Kroate folgt auf Urs Fischer - Unions neuer Trainer Nenad Bjelica setzt auf Disziplin
Nenad Bjelica wird neuer Cheftrainer des 1. FC Union. Obwohl er als Trainer in Deutschland noch völlig unbekannt ist, trat er bei seiner Vorstellung selbstbewusst auf. Der Kroate setzt auf Disziplin und will dominanten Fußball spielen. Von Till Oppermann
Dirk Zingler brachte etwas unfreiwillig auf den Punkt, was wohl alle gedacht haben, die bei Unions Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Trainers Nenad Bjelica auf dem Podium saßen. "Es ist nicht angenehm, aber notwendig", sagte der Präsident und meinte eigentlich den Vorgang, überhaupt mitten in der Saison den Trainer zu wechseln.
Diesen kurzen Satz hätte er aber auch problemlos auf die 25 Minuten im Veranstaltungsraum 'Schlosserei' im Zentrum der Haupttribüne der Alten Försterei übertragen können. Zingler und Sport-Geschäftsführer Oliver Ruhnert wirkten nach der elftägigen Trainersuche sichtlich erschöpft. Und Bjelica musste spüren, dass in den vergangenen fünf Jahren auf seinem Stuhl der erfolgreichste Trainer der Union-Geschichte gesessen hatte. "Es ist keine leichte Herausforderung, auf Urs Fischer zu folgen", gab der Kroate zu.
Bjelica will Mannschaft disziplinieren
Fischer hatte Erfolg, dafür wurde er geliebt. Aber das ist nicht die ganze Geschichte: Die sympathische Schrulligkeit des begeisterten Hobbyanglers, der selbst auf einem Champions League-Platz noch schmunzelnd über das Saisonziel "Klassenerhalt" sprach, passte perfekt zum Underdog-Image, das viele Unioner gerne für sich beanspruchen. Urs Fischer war Union und Union war Urs Fischer. Nur galt das zuletzt nicht mehr für die Beziehung zwischen Trainer und Mannschaft. Fischer selbst kam zu dem Schluss, dass er die Spieler nicht mehr erreichte und wünschte sich seinen Abgang.
Deshalb stand bei der Suche nach einem neuen Trainer die menschliche Ebene im Vordergrund, wie Zingler erklärte. Trainer, die gut darin seien, taktische Formationen zu trainieren, gebe es viele. "Bei der Menschenführung trennt sich die Spreu vom Weizen", sagte Zingler. Welche Art der Menschenführung von Bjelica zu erwarten ist, machte der Kroate unmissverständlich klar. Bjelica erwartet Disziplin. Er möge Spieler, die auf dem Platz Leistung zeigen: "Wer das bringt, wird mein Freund. Wer nicht, wird Probleme haben." Die Mannschaft scheint diese klare Linie nach Ansicht der Vereinsführung zu brauchen.
Trainer spricht sechs Sprachen
Als Bjelica 2013 mit Austria Wien in den Champions League-Playoffs gegen Dinamo Zagreb spielte, klebte er die ganze Kabine mit Zeitungsartikeln voll. Die kroatische Presse unterschätzte Austria in den Artikeln, Bjelica wollte seine Mannschaft provozieren und es gelang: Austria besiegte den favorisierten Gegner und zog in die Gruppenphase ein. Als Bjelica Jahre später dann Trainer in Zagreb war, schrieb er ebenfalls Geschichte: Zum ersten Mal nach über 40 Jahren erreichte er mit Dinamo das Champions League-Achtelfinale.
Seine Qualität als Trainer hat der 52-Jährige bewiesen und fühlt sich jetzt bereit für den Schritt in die Liga, in der er als Spieler des 1. FC Kaiserslautern bereits einige Jahre verbrachte. Außerdem spricht Bjelica sechs Sprachen fließend: Bei Union kann er zum Beispiel mit Josip Juranovic auf Kroatisch, mit Brenden Aaronson auf Englisch, mit Leonardo Bonucci auf Italienisch und mit dem Großteil der Mannschaft auf Deutsch sprechen. In den Einzelgesprächen, die Bjelica mit jedem Spieler führen möchte, wird ihm das helfen.
Bjelica will dominant spielen
Auch sportlich. Denn ob in Österreich, Polen und Kroatien: Bjelicas Mannschaften galten meist als gut organisierte Teams, in denen die Aufgaben aller Spieler klar definiert waren. "Viel Struktur", nannte Ruhnert das in der Vorstellungsrunde. Gerade in diesem Punkt hat Union in dieser Saison große Probleme.
In diesem Sommer versuchten die Berliner, die Entwicklung von einer reagierenden zu einer agierenden Mannschaft zu schaffen, zum Beispiel durch mehr Ballbesitz. Das ging schief. Denn die defensive Ordnung, die Union in den letzten Jahren auszeichnete, ging verloren. Bessere Kommunikation wird entscheidend sein, um die alte Stärke wiederzufinden und die Mannschaft von einem neuen Weg zu überzeugen. "Wir wollen spielerisch dominieren", sagt Bjelica. Eine weitere Aussage, die man von Urs Fischer so wohl nicht gehört hätte.
Generell mangelt es dem Neuen nicht an Selbstvertrauen. Im Interview mit der österreichischen Fußballzeitschrift "Ballesterer" sagte Bjelica mal: "Der Trainer Bjelica wäre vom Spieler Bjelica begeistert gewesen." Auf die Frage, ob sein Start in den neuen Job mit Spielen gegen Bayern und Braga nicht zu hart wäre, antwortete Bjelica am Sonntag: "Es sind drei Punkte drin." Sollte sich dieses Selbstverständnis auf die Mannschaft übertragen, wäre für Union nach den letzten Wochen schon viel gewonnen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 26.11.23, 19:30 Uhr