Analyse | Herthas Pokal-Sieg gegen den HSV - Ein Abend, der bleibt

Do 07.12.23 | 09:06 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Die Spieler von Hertha BSC bejubeln den Sieg nach Elfmeterschießen im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen den Hamburger SV (Quelle: imago images/Beautiful Sports)
Video: rbb|24 | 07.12.2023 | DFB | Bild: imago images/Beautiful Sports

Hertha BSC und der Hamburger SV haben sich am Mittwochabend einen unglaublichen Schlagabtausch im Pokal geliefert. Dass die Berliner trotz mehrmaligen Rückstands als Sieger vom Platz gingen, lag an Herz, Mentalität, aber auch gutem Fußball. Von Marc Schwitzky

Normalerweise wird die Nachbetrachung der Spiele von Hertha BSC dazu genutzt, sie möglichst minutiös zu analysieren. Dabei geht es stets kritisch zu - zu kritisch, wie in der Kommentarspalte öfter mal zu vernehmen ist. Doch ein Fußballspiel ist manchmal auch einfach nur das, was man daraus nach dem Schlusspfiff macht.

Denn das, was Hertha am Mittwochabend gegen den Hamburger SV gezeigt hat, geht über Zahlen und Fakten hinaus. Es war ein Spiel, wie Fabian Reese nach Schlusspfiff sagte, das zeigt, "warum wir den Fußball lieben." Und wir haben den Fußball nicht anhand von Statistiken lieben gelernt.

Hertha zeigt Herz - und guten Fußball

Platz für kritische Analysen wäre zweifelsohne vorhanden. Dass Hertha am Mittwochabend nicht alles richtig gemacht und es an der miesen Chancenverwertung und mangelhafter Abwehrarbeit gekrankt hat, ist wohl unstrittig. Immer wieder fehlte der defensive Zugriff direkt vor dem Strafraum und Herthas Angriffsspiel im ersten Durchgang kannte bis auf wenige Momente einmal mehr nur den langen Ball auf Senkrechtstarter Reese.

Aber: Herthas Leistung am Mittwochabend verdient positive Erzählungen. Angefangen damit, dass sich Trainer Pal Dardai für eine mutige Startelf entschied und so eine Marschrichtung vorgab, die ihm viele nicht zugetraut hätten. Bereits im ersten Durchgang waren ein paar spielerische Akzente zu erkennen, wirklich erblühen sollte Herthas Offensive aber erst im zweiten, genauer ab der 60. Minute, als Bilal Hussein und Smail Prevljak für die blassen Deyvaisio Zeefuik und Tabakovic eingewechselt wurden und aus Hertha urplötzlich eine gut geölte Ballbesitzmaschine wurde.

Auf einmal zeigten die Berliner ansehnlichen, druckvollen Offensivfußball, der das Stadion anzündete und den HSV, der im Liga-Hinspiel noch mehrere Nummern zu groß war (der HSV gewann mit 3:0), ganz klein wirken ließ. Es war dieser Fußball, der Hertha den Glauben schenkte, trotz mehrmaligen Rückstands am Ende noch zu siegen. Plötzlich spielte die Mannschaft mit Herz und Überzeugung.

Reese und Jindaoui wachsen über sich hinaus

Reese, der bereits seit Wochen überlebensgroß wirkt, wuchs noch einmal über sich hinaus. Zwei Tore, eine Vorlage, mehr gewonnene Duelle als Schach-Genie Magnus Carlsen und die Laufleistung eines Forrest Gump. "Er hat die linke Seite auseinandergenommen", bescheinigte ihm Trainer Dardai nach dem Spiel.

Doch all die guten personellen Entscheidungen, taktischen Weiterentwicklungen und ein Reese zum Verlieben wären beinahe vergebens gewesen. In der 102. Spielminute fiel aus dem Nichts das 3:2 für den Hamburger SV, einmal mehr hatte die Abwehr das eingerissen, was die Mannschaft zuvor aufgebaut hatte. Und Hertha? Machte weiter. "Wir haben uns nicht aufgegeben, sind mutig geblieben und haben nie aufgehört", erklärte Sportdirektor Benjamin Weber nach dem Spiel.

Trotz der extremen Drucksituation und schwindender Kraft spielten die Blau-Weißen mit Verstand weiter. Und ein Spieler konnte gar nicht müde sein: Nader El-Jindaoui - "der Influencer". Was für viele einst als Marketing-Gag Herthas begann, mündete nun in einer ganz besonderen Geschichte: Jindaoui wurde in der 80. Minute eingewechselt und feierte damit sein Profi-Debüt - mit 27 Jahren. 40 Minuten später - im letzten Angriff des Spiels - leitetete er mit einer herausragenden Seitenverlagerung auf Reese, der anschließend Jonjoe Kenny bediente, das 3:3 ein. Wenig später verwandelte er seinen Elfmeter und schoss damit das erste Profitor seines Lebens.

Diese "Weißt du noch damals, als …?"-Spiele

"Das ist das Krasseste, was mir in meinem Leben passiert ist. Es war wie im Traum. Das ist mein Kindheitstraum, ich bin Berliner Junge. Es ist eine perfekte Geschichte", sagte Jindaoui nach dem Spiel, der nicht wie ein Social-Media-Star wirkte, sondern wie ein kleiner Junge, der den Fußball liebt. Auch allen anderen Beiwohnenden wird diese Pokalpartie in Erinnerung bleiben.

Es gibt so Spiele, die bleiben einfach im Gedächtnis. Diese "Weißt du noch damals, als …?"-Spiele. Hertha produzierte in den vergangenen Jahren nicht allzu viele von diesen Erinnerungen, zumindest nicht in positiver Hinsicht. Doch Partien wie die am Mittwochabend bleiben. Sie werden zu Geschichten, zu Legenden, zu Gründen, die man aufzählt, warum man Anhänger dieses Vereins ist. Fußball ist Theater, Fußball ist Storytelling - und Hertha hat mit dem 8:6 n.E. gegen den Hamburger SV ein dramaturgisches Meisterwerk auf die Bühne gebracht.

Das soll keine unkritische Schönmalerei sein, Hertha hätte das Spiel auch souveräner hinter sich bringen oder sogar verlieren können, doch ein Fußballspiel ist manchmal eben auch einfach nur das, was man nach dem Schlusspfiff daraus macht. Und in Jahren wird man sich nicht an die zahlreichen liegengelassenen Torchancen oder Defensiv-Patzer erinnern, sondern an das packende Elfmeterschießen, Reeses Energieleistung, den strahlenden Spätblüher Jindaoui, das 3:3 in letzter Sekunde und wie laut das Olympiastadion denn tatsächlich werden kann. "Der Support von den Rängen ist wie Benzin in den Adern. Dafür lebt man", philosophierte Reese nach Schlusspfiff. Diese Erinnerungen bleiben, alles andere verblasst.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.12.2023, 7:15 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

45 Kommentare

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  1. 45.

    Bei einem Ligaspiel wäre ein Unentschieden gegen den HSV in Ordnung gewesen. Und nach dem Pokalfight wurde weniger die spielerische Gesamtleistung als der Einsatz und der Wille der Mannschaft zurückzukommen gelobt, ebenso wurde von den Fans die Freude über den Sieg nach einem an Dramatik kaum zu überbietenden Spiel gefeiert. Das hat mit Überheblichkeit m.E. nichts zu tun.

  2. 44.

    Besser mal auf dem Boden bleiben. Da kommt wieder mal die Überheblichkeit so mancher Herthaner raus.
    Bei einem Ligaspiel wäre es nur 1 Punkt gewesen.
    Ob dann die Mannschaft auch so Hochgelobt worden wäre ?
    Im Elfmeterschießen gewinnt eben der Glücklichere.

  3. 43.

    Nein. Aber der Abstieg des Köpenicker FC rückt hoffentlich konstant näher.

  4. 42.

    Sorry, aus ihrem wirren Kommentar war jetzt nicht so richtig herauszulesen, was sie uns eigentlich mitteilen wollten. Außer, dass sie Union und Hertha nicht mögen.

  5. 40.

    Es ging nicht um Fans,sondern um Spieler.Beim Begriff Schläger.Wer lesen kann,ist klar im Vorteil.

  6. 39.

    Nein, natürlich gibt es beim Kult-FCU keine Schläger. Dort sind ausnahmslos alle Fans friedlich ;)

  7. 38.

    Nun, dass Sie den Köpenicker Fußballclub als "Kultklub dieser Erde" benennen, zeigt doch eindrücklich, dass das nicht vom Verein kommt, sondern eher doch von simpel Strukturierten aus Ruhleben.
    Im Gegensatz dazu, wurde dieser Charlottenburger Club ehemals von deren Chefetage als Big City Club benannt, dessen dümmlicher Höhepunkt darin bestand, das Prinzesschen B. sich darin versteifte, dass "ganz Berlin liebt die Hertha".
    Selbst nach dem 3.BuLi-Spieltag verlangen die Fans, des von Ihnen genannten "KultClub" nicht, die Trikots auszuziehen und Gewalt anzudrohen. Auch glaube ich nicht, dass sich in deren Reihen ein brutaler Schläger befindet.

  8. 37.

    Nun, dass Sie den Köpenicker Fußballclub als "Kultklub dieser Erde" benennen, zeigt doch eindrücklich, dass das nicht vom Verein kommt, sondern eher doch von simpel Strukturierten aus Ruhleben.
    Im Gegensatz dazu, wurde dieser Charlottenburger Club ehemals von deren Chefetage als Big City Club benannt, dessen dümmlicher Höhepunkt darin bestand, das Prinzesschen B. sich darin versteifte, dass "ganz Berlin liebt die Hertha".
    Selbst nach dem 3.BuLi-Spieltag verlangen die Fans, des von Ihnen genannten "KultClub" nicht, die Trikots auszuziehen und Gewalt anzudrohen. Auch glaube ich nicht, dass sich in deren Reihen ein brutaler Schläger befindet.

  9. 36.

    Von Saarbrückener SPIELERN hatte ich NICHTS geschrieben!
    Sie müssen schon richtig lesen und das Gelesene richtig interpretieren.
    Gute Nacht!

  10. 35.

    Ich hatte geschrieben: "Ja, ja - im großen FCU und auch in der Hertha steckt so viel Berlin-Personal wie Mathematik-Affinität in der Bevölkerung."
    D.h. nicht, dass keine Berliner beim FCU plus Hertha spielen!!
    Mein Gleichnis sollte nur andeuten, dass der Anteil von Berlinern in den Stammkadern...sehr gering ist. Gestern standen 5 Berliner von 16 eingesetzten Akteuren auf dem Platz. Ihnen bleibt es überlassen, diese "Rechnung" bei dem FCU-Kader im nächsten Spiel durchzuführen.
    Zur Herkunft der Saarbrückener Spieler hatte ich mich gar nicht geäußert! Der Hinweis auf die beiden bemerkenswerten Erfolge der Saarbrückener ist ehrlich gemeint und sollte ein ironisch gemeinter Hinweis darauf sein, dass außerhalb des schönsten Berlins auch Fußball gespielt wird.
    Übrigens interessiert mich Fußball NEBEN den wichtigen Dingen in der Welt.

  11. 34.

    Als NICHTINTERESSIERTER sollten Sie sich mit dem Hertha Personal mal näher beschäftigen. In der Startelf gestern Abend standen mit den Spielern Gechter, Dardai, Klemens und Scherhardt vier gebürtige Berliner. Dazu kamen mit El Jindanoui, Gestecke und Rölke, drei weitere auf der Bank!

  12. 33.

    Exzellente Antwort, Thomas! Rechnet man bei Saarbrücken die Spieler aus der Umgebung der Stadt noch dazu, dann sind es im Kader von Hertha BSC noch immer doppelt so viele Söhne der Stadt. Und ob der 1. FC Saarbrücken für manche Leute die Mannschaft der Stunde ist oder nicht, berührt mich wenig. Ich bin Herthafan, lebe in Berlin und habe keinen Bezug zu dieser Mannschaft. Natürlich eine tolle Geschichte für die Fans im fernen Saarland, aber ich freue mich hier über und mit Hertha.

  13. 31.

    Klar kommt as zum Derby, die eine Mannschaft bleibt wohl dies Saison wo sie ist, bei der Anderen ist der Weg auch klar: way down!
    Urs hätte das Ruder vielleicht noch rumreißen können, aber ….

  14. 30.

    Zitat: " Ich hoffe aber im Sinne der Fairness auch, dass der größte selbsternannte Kultklub dieser Erde..."
    Als an Hertha und Union Nichtinteressierter ist es für mich erheiternd, wie sich deren Anhänger so FAIR beharken.
    Ja, ja - im großen FCU und auch in der Hertha steckt so viel Berlin-Personal wie Mathematik-Affinität in der Bevölkerung.
    Übrigens wurde die Serie des FCU, über die Sie sich so freuen, vom "Dosenclub" eingeleitet. Dieser hat wenigstens einen Leipziger als Trainer.
    Ach so: DIE "Mannschaft der Stunde" spielt in SAARBRÜCKEN!
    Mit dieser können beide Hauptstadt-Clubs gerade nicht mithalten.

  15. 29.

    Glauben Sie ehrlich, dass der BCC777 wieder aufsteigt, dass zu einem "way mit Derby nächste Saison" kommt?

  16. 28.

    Nun mal nicht übertreiben und schön auf dem Boden bleiben. Gesichertes Mittelfeld ist realistisch, dann wurde es auch way mit Derby nächste Saison!

  17. 27.

    Ging mir genau so vorm TV

    Ich hoffe das gibt Auftrieb und Selbstvertrauen

  18. 26.

    Ein leidenschaftliches Spiel, dass eine leidenschaftliche Hertha glücklich gewann. Ein BCC 777 war nicht auf dem Platz. Wo gibt es diese Truppe eigentlich? Ich hoffe aber im Sinne der Fairness auch, dass der größte selbsternannte Kultklub dieser Erde (natürlich der Köpenicker FC) seine überragende Serie seit dem 3. BuLi-Spieltag am Wochenende fortsetzen kann ;-)

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