Nach der Auslosung - Das sind Unions Gegner in der Champions League
Mit Real Madrid, der SSC Napoli und Sporting Braga hat der 1. FC Union eine Traumgruppe in der Champions League gezogen. Die Fans erwarten zwei der fußballverrücktesten Städte Europas und das schönste Stadion im Wettbewerb. Von Till Oppermann
- In Real Madrid steckt eine gute Portion Berlin - wegen gleich zweier Stars
- Der SSC Neapel steht vor einer ungewissen Zukunft, weil der Klubbesitzer mit seinen absolutistischen Machtansprüchen Erfolgstrainer und Sportdirektor vergrault hat
- In Braga erwartet den 1. FC Union preisgekrönte Stadion-Architektur
"Ja so eisern wie Granit, so wie einst Real Madrid und so zogen wir in die Bundesliga ein und wir werden auch mal deutscher Meister sein." Dieses Lied haben die Union-Fans schon in der 3. Liga gesungen, aber dass sie 15 Jahre danach tatsächlich in der Champions League gegen Real Madrid spielen, hätte damals wohl nicht mal der betrunkenste Unioner prophezeiht.
Die größten Spiele der Vereinsgeschichte waren bisher die Pokalfinals 1968 und 2001, aber das Auswärtsspiel im Estadio Santiago Bernabeu kommt da schon nah heran. Mit 14 Titeln sind die Königlichen Rekordsieger der Champions League. Die weißen Trikots, Hosen und Stutzen inspirierten schon vor mehr als einem halben Jahrhundert den 1. FC Köln, genauso aufzulaufen.
Real gar nicht so weit von Union entfernt
Weltweit ist kein Verein bekannter. Den Grundstein für den Erfolg legte der ehemalige Real-Präsident Santiago Bernabeu in den 1940er-Jahren: Damals lebten Vereine von den Ticketeinnahmen. Deshalb plante er, mitten in der Madrider Innenstadt das größte Stadion der Welt zu bauen. Bis Union im 20. Januar 1966 gegründet wurde, feierte Real bereits fünf Europapokale der Landesmeister, der sechste folgte vier Monate später.
Reals aktuelle Mannschaft ist an manchen Stellen trotzdem nicht so weit von Köpenick entfernt, wie man es bei einem solchen Klub vielleicht denken würde. Innenverteidiger Antonio Rüdiger lernte das Fußballspielen immerhin bei Schwarz-Weiß Neukölln in Berlin, Toni Kroos ist der große Bruder von Aufstiegsheld Felix.
Schon im vergangenen Herbst hielt der Weltmeister Union für den "stärksten Bayernjäger". Auch wenn sich diese Prognose nicht als wahr erwiesen hat, Kroos wird seine Mitspieler vor Union und Urs Fischer warnen. Ein Punkt aus Hin- und Rückspiel wäre für Union schon ein Erfolg. Aber es gibt ja noch andere Gegner in der Gruppe C.
Fußballverrücktes Neapel
Wer aber denkt, dass die Spiele ohne Reals Beteiligung ein Selbstläufer werden, liegt falsch: Mit der SSC Napoli wartet die nächste Spitzenmannschaft. Im Mai wurden die Süditaliener zum ersten Mal seit 33 Jahren italienischer Meister und wahrscheinlich geht in der Stadt am Fuße des Vesuvs auch jetzt noch täglich der ein oder andere Feuerwerkskörper in die Luft, um das zu feiern.
In ganz Europa gibt es wohl keine Stadt, die derart verrückt nach Fußball ist wie Neapel. Das zeigt sich im ganzen Stadtbild: überall hängen die blau-weißen Vereinsfarben, viele Wände sind mit dem ewigen Helden Diego Maradona bemalt, der in Neapel einen gottgleichen Status genießt. Diese Folklore geht so weit, dass Straßenhändler für ein paar Euro leere Fläschchen mit Luft verkaufen, aber nicht irgendeiner Luft, sondern "der Luft, die Diego geatmet hat".
Dieselbe Luft atmen bald tausende Unioner, die sich mit dem Stadio San Paolo nicht nur auf eine der stimmungsvollsten Arenen in Italien freuen dürfen, sondern auch auf ein Napoli-Team, das im Sommer seine besten Offensivspieler halten konnte. Stürmer Victor Osimhen und Flügelspieler Kvicha Kvaratchelia gehörten in der vergangenen Saison unter ihren Trainer Luciano Spalletti zu den besten Spielern auf dem Kontinent, insbesondere der Georgier Kvaratchelia verzauberte die Fans so sehr, dass sie ihn schnell "Kvaradona" tauften. Eine größere Ehre gibt es in Neapel nicht.
Obwohl die beiden Offensivstars in Neapel geblieben sind, steht der Klub vor einer ungewissen Zukunft, denn Erfolgscoach Spalletti und Sportdirektor Cristiano Giuntoli haben Napoli verlassen. Ihr schwieriges Verhältnis zum Klubbesitzer Aurelio de Laurentiis war der Grund. Er regiert den SSC Neapel wie ein absolutistischer König und duldet auch sportlich keine Widerworte. Zum Vergleich: Bei Union wäre das so, wenn Urs Fischer und Oliver Ruhnert gleichzeitig gehen würden, weil Dirk Zingler die Aufstellung diktieren und vorschreiben will, welche Spieler gekauft werden. Auch gegen den neuen Trainer Rudi Garcia sind die Eisernen eher Außenseiter. Aber diese Rolle hat ihnen in den letzten Bundesligajahren ja auch ganz gut gefallen.
Die Altbekannten von Sporting Braga
Das außergewöhnlichste Stadion der Champions League hat womöglich Sporting Braga. Zwei riesige Tribünen geben Platz für 30.286 Zuschauer, hinter den Toren öffnet sich auf der einen Seite der weite Blick in die nordportugiesische Landschaft, auf der anderen Seite wird der Platz von einem zerklüfteteten Granitfelsen begrenzt. 80 Stahlseile überspannen das Feld und tragen die ausladenden Dächer. Architekt Eduardo Souto de Moura erhielt für den die Konstruktion den renommierten Pritzker-Architekturpreis.
Aber das weiß wahrscheinlich schon jeder Unioner, schließlich ging es schon im letzten Jahr in der Europa League gegen die Nordportugiesen. Nach einem unglücklichen 0:1 im Hinspiel siegten die Eisernen im Rückspiel nach einem Elfmeter von Robin Knoche. Und dass Union mittlerweile schon Vereine spielt, mit denen es bereits eine Geschichte im Europacup geht, sagt wohl sogar noch mehr über die Eiserne Entwicklung als die Spiele gegen Madrid.
Für alle Fans des englischen Fußballs, die in der Auslosung auf Spiele gegen den FC Arsenal hofften, ist Braga ein kleiner Trost. Ein Spitzname des Vereins lautet "Arsenalistas". Als der SC Braga 1921 gegründet wurde, spielte die Mannschaft noch in Grün-Weiß. Seit 1947 tragen die Spieler rot-weiße Trikots, die denen des FC Arsenal nachempfunden sind.
Die vierte Kraft im portugiesischen Fußball
Über den Grund des Farbwechsels gibt es zwei Theorien: Die erste besagt, dass der damalige Vereinspräsident José Antunes Guimarães auf einer Geschäftsreise nach London einen Sieg des englischen Vereins sah und seine Mannschaft deshalb ebenfalls in roten Trikots sehen wollte. Die andere Theorie macht den ungarischen Trainer József Szabó verantwortlich. Als großer Fan der spielstarken Arsenal-Mannschaft der 1940er-Jahre soll er die Taktik der Londoner mit nach Braga gebracht haben. Damit seine Mannschaft sich besser in das neue Spiel versetzen konnte, bat Szabó demnach den Präsidenten, die rot-weißen Trikots einzuführen. Hin oder her: In der ersten Saison in den neuen Farben wurde Braga Zweitligameister und schaffte den Sprung in die Primeira Liga.
Aus dieser ist Braga heute nicht mehr wegzudenken: Hinter Benfica und Sporting aus Lissabon und dem FC Porto ist Braga die vierte Kraft im portugiesischen Fußball, in der letzten Saison wurde die Mannschaft sogar Dritter. Weil Stars wie Al-Musrati und Ricardo Horta in Braga geblieben sind und Ex-Bundesligaspieler wie Bruma und Rodrigo Zalazar dazukamen, ist das Team in dieser Saison sogar noch besser. Aber das gilt auch für Union, weshalb die Köpenicker sich fest vornehmen sollten, beide Spiele gegen Braga zu gewinnen. Das wären dann wahrscheinlich genug Punkte, um mindestens als Gruppendritter international zu überwintern.
Sendung: rbb24, 01.09.2023, 18 Uhr