Plauderbank in Fürstenwalde - "Wir verlieren in unserer Gesellschaft gerade einen Großteil an Empathie"

Mi 27.09.23 | 17:23 Uhr
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Zuhörer Fürstenwalde
Audio: Antenne Brandenburg | 27.09.2023 | Eva-Kirchner Rätsch | Bild: Eva Kirchner-Rätsch/rbb

Inflation, politische Entwicklungen, persönliche Ziele: Es gibt viele Themen, über die mit Freunden oder Familie gesprochen werden kann. Doch nicht alle Menschen haben jemanden zum Reden. Gert Becker bietet sich deshalb als Zuhörer an.

An der Rückenlehne einer der vielen Bänke auf dem Fürstenwalder Marktplatz hat Gert Becker ein Schild mit der Aufschrift "Ich höre zu" befestigt. Daneben steht eine Thermoskanne mit Kaffee, eine Flasche Wasser und Becher. Auf dieser Bank sitzt er jeden Dienstag und wartet auf "Leute, die jemanden brauchen, der ihnen zuhört", erklärte Becker dem rbb. Dabei sei ihm völlig egal, worüber die Menschen sprechen möchten, egal ob politische, gesellschaftliche oder künstlerische Themen.

"Es wird viel diskutiert, aber wenig zugehört"

Erst seit drei Wochen bietet der dreifache Familienvater seinen Service auf der Bank als Zuhörer an. Selbst wohnt er gar nicht in Fürstenwalde, betreibt dort aber eine Malschule und arbeitet als Gemeindereferent der Domnotkirche. Dem 55-jährigen Pädagogen ist gegenseitiges Zuhören wichtig, deshalb bietet er diesen ehrenamtlichen Service an: "Das merkt man in dieser Gesellschaft überall, dass viel diskutiert wird und viele Meinungen da sind. Aber es wird wenig zugehört und es wird wenig Verständnis gezeigt. Wir verlieren in unserer Gesellschaft gerade einen Großteil an Empathie."

Hier will Gert Becker ein Zeichen setzen. Zweieinhalb Stunden sitzt er auf seiner Bank. Viele Fürstenwalder laufen an ihm vorbei und schauen skeptisch. Andere bleiben kurz stehen und plaudern mit ihm. Eine Passantin sagte dem rbb, dass sie sich über das Angebot freue: "Ich finde es gut, dass er sich hierhin setzt und sagt, ich höre zu. Mehr als Zuhören kann man nicht. So eine Aktion sollte es öfter geben."

Plauderbankprojekte in Berlin

Ein ähnliches Angebot gibt es auch in Berlin, dass sich vor allem an ältere Menschen richtet. Im vergangenen Jahr hat der Verein Silbernetz im Wedding drei sogenannte Plauderbänke initiiert. Sie sollen Senioren mehr Möglichkeiten zum Plaudern geben. Auch das Netzwerk Nachbarschaft Wilmersdorf hat im vergangenen Jahr Plauderbänke ins Leben gerufen. Im Lichtenberg Fennpfuhl wurde dieses Jahr die erste Plauderbank errichtet. Jeden Mittwoch bietet sich ein Ehrenamtliche zum reden und zuhören an.

Sendung: Antenne Brandenburg, 27.09.2023, 15:40 Uhr

Mit Material von Eva Kirchner-Rätsch

6 Kommentare

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  1. 6.

    ???????
    Hier geht es um (einsame) Menschen, die vielleicht mal das Bedürfnis auf ein Gespräch haben, nicht mehr und nicht weniger.
    Du musst doch nicht hingehen....

  2. 5.

    Wurde gefragt, ob hier nicht Bedenken hinsichtlich Rechtsberatungdeinstleistung und Datenschutz sowie Verstoß gegen Treu und Glauben bestehen könnten? Der Landrat fordert wo für derartiges Agieren Legitimationen, die hier nicht ersichtlich sind. Zudem passiert alles vor dem Rathaus!

  3. 4.

    Finde ich richtig gut. Denn das Sozialverhalten lässt wirklich zu wünschen übrig.

  4. 3.

    Diesem Mann sollte man einen Orden verleihen. Er hat soooo recht, wenn er sagt, in dieser Gesellschaft wird viel diskutiert, jedoch niemand kann mehr zuhören.

  5. 2.

    Es erinnert mich ein bisschen an Forrest Gumb, nur umgekehrt. Das ist nicht abwertend oder lächerlich gemeint. Es gibt viele Menschen, denen einfach mal jemand fehlt zum quatschen und zwar ohne Altersbegrenzung. Auch von mir: Daumen hoch :-)

  6. 1.

    Mir geht das Herz auf, wenn ich das lese. Was für eine schöne Aktion: Danke Gerd Becker und allen anderen, die solche Plauderbankprojekte durchführen. Das ist genau die Empathie, die wahrscheinlich wirklich viele Menschen brauchen. Diese Idee ist einfach nur toll.

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