Unerwartetes Karriereende | Fußballer Vincent Rabiega - Vom Knie bezwungen
In der Jugend bei Hertha BSC und der polnischen Nationalauswahl, später bei RB Leipzig: Die Anfänge von Vincent Rabiegas Fußballkarriere sind vielversprechend. Doch immer wieder kommen die Verletzungen. Mit 25 ist Schluss. Von Lynn Kraemer
Er hätte es als Profi schaffen können, wenn da nicht das Knie gewesen wäre. Vincent Rabiega schmunzelt bei diesem Satz und ist zu höflich, die Augen zu verdrehen. Auf den ehemaligen Fußballer trifft der Satz zu. Sogar der Teil mit dem Profi. Doch der 27-Jährige war in seiner Karriere zu verletzungsanfällig.
Spätstarter im Verein
Fußball lernte der Berliner im Käfig mit Ascheplatz. Erst mit neuneinhalb Jahren fing Vincent Rabiega ernsthaft an, Fußball im Verein zu spielen. Dort war er sofort erfolgreich. "Egal in welcher Liga ich gespielt habe, habe ich zu den Besten gehört und dadurch malst du dir viel aus", so Rabiega. Er fuhr mit den polnischen U-Nationalmannschaften zu Turnieren und feierte mit Hertha BSC die deutsche Meisterschaft. Trotz häufiger Verletzungen spielte er oben mit.
Bei Hertha unterschrieb er in der Jugend seinen ersten Vertrag: "Ich wollte eigentlich nur Fußball spielen, und dann wurde mir dafür Geld angeboten. Da ist man das erste Mal so richtig aufgewacht und hat gemerkt, was Fußball bedeuten kann." Damals habe er das aber noch nach dem "Playstation-3-Prinzip" gesehen und ausgerechnet, wie lange es bis zur begehrten Konsole dauern würde. Dann wurde Fußball für lange Zeit sein fester Beruf.
Der Verletzungszyklus
Um es zum Profi zu schaffen, wechselte Vincent Rabiega in die U19 von RB Leipzig. "Mir wurde gesagt: 'Es wurden 200 Bundesligaspieler unter der Aufsicht von Frieder Schrof ausgebildet und ich werde der nächste sein.'" Schließlich bekam er die Chance und empfahl sich für die Profis. Nach einem überzeugenden Testspielauftritt durfte er mit ins Trainingslager. "Es lief wirklich super. Da dachte ich, dass ich es schaffe und der Schritt nicht mehr weit ist. Und dann kam der Klassiker: Ich habe mich wieder verletzt."
Was sich durch Rabiegas ganze Fußballkarriere zieht, sind die Verletzungen. Die Kleinigkeiten – angerissene Bänder - zählt er dabei gar nicht mehr mit. Sonst wäre die Liste noch länger. Bei Hertha zog er sich einen Mittelfußbruch zu, in Leipzig riss das Band und musste operiert werden. Dann kamen Rückenprobleme, für die niemand eine eindeutige Erklärung fand. "Nach dreieinhalb Monaten haben dann mein Physio und Tim Lobinger gesagt, dass wir einfach in den Schmerz reintrainieren. Wir haben alle Regeln ignoriert und nach zwei Monaten habe ich es geschafft, die Verletzung zu überwinden." Sein Stammplatz in der zweiten Mannschaft war danach weg. An die Profis nicht mehr zu denken: "Das war das erste Mal, dass ich nach so einem Hype, wo ich dachte, dass ich es schaffe, zurück ins Leben geworfen wurde und im Sommer gucken musste, dass ich einen neuen Verein finde."
Regionalliga zählt nicht
Vincent Rabiega versuchte es bei Bradford City. England schlug die deutsche Regionalliga. Doch auch dort wurde er schnell von verschiedenen Verletzungen ausgebremst. Nach einer einfachen Prellung konnte er beispielsweise nicht mehr richtig auftreten. "Und das waren Sachen, die nicht in meinen Kopf reingingen. Wie kann das nach einem Pferdekuss sein?" Sein ganzer Oberschenkel sei blau gewesen. "Wenn du drei Monate verletzt bist und merkst, dass du das auskurieren musst, ist es aushaltbar. Bei den anderen Sachen will man keine Pause machen", sagt Rabiega. Wieder wurde er zum falschen Zeitpunkt von seinem Körper rausgeworfen.
Mit 20 Jahren war er zurück in Berlin und der Regionalliga. Erst beim BFC Dynamo und zwei Jahre und einen Kreuzbandriss später bei Tennis Borussia Berlin. "Ich hatte immer den Drang, Profi zu werden. Und Profi heißt mindestens dritte, aber eher eine noch höhere Liga. Da war schon öfter der Gedanke, bis wohin ich mir das antue", sagt Vincent Rabiega. Den Abschied vom Fußball habe er aber immer wieder verschoben. Denn ohne seinen Sport hätte er zwar mit Fachabitur, aber ohne weitere Perspektive dagestanden. "Du wirst schnell davon geblendet, dass du doch noch eine Chance hast. Du gehst dem eigentlichen Problem, dass du es nicht geschafft hast, aus dem Weg."
Das Ende?
Irgendwann kam der Punkt, an dem sich der Körper des jungen Fußballers nicht mehr erholte. "Das erste Mal, dass es richtig Klick gemacht hat, war, als mein Meniskus wieder gerissen ist", sagt Rabiega. Er verbrachte sechs bis acht Stunden am Tag bei der Physiotherapie. Aber als er zurückkehrte, wollte das Knie immer noch nicht.
Mit dem schmerzenden Knie ist Rabiega nicht alleine. Im VBG-Sportreport, der die oberen zwei Profiligen erfasst, liegen Verletzungen des Kniegelenks mit 15,2 Prozent auf dem zweiten Platz hinter Oberschenkelverletzungen [Sportreport 2021, vbg.de].
Nach jeder Trainingseinheit habe er zwei bis drei Tage Pause gebraucht. Der Körper wollte nicht mehr. Mit 25 Jahren gab er offiziell sein Karriereende bekannt: "Da stehst du dann wirklich da und merkst: "Ich habe nichts. Gehst du zum Arbeitsamt? Was passiert jetzt?"
Die Angst vor dem Danach
Rabiega hatte Glück. Nach seinem Aus bei TeBe begann er eine Ausbildung im Groß- und Außenhandel beim besten Freund seines Vaters. Heute arbeitet er viel mit den Kunden in der Gastronomie zusammen. Die Arbeit mit Menschen liegt ihm. "Diese Stärke von mir kannte ich gar nicht, aber sie haben es gesehen", so Rabiega. Er sei dafür überdankbar: "Mittlerweile kann ich mir nichts Besseres vorstellen als das. Sonst würde ich den Fußball auch vermissen."
Einmal versuchte es Rabiega noch. Als er während der Ausbildung das Angebot bekam, für den BFC Preussen zu kicken und sich eine Perspektive als Trainer aufzubauen, nahm er an. Neben dem Platz lief es gut und Rabiega machte die B-Lizenz. Auf dem Platz sah es anders aus: "Ich habe nochmal versucht, als Spieler zu helfen, aber das war keine gute Idee, weil ich wieder nur verletzt war."
Im Mai 2022 stieß der Stürmer bei einem Spiel gegen den SV Schmöckwitz-Eichwalde unglücklich mit dem Torhüter zusammen. Rabiega blieb bewusstlos mit verschluckter Zunge auf dem Rasen liegen. Seine Mitspieler retteten ihm das Leben. Bei dem Aufprall zog sich Rabiega auch eine Schultereckgelenkssprengung fünften Grades zu: "Viele Sachen waren eklig, aber die Schulter hat mir den Rest gegeben."
Abkehr vom Fußball
Das Kapitel Fußball ist laut Rabiega endgültig vorbei. "Momentan ist es für mich sehr schwer, im Fußball gedanklich Fuß zu fassen. Es ist sehr deprimierend, wenn man ständig verletzt ist. Das hat mich komplett vom Fußball distanziert", so der 27-Jährige. Auch das Trainersein lässt er ruhen. Er vermisse die Tore und das Rumgelaber. "Auf dem Platz eine Ausstrahlung haben, hat mir am meisten Spaß gemacht. Jemand zu sein. Etwas auszustrahlen." Doch die Schmerzen ist ihm das nicht mehr wert.
Seinem Knie geht es aktuell gut. Im Fitnessstudio arbeitet Vincent Rabiega viel an seiner Beinmuskulatur. "Mir wurde so oder so gesagt, dass es mit 50 oder 60 Jahren auf ein künstliches Knie hinausläuft. Je früher ich es abnutze, desto eher ist es der Fall", so Rabiega. Ein künstliches Knie mit 30 Jahren stehe für ihn nicht zur Debatte.
Rückblickend würde der 27-Jährige aber nicht viel ändern. Vielleicht weniger feiern. Und sich mit einem Plan B beschäftigen: "Ich glaube, viele Fußballer haben Angst, ihre Karriere zu beenden, weil sie nicht wissen, was danach kommt." Dabei sei die Zeit dafür da: "Die meisten Tage bist du vielleicht drei Stunden auf dem Trainingsgelände, aber den Rest des Tages machst du nichts Produktives. Ich hatte immer den Gedanken, dass ich mir die Kraft aufspare, aber das ist eine Ausrede."
Sendung: rbb24, 20.03.2023, 21:45 Uhr