischen beidem zu finden, dauert aber eine Weile. Zu Beginn denken viele, sie könnten sowohl den Sport als auch das Studium hundertprozentig durchziehen, stoßen dann aber recht schnell an ihre Grenzen. Wir arbeiten dann daraufhin, es gut miteinander vereinbaren zu können. Aber das Leben eines Spitzensportlers bringt ohne Frage Entbehrungen mit sich.
Ist dieser Fokus auf die Vereinbarkeit von Sportlerkarriere und Ausbildung in den letzten Jahren stärker geworden?
Björn Rupprecht: Tatsächlich gibt es die Laufberatung schon seitdem es die Olympiastützpunkte gibt. Also seit den 90er Jahren. Mittlerweile sind wir deutschlandweit über 40 Laufbahnberater. Natürlich hat sich die Arbeit in den letzten Jahren aber entwickelt und wir haben viele Fortbildungen gemacht, um die Beratung auf ein höheres Level zu bringen und sie zu professionalisieren.
Beate Pezold: Auch unsere Möglichkeiten sind vielfältiger geworden und wir suchen immer nach neuen Kooperationspartnern. Viele unserer Projekte haben sich über Jahre entwickelt und wir sind froh, dass wir den Sportlerinnen und Sportlern immer mehr neue Wege eröffnen können.
Gibt es den einen goldenen Ratschlag, den sie allen jungen Nachwuchs-Sportlerinnen und Sportlern geben?
Björn Rupprecht: Gute Frage. Vor allem ist es uns wichtig, dass sie bei sich sind und ihren Weg so gehen, wie sie es wollen. Bei all den Angeboten, die wir machen, ist entscheidend, was die Sportlerin oder der Sportler möchte. Unser Credo ist: Geh deinen Weg, so wie du ihn dir vorstellst. Wir beraten dabei gerne, wollen aber auch nichts aufdrücken. Jeder soll sich frei entfalten können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 23.03.2023, 18 Uhr