Salz und Goldalge im Fluss - Umweltminister Vogel warnt vor neuem Fischsterben in der Oder
Die Umweltkatastrophe in der Oder vor einem Jahr bereitet dem Brandenburger Umweltminister Vogel weiterhin Sorgen. Aktuell sind die Bedingungen ihm zufolge wieder so, dass es zu einem erneuten Fischsterben kommen könnte.
Der Brandenburger Umweltminister Axel Vogel (Grüne) hat vor einem erneuten Fischsterben in der Oder gewarnt. Die Oder habe aktuell um die 22 Grad, es sei jede Menge Salz im Fluss und die Goldalge sei nachgewiesen worden. Mehrere 10.000 Exemplare je Liter seien zu finden, so Vogel. Man müsse also damit rechnen, dass sich das Fischsterben jetzt wiederholen könnte, sagte er dem rbb am Montag. Hoffnung mache ihm, dass die Goldalge auf deutscher Seite noch nicht in diesem Maße aufgetreten sei.
Unter ähnlichen Bedingungen war vor knapp einem Jahr der halbe Fischbestand der Oder und seiner Zuflüsse verendet. Vogel war am Montag beim Probefischen in der Oder bei Schwedt (Uckermark). Hintergrund ist ein Monitoring zum aktuellen Fischbestand.
Vogel: Polen zünde Nebelkerzen
Vogel kritisierte außerdem die Infopolitik staatlicher polnischer Stellen. Noch immer stellten diese keinen Zusammenhang zwischen Salzeinleitung, Goldalge und dem Fischsterben her. Stattdessen würde Polen jetzt Nebelkerzen zünden und von einem Goldalgenstamm sprechen, der gar kein Salz zur Blüte bräuchte. Dieses Verhalten sei für Vogel beunruhigend. Und dass, obwohl Polen nach dem kürzlichen Fund einer halben Tonne toter Fische in Oder-Seiten-Kanälen einen Krisenstab einberufen hat. "Wir können jedenfalls nicht feststellen, dass sich an den Salzleitungen etwas geändert hat", kritisierte Vogel.
Es gebe viele Bemühungen die Oder nach dem Fischsterben im vergangenen Jahr zu renaturieren, sagte Vogel. Dafür zahle man Oderfischern auch in diesem Jahr Gelder, damit sie nicht so viel im Fluss fischen. So könne sich die Flora und Fauna an und im Fluss erholen.
Wenn aber weiter Salz von polnischen Bergbaubetrieben in den Fluss abgelassen würde, konterkariere das alle Bemühungen, die jetzt unternommen würden, um das Ökosystem im Fluss wieder herzustellen. Auch könne es nicht sein, dass man völlig im Dunklen gelassen werde, was sich im Oberlauf der Oder gerade entwickle.
Bundesumweltministerium hat auch keine offiziellen Infos
Auch das Bundesumweltministerium ist über das polnische Agieren nach dem jüngsten Fischsterben in Seitenkanälen im Nachbarland wenig angetan, denn offiziell seien die Vorfälle an Deutschland noch gar nicht gemeldet worden. Das teilte das Ministerium am Sonntag mit. Nach dem Internationalen Warn- und Alarmplan für die Oder gebe es Meldungen, wenn grenzüberschreitende Auswirkungen eintreten könnten. "Das entscheidet der Staat, der melden müsste", hieß es weiter.
Grenzüberschreitende Folgen seien für den Gewässerökologen Christian Wolter vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie nicht ausgeschlossen. In der vergangenen Woche sagte er dem rbb, dass die Fundorte in den polnischen Seitenkanälen der Oder ähnliche Orte waren, von denen im vergangenen Jahr das Fischsterben im Fluss ausgegangen war.
Vor einigen Tagen waren laut Woiwodschaft Opole im Gleiwitzer Kanal, der von der Oder abzweigt, sowie im nahen Kedzierzyn-Kanal insgesamt 450 Kilogramm toter Fische geborgen worden. In beiden Kanälen wurde bei Proben auch die giftige Goldalge nachgewiesen.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte sich wegen des neuen Fundes toter Fische besorgt geäußert. "Polen ist aufgefordert, die Einleitungen in die Oder zu reduzieren", teilte Lemke nach dem Bekanntwerden mit. Im April hatte sie gesagt, sie vermute, dass die polnische Bergbauindustrie für die Salzeinleitungen verantwortlich sei. Lemke wies darauf hin, dass die Zuständigkeiten vor allem bei Polen und den betroffenen Bundesländern liegen.
Einleitkataster für Oder gefordert
In diesem Zusammenhang verlangte Gregor Beyer, Umweltdezernent von Märkisch-Oderland, die Einführung eines Einleitungskatasters für die Oder. "Wir müssen wissen, was in der Oder ist und wir müssen mit der Republik Polen übereinkommen, dass diese Salzeinleitung aus Tagebauaktivitäten weitestgehend unterbunden werden", sagte Beyer dem rbb. Zudem sei ein System von Rückhaltebecken notwendig. Es dürfe nur zu Einleitungen kommen, wenn ein hoher Wasserstand in der Oder sei und die Wassertemperatur nicht so hoch.
Umweltminister Vogel erklärte, dass es teilweise Rückhaltebecken in Polen gebe, aber Brandenburg nicht wisse, wie diese gefüllt seien.
Umweltdezernent hebt auch leichte Verbesserungen hervor
Umweltdezernent Beyer betonte aber, dass sich die Zusammenarbeit mit polnischen Stellen auch verbessert habe. So habe sich ein Messsystem für das Flusswasser etabliert. Märkisch-Oderland könne nun früher reagieren und die Schotten der drei Überlaufwerke für das Oderbruch rechtzeitig schließen. Belastetes Wasser könne so nicht ins Oderbruch eindringen. Allerdings könne man die Schotten maximal eine Woche lang geschlossen halten, sonst herrsche irgendwann Sauerstoffarmut in den Oderbruch-Gewässern und es komme auf diese Art und Weise im Oderbruch zum Fischsterben, so Beyer.
Ähnliches könne man auch im Nationalpark Unteres Odertal tun, so Vogel. "Wir können das Schlimmste verhindern, aber wir können unmittelbar an der Oder nicht viel mehr tun, als dann wieder tote Fische aufzusammeln (...)", machte er klar.
Sendung: Antenne Brandenburg, 19.06.2023, 08:30 Uhr