Berlin-Lichtenberg - Neue Unterkunft für Geflüchtete stößt auf Anwohnerprotest

Mi 06.11.24 | 15:18 Uhr | Von Ann Kristin Schenten und Sebastian Schöbel
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City Hotel Berlin East, künftige Unterkunft für Flüchtlinge, Landsberger Allee in Berlin Lichtenberg am 29.08.2024. (Quelle: picture alliance/Schoening)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.11.2024 | Schenten, Ann Kristin | Bild: picture alliance/Schoening

Ab Montag sollen die ersten Geflüchteten in das ehemalige City Hotel Berlin East einziehen. Anwohner sind nicht begeistert. Bei einem Informationsabend wurde es lautstark. Von Ann Kristin Schenten und Sebastian Schöbel

Der Saal ist voll. Die Stimmung aufgeregt. Der Redebedarf groß. In vorderster Reihe steht ein Mann in schwarzer Lederjacke und spricht ins Mikro. Er sei vor zehn Jahren in den Kiez gezogen, eigentlich aus dem Westen, aber wohne gerne in Lichtenberg und engagiere sich in der Nachbarschaft. Er äußert scharfe Kritik: Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) und die Sozialverwaltung hätten Anwohner wie ihn einfach vor vollendete Tatsachen gestellt, sie hätten kein Wort mitreden können.

Bürgerbeteiligung nicht möglich

Martin Schaefer antwortet ruhig und betont, dass auch er keine Wahl hatte: "Es bleibt meine Position, dass ich den Standort für nicht geeignet halte. Wir sind in Lichtenberg schon stark belastet. Jetzt müssen wir aber was draus machen", sagt er rbb|24.

Aziz Bozkurt (SPD), Berlins Staatssekretär für Soziales, übernimmt die Verantwortung und spricht Klartext: "Ich muss Menschen, bevor sie obdachlos werden, unterbringen. Deswegen kann ich auch keine Beteiligung vorgaukeln, die gibt es an dieser Stelle nicht." Man brauche das Hotel, weil im "Ankunftszentrum" Tegel der Platz ausgehe und die Zustände nicht haltbar seien, erklärt er.

Bis zu 1.200 Menschen werden untergebracht

Ab dem 11. November sollen insgesamt 780 Geflüchtete im früheren Hotel in der Landsberger Allee einziehen, bis Sommer 2025 könnten es 1.200 werden. Den Anwesenden geht das größtenteils zu schnell. Die Veranstaltung am Dienstagabend ist die zweite ihrer Art, diesmal organisiert von der Senatsverwaltung für Soziales und dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF).

Dessen Pressesprecher Sascha Langenbach zeigt den Anwohnern, wie die Geflüchteten hier in Zukunft leben werden. Er betont, dass man die alte Hoteleinrichtung entfernt hätte: "Die Flüchtlinge werden hier nicht in Luxus-Suites leben." Stattdessen gibt es Stockbetten. Eine Person soll auf neun Quadratmetern leben können, zwei zusammen auf 15 Quadratmetern. Das sei deutlich besser als die aktuellen Zustände in Tegel, meint Langenbach.

"Das ist unfair den Anwohnern gegenüber"

Doch die Sorgen der Anwohner betreffen vor allem das zukünftige Zusammenleben: "Ich befürchte, dass der Bezirk überlastet wird. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind es schon. Es gibt auch jetzt schon nicht genug Ärzte und Kita- und Schulplätze", erzählt eine Nachbarin dem rbb. Ein anderer Anwohner meint: "Ich frage mich, wie man organisiert, dass die Bürger nichts von ihrer Lebensqualität und Freiheit einbüßen. Aber mir wurde keine Lösung geboten, es waren nur Durchhalteparolen."

Ein paar Fragen werden an diesem Abend aber doch beantwortet. Zum Beispiel die nach Sicherheit. Ein privater Sicherheitsdienst arbeitet bald in der Unterkunft und soll auch die Geflüchteten selbst vor Angriffen schützen soll. Außerdem können sich Anwohner im Laufe der nächsten Monate ehrenamtlich einbringen. Ab Sommer 2025 übernimmt ein sozialer Dienstleister den Betrieb.

Im Hotel soll es auch eine Schule für schulpflichtige Kinder geben. Dieser Punkt sorgte für weitere Diskussionen: "Wie kann man die Kinder hier im Haus beschulen und Integration erwarten? Das funktioniert überhaupt nicht. Und auf die Anwohner zu setzen, die man bisher im Stich gelassen hat, ist einfach unfair den Anwohnern gegenüber", ärgert sich eine Lichtenbergerin.

Unterkünfte in Tegel und Tempelhof sollen schnell aufgelöst werden

Der Streit um die neue Großunterkunft in Lichtenberg steht sinnbildlich für das politische Gezerre um die Unterbringung von Geflüchteten in ganz Berlin. Immobilien wie das ehemalige Hotel an der Landsberger Allee gelten vor allem für SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe als einzige Möglichkeit, die Massenunterkünfte in Tegel und Tempelhof möglichst schnell aufzulösen.

Denn in Containern und Zelten sei die Integration der Menschen kaum möglich. Auf der anderen Seite steht Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der in den wachsenden Zelt- und Containerdörfern die einzige Möglichkeit sieht, schnell viele Menschen unterzubringen, ohne zahlreiche Kieze und deren Aufnahmekapazitäten zu überlasten.

Gleichzeitig dürften die Großunterkünfte wohl auch eine abschreckende Wirkung für weitere Migranten entfalten, so die Hoffnung – ähnlich wie die geplante Bezahlkarte, in der Wegner ein Mittel zur Reduzierung der Zuwanderung sieht, was Kiziltepe als unwirksam und unsozial ablehnt.

Längst wird dieser Dissens nicht mehr nur hinter verschlossenen Türen ausgetragen: Denn zur angespannten Unterbringungssituation ist nun auch die Berliner Finanzlage als Problem dazugekommen. Drei Milliarden Euro müssen im kommenden Jahr eingespart werden. Anfang Oktober verhängte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) sogar einen Ausgabenstopp für das kommende Jahr: Neue kostspielige Verträge sind damit erstmal tabu.

Was das für Berlins Flüchtlingsunterkünfte bedeutet, wollte Kiziltepe in einem Schreiben an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses deutlich machen: So müssten dringend, noch in diesem Jahr, die Verträge für fast 3.000 Plätze in Hotels und Hostels verlängert werden, und am besten noch weitere 2.000 Plätze dazugebucht werden. Denn die würden gebraucht, um einerseits die Massenunterkunft in Tegel Schritt für Schritt zu entlasten, und andererseits um eine Zwischenlösung zu haben, bis weitere Unterkünfte gebaut sind. Rund 9.000 weitere Plätze seien schon in Planung – und auch für die müssten die entsprechenden Verträge dringend noch in diesem Jahr unterschrieben werden, so die Sozialsenatorin.

Konflikt zwischen Kiziltepe und Wegner

Doch die Senatskanzlei von Wegner zog das von Kiziltepe persönlich signierte Papier zurück: Es sei "noch nicht mit allen senatsseitig Beteiligten abgestimmt". Der Vorgang landete umgehend in der Presse, die Senatskanzlei sprach vieldeutig von einem "Büroversehen" der SPD-Sozialsenatorin. Für manche in der Koalition, auch bei der SPD, stand Kiziltepe blamiert da.

Kiziltepe wiederum könnte das "Büroversehen" ihrer Verwaltung, sofern es überhaupt eines war, möglicherweise aber auch in die Karten spielen: Wie dringend die Vertragsverlängerung für etliche Unterbringungsplätze ist, wissen Parlament und Berliner Öffentlichkeit nun. Das hässliche Szenario mit hunderten Geflüchteten, die mitten im Winter in überfüllte Tegeler Leichtbauhallen ziehen müssen, ist in der Welt – und zumindest Kiziltepe kann für sich reklamieren, frühzeitig davor gewarnt zu haben. Im Streit mit Wegner über die Vergrößerung der Massenunterkünfte dürfte das Schreiben allerdings kaum für Annäherung gesorgt haben.

Bei der Lichtenberger Infoveranstaltung ist am Ende Frustration das Stichwort des Abends. Zufrieden verlässt hier niemand den Saal. Das ändert aber nichts daran, dass in wenigen Tagen eingezogen wird. Es sind vor allem Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, später sollen auch Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern folgen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 6.11.2024, 13:27 Uhr

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Beitrag von Ann Kristin Schenten und Sebastian Schöbel

38 Kommentare

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  1. 38.

    wieso sollen 5000 Polen flüchten "müssen"?
    unseren rechtsnationalen nachbarn geht es gut, sie bekommen millionen an zuschüssen von der EU und weigern sich, sich solidarisch zu verhalten (Stichwort: Visegrád-Gruppe).

    und fangen sie mir jetzt nicht mit dem märchen an, dass der böse russe kommendes jahr in europa einmarschiert!!!

  2. 37.

    Was erwarten ie Leute. Wenn man erst jeden Anwohner fragt würde nirgendetwas passieren weil wer mag schon Veränderungen.
    Klar müssen die Leute erstmal wohin.

    Mittlerweile ist es der Politik ja zum Glück bewusst das wir mit Gästen die Plätze für Leute aufbrauchen die wirklich Asyl brauchen.
    Noch ging es gut mit den Ukrainer. Aber was ist wenn plötzlich noch 5 Millionen Polen flüchten müssen. Dann können wir unseren Nachbarn nicht helfen weil wir dafür gesorgt haben das arme Länder entvölkert und ihrer jungen Generationen beraubt sind.

    Wie soll etwas jemals besser werden dort wo die Leute flüchten wenn wir alle jungen arbeitsfähig Männer aufnehmen?
    Damit fördern wir nur die abwärtsspriale.
    Und am Ende haben wir kein Platz mehr für die die wirklich Hilfe brauchen und sie als erste bei ihren Nachbarn finden sollten

  3. 35.

    Ich bin dabei. Statt weit über 2000€ für Schwiegervater zuzuzahlen (Pflegegrad 4), liefere ich ihn gern dort ab. Spart Geld und weite Wege, dann kann ich wieder voll arbeiten und noch mehr Steuern für noch mehr "Gäste" bezahlen.
    Warum wurde eigentlich das Flüchtlingsheim in Wohnortnähe der Senatorin geschlossen???

  4. 31.

    Was gibt es den Menschen, die dort eine Bleibe finden (sollen/wollen), denn zu neiden, damit man sich berufen fühlt, zu protestieren? Manche gönnen Mitmenschen ja noch nicht Mal den Dreck unter Fingernägeln... Euch geht's allen noch viel zu gut. Lasst die Menschen doch dort wohnen. Euer Leben wird dadurch nicht schlechter. Mein Gott...

  5. 30.

    Entschuldigung fast ganz Berlin hat den Aufschrei des Pflegpersonals Löhne Corona mitgetragen, aber die Auswirkungen nicht bedacht wie es scheint, aber das Problem deren stetigen Lohnerhöhungen. Das viele nicht allzu weit denken wollen oder Können, aber im nach hinein jetzt vor dem Dilemma stehen "Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld, wer hat so viel pinke so viel Geld" 1960 altes Lied

  6. 28.

    Ich bin ebenfalls von hier. In den Discountern sind schon jetzt zu bestimmten Zeiten die Obst- und Gemüse-Regale leergefegt.
    Zudem werden hier im Kiez gerade auch noch 3000-4000 Wohnungen gebaut. Die Infrastruktur kommt aber nicht im gleichen Maße nach und wer sich mal mit der riesigen Baustelle auf der Landsberger Allee auseinandergesetzt hat, die noch bis 2030 besteht, fragt sich was aus dieser Gegend werden soll.

  7. 27.

    Bei allem Verständnis- wann ist Schluss damit? Wenn das Adlon voll ist oder Messehallen? Es geht nicht unendlich auf Kosten unserer Bürger, wir werden die Welt nicht retten in Berlin. Dachte die CDU sieht klarer

  8. 25.

    Obdachlose müssen sich noch mehr ausgegrenzt und verachtet fühlen, wenn die von diesem riesen Projekt hören und für sie selbst werden selbst im Winter kaum Übernachtungsmöglichkeiten errichtet.

    Es wird immer über diese gigantische Hotelunterkunft eschrieben - was gleichzeitig mit erwähnt werden müsste, ist, wie viele Geflüchtete im Umkreis von ca. 3km untergebracht sind. Ich glaube, es gibt keine Gegend, die auf diesem engen Raum auch nur annähernd so geballt die Unterkünfte hat (außer Tegel, aber dort ist es ja eine Massenunterkunft).
    Auch wenn es die Bezirke Prenzlauer Berg, Lichtenberg und Alt-Hohenschönhausen betrifft, sind die Unterkünfte dennoch jeweils an den Bezirksgrenzen und dicht geballt. Ich wohne hier und weiß, wo von ich schreibe.
    Diese ganze Gegend wird in den nächsten Jahren ächzen, da es weder genug Schulen, Kitas, Einkaufsmöglichkeiten noch sonstige Infrastruktur gibt. Auch nicht näher drumherum. Ich weiß nicht, wie man das Problem lösen will.

  9. 24.

    Außengrenzen schützen heißt erstmal nur genau das. Und wenn die Leute merken, dass sie nicht reinkommen bzw. sofort danach zurück zum Ausgangspunkt gebracht werden, dann wird sich auch kaum noch jemand auf den Weg machen und dementsprechend auch nicht ertrinken. Das es funktioniert, hat Australien bereits bewiesen. Man müsste natürlich parallel trotzdem eine Möglichkeit der legalen Migration und Anlaufstellen für Asylsuchende schaffen, damit diese nicht die Leidtragenden bei der ganzen Sache werden.

  10. 23.

    Ganz zum Anfang, als es mit dem Hotel begann, wurde von 3000 Personen berichtet. ?????. Was stimmt nun ?
    Es ist doch super für die Hotelbetreiber,deren Hotel nur Miese macht. Berlin fragen. Berlin zahlt viel und sagt ohne zu überlegen, ja ! Schöner Mist ! Wie immer, erst machen und danach überlegen. Typisch.
    Bin für Neuwahlen.

  11. 22.

    Diese Idee finde ich gut, ich bin nicht rechts. Allerdings sollten wir uns hier im Klaren darüber sein, dass die weltweiten Völkerwanderungen im Zuge des Klimawandels noch größer werden und die Frage ist, wer hat das Recht auf welchen Grund und Boden und was soll mit den Menschen geschehen? Wir müssen die EU Außengrenzen schützen heißt was, dass sie im Meer ertrinken?

  12. 21.

    Finde ich auch. Auf den Geländen der Kulturbrauerei, dem Pfefferberg oder im Bethanien ist genug Platz.

  13. 20.

    Und dieser Vorschlag war gut durchdacht, wäre von den Anwohnern von vornherein akzeptiert und hätte unserer Stadt endlich mal Pluspunkte gebracht. Aber nein - das war wohl nicht gewollt, wobei ich nie verstehen werde, warum man sich senatsseitig ständig um bessere Wohnverhältnisse für Flüchtlinge bemüht, die eigenen Bürger aber hängen lässt. Um Irrtümern entgegenzutreten: Ich bin grundsätzlich dafür, Schutzbedürftigen zu helfen. Wenn dabei aber das eigene Volk vergessen wird, dann ist das zukunftsbezogen sehr bedenklich. Wenn ein Bus voll ist, passt niemand mehr rein - das ist auch bei unserer Stadt erreicht.

  14. 19.

    Toll wenn Straftäter Präsidenten werden können. Das macht die momentane Entwicklung in Politik und Machtkampf nur verständlicher. Sieht man in der einheimischen Politik zur genüge.

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