Beschlussvorlage für Klausurtagung - Grüne wollen früheren Braunkohleausstieg auch im Osten
Bis spätestens 2038 soll in Deutschland Schluss sein mit der Stromerzeugung durch die Verbrennung klimaschädlicher Kohle. Die Grünen machen Druck, den Ausstieg schon 2030 zu schaffen. In den ostdeutschen Braunkohleländern stößt das auf Widerstand.
Die Grünen-Fraktion im Bundestag peilt einen vorgezogenen Kohleausstieg auf 2030 auch im Osten des Landes an. In einer Beschlussvorlage für die Klausurtagung der Fraktion in der kommenden Woche heißt es, das sei ein "notwendiger Schritt, um die Klimaziele zu erreichen". Das hätte auch Folgen für die Lausitz.
Das ARD-Hauptstadtstudio und die "Süddeutsche Zeitung" [Bezahlinhalt] hatten zuerst darüber berichtet. Die Grünen-Fraktion trifft sich von Dienstag bis Donnerstag in Weimar.
Kellner: Im Interesse der Lausitz
Ein früherer Kohleausstieg mache nicht nur klimapolitisch Sinn, sondern bringe angesichts neuer Entwicklungen auch Planungs- und Investitionssicherheit für die Menschen und Regionen vor Ort, heißt es in dem Papier. Die Annahme, dass die Kohleverstromung bis zum Jahr 2038 wirtschaftlich sei, habe sich mittlerweile überholt.
Der Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums, Michael Kellner (Grüne), sagte rbb24 Brandenburg aktuell am Samstag, er sei davon überzeugt, dass ein früheres Kohle-Aus im Interesse der Lausitz sei. Kohle werde unwirtschaftlich und halte neue Investitionen in "grünen" Wassertstoff, erneuerbare Energien und moderne Gaskraftwerke auf, so Kellner. Das aber wolle man auf den Weg bringen, um bis 2030 eine Versorgungssicherheit auch ohne Kohle gewährleisten könne.
Woidke und Steinbach kritisieren Pläne der Grünen
Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, den Kohleausstieg "idealerweise" um acht Jahre auf 2030 vorzuziehen. Für das Rheinische Revier im Westen wurde das im Herbst bereits vereinbart. Das Vorziehen des Ausstiegs aus der Braunkohle im Osten sei der nächste Schritt, hatte Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge gesagt. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich dafür ausgesprochen, aber versichert, dass das im Konsens vereinbart werden müsse. Ob die Ampel-Partner SPD und FDP mitspielen, ist offen.
Es kam allerdings umgehend Widerstand aus Brandenburg: Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte der "Welt", man dürfe "den Ast nicht absägen, auf dem wir sitzen". Auch SPD-Fraktionsvize Detlef Müller äußerte Kritik: "Wir müssen bei den Zeitplänen für den Kohle-Ausstieg im Osten Deutschlands Wort halten", sagte er am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. "Immer wieder neue Fristen anzukündigen, sorgt für massive Verunsicherung bei den Menschen vor Ort."
Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) warnte bei rbb24 Brandenburg aktuell vor fehlenden Rahmenbedingungen: Um eine sichere Stromversorgung zu garantieren, müssten die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut und neue Gaskraftwerke gebaut werden, so der Landesminister. Auch sei die Frage der Bergbaufolgekosten bei einem früheren Ausstieg nicht geklärt.
Milliardenhilfen sollen früher gezahlt werden
Um den betroffenen Regionen etwa in der Lausitz beim Umbau zu helfen, wollen die Grünen laut "Süddeutscher Zeitung" Teile der für den Kohleausstieg vereinbarten Milliardenhilfen vorziehen und so unter anderem mehr Unternehmen ansiedeln.
Als Alternative zu den Braunkohlekraftwerken ist im Papier der Grünen-Fraktion die Rede von "Wasserstoff-ready Gaskraftwerken", also von Kraftwerken, die zunächst durch Gasverbrennung, später aber auch aus Wasserstoff Strom erzeugen können. Es sei absehbar, dass Ostdeutschland zur Erzeugerregion für grünen Wasserstoff werde. "Dort, wo heute noch Braunkohle verbrannt wird, kann die Erfahrung und Netzinfrastruktur genutzt werden. Dieser Einstieg sichert unzählige Arbeitsplätze im Kraftwerksbereich."
In Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, werden große Hoffnungen in der Energiewende gesetzt. Er könnte in Zukunft auch für die Herstellung von Strom genutzt werden. Derzeit ist der aus Ökostrom hergestellte Energieträger aber knapp und teuer.
In den betroffenen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird ein früherer Ausstieg kritisch gesehen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bezeichnete einen früheren Kohleausstieg am Samstag als "völlig illusorisch" - nicht zuletzt wegen des Wegfalls von russischem Pipeline-Gas im Zuge von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine.
Sendung: rbb24 Inforadio, 18.03.2023, 16:00 Uhr
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