Interview | Ernährung und Inflation - "Viele fragen, ob die Preissteigerungen im Supermarkt rechtens sind"

Mi 05.10.22 | 07:01 Uhr
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Symbolbild: Eine ältere Frau geht am 06.02.2016 in einem Supermarkt in Berlin einkaufen. (Quelle: dpa/Silvia Marks)
Bild: dpa/Silvia Marks

Angesichts steigender Lebensmittelpreise sparen viele Bürger hier beim Einkauf, nicht zuletzt auch bei Bioprodukten. Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin fordert ein Gegensteuern der Politik - und gibt Tipps für nachhaltige Einkäufe.

rbb|24: Mit welchen Anfragen richten sich Konsument:innen derzeit an die Verbraucherzentrale Berlin?

Britta Schautz: Schon zu Beginn der Preissteigerungen haben wir immer wieder die Anfragen bekommen, ob es rechtens ist, dass die Preise so hoch sind. Viele sind verunsichert und fragen, ob die Supermärkte da sauber arbeiten oder ob die ihre Preise zu stark erhöhen. Wir haben auch viele Hinweise auf versteckte Preiserhöhungen von Produkten bekommen. Da die meisten jetzt mehr auf jeden Cent achten, haben sie eben mitbekommen, dass die Füllmengen weniger wurden, die Preise aber gleichgeblieben sind.

Wie sehr sind die Lebensmittelpreise gestiegen?

Die letzten Zahlen haben wir aus dem August. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Preise um 16,6 Prozent gestiegen. Das ist schon eine ganze Menge. Der Spitzenreiter ist die Gruppe Speisefette und Speiseöle mit mehr als 44 Prozent Preisanstieg. Gleich gefolgt von Molkereiprodukten und Eiern, da haben wir einen Anstieg von 27 Prozent.

Zu spüren bekommen die Preissteigerungen vor allem Geringverdiener:innen. Wie ist da noch eine gesunde Ernährung möglich?

Ja, diese Gruppe ist besonders stark betroffen, und wir erhalten viele Anfragen aus dieser Richtung diesbezüglich.

Die Verbraucher:innen wollen aber vor allem wissen, woran das liegt: Wie sich die Preise genau zusammensetzen. Genau können wir das leider nicht sagen. Ganz transparent ist die Preisgestaltung bei Lebensmitteln nicht. Wir können höchstens schauen: Sind die Margarine oder der Frischkäse jetzt gerade billiger als die Butter? Aber das wollen viele gar nicht hören.

Inwieweit hat sich dadurch auch das Kaufverhalten verändert?

Wir wissen von Befragungen, dass die Menschen jetzt beim Lebensmitteleinkauf sparen. Wir sehen vor allem, dass in diesem Jahr Bioprodukte weniger gekauft wurden als im Vergleich zum Vorjahr. Im März gab es einen Rückgang von 18 Prozent und der wird vermutlich bis Ende des Jahres noch steigen. Einfach weil da der Preis wichtiger ist als Nachhaltigkeitskriterien oder der Geschmack.

Wie können wir alle denn trotzdem beim Lebensmitteleinkauf sparen?

Was immer hilft ist, sich einen genauen Plan zu machen. Zu wissen, was habe ich da, was brauche ich und dann auch nur gezielt das Kaufen. Gerade die Impulskäufe im Supermarkt sind sehr teuer und manchmal landen diese Einkäufe dann auch im Mülleimer. Niemals hungrig einkaufen gehen. Bei langhaltbaren Lebensmitteln, wie Kaffee, lohnt es sich auf gute Angebote zu warten. Ansonsten sich nicht von roten Preisschildern verführen lassen. Das bedeutet nämlich nicht immer, dass die Produkte auch günstiger sind

Und wo noch gespart werden kann, ist auf dem Wochenmarkt. Hier ist das Timing wichtig. Am Ende des Tages, wenn die Händlerinnen und Händler die Kisten schon einpacken, lassen sich gute Schnäppchen machen.

Was fordern Sie als Verbraucherzentrale von der Politik?

Wir fordern, dass vor allem das Bundeskartellamt weiter ein Auge auf die Preissteigerungen hat und genau schaut, ob die höheren Preise gerechtfertigt sind. Außerdem muss die Politik Geringverdiener gezielter unterstützen. Aus Untersuchungen wissen wir, dass die Harz-IV-Regelsätze gar nicht ausreichen, um sich gesund zu ernähren. Das gilt aber auch zum Beispiel für Student:innen. Hier muss es gezielte Förderungen geben.

Dann ist es zwar so, dass die Grundschüler:innen von Klasse 1 bis 6 eine Förderung zum gesunden Mittagessen bekommen - das sollte auch für ältere Schüler:innen möglich sein oder auch für Menschen in Unternehmen, die in der Kantine essen. Was allen zugute kommen würde, wäre eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Raphael Knop, rbb|24.

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46 Kommentare

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  1. 46.

    Der "Radfahrer" und "KlausBaerbel" stören sich an sechsmal ":innen" und einmal "Händlerinnen" im Text, was ja nun wirklich den Informationsgehalt weit nach hinten drängt - und mal gesagt werden musste!!!!!!

  2. 45.

    Diese Bürgerinnen und Bürger sind mündig. Für sie steht an erster Stelle Spontanität, Individualität und Bequemlichkeit. Wer das als ein hauptsächliches Lebensmotto hat, die oder der ist nicht unmündig.
    Und es gibt auch Menschen die auf der Arbeit und im Privatleben geistig und/oder körperlich sehr viel zu tun haben. Die haben keine Ruhe nach Sonderangeboten und der billigsten Tankstelle zu sehen.
    In Deutschland neigt man viel zu sehr dazu abweichende Auffassungen und Meinungen als negativ zu bewerten.
    Selbstverständlich sollte man so viel wie möglich von hergestellten Lebensmitteln verwerten, sich gesund ernähren, nicht rauchen und übermäßig Alkohol trinken. Das entscheiden mündige Bürgerinnen und Bürger aber selbst.

  3. 44.

    Liebe Andrea, ja 51% sind weiblich aber 51% der Bürger wollen nicht gendern sondern nur eine kleine Minderheit.
    Die Mehrheit lehnt dies ab.....und das ist auch gut so!
    Nice day :-)

  4. 43.

    Zitat: "Man wundert sich, wie der rbb den mündigen Bürger einschätzt. Als Kleinkind?"

    Darüber wundern nur Sie sich. Denn nicht rbb24, sondern die interviewte Britta Schautz von der Verbraucherzentrale hat u. a. diesen Tipp gegeben, der gar nicht mal so doof ist, wie Sie ihn hier hinzustellen versuchen. Denn dass Kunden wohl auch diesem Grund viel mehr einkaufen als sie tatsächlich benötigen, sieht man an der Lebensmittel-Wegwerfstatistik. Das hat nichts mit einem von Ihnen unterstellten Degradieren mündiger Bürger zu tun.

  5. 42.

    Vollkommen richtig

    Mann muss sich nur die Supermarktkassen und das überwiegend vorhandene Produktportfolio der Supermärkte ansehen.

    Ich staune ja immer wieder, dass nun angeprangert wird, man könnte sich nicht mehr gesund ernähren.

    Gesund ernährt haben sich sicherlich die wenigsten Mitbürger.

    Bei “gesund“ wird durch die Unwissenden an BIO gedacht.

    Unbehandelte Lebensmittelnsibd gesund.

    Schmecken aber vielen nicht und es muss leider selbst gekocht werden, nicht TK-Ware.

  6. 41.

    Zitat: "Und man stirbt auch nicht daran, Angebote und Hausmarken zu kaufen."

    Zumal die Eigenmarken sehr häufig vom gleichen Band wie die Markenprodukte gelaufen sind, und nur eine andere Banderole verpasst bekamen. Und wenn man ein Produkt mit einem deutlich sichtbaren %-Sticker aufs Laufband legt, muss man sich nun wirklich nicht schämen. Im Gegenteil: Ich find's gut, wenn Produkte die kurz vor Ablauf des MDH stehen gekauft werden, sodass diese nicht im Container landen.

  7. 40.

    Das ist nun einmal die freie Marktwirtschaft. Das Gegenteil mit festgesetzten Preisen wäre Planwirtschaft…..die gab es in der DDR!

  8. 38.

    Na bei Fleisch fallen mir gleich Antibiotika ein, die die Tiere bei Stallhaltung bekommen und auch beim Menschen nachweislich Antibiotikaresistenzen hervorrufen. Bei Obst und Gemüse (zumindest aus der EU) würde ich mitgehen, da wir ja diverse Verbote bzw Grenzwerte für Pestizide haben. Ne Mango, Ananas etc würde ich aber immer in Bio kaufen, da sinnloser Weise auf Importobst/Gemüse eben keine Beschränkungen vorliegen. Dementsprechend vergiftet man sich peux á peux selbst....
    Also Augen auf beim Grünzeug -Einkauf ;)

  9. 36.

    "Man wundert sich, wie der rbb den mündigen Bürger einschätzt."
    Ich fürchte, der rbb schätzt den Bürger richtig ein. Kaum jemand in meinem Bekannten- oder Kollegenkreis macht sich Einkaufszettel, sieht sich vor dem Einkauf die Angebote der Woche an oder macht sich einen Speiseplan für die Woche. Alles Maßnahmen, die enorm dazu beitragen, Geld beim Lebensmitteleinkauf zu sparen. Nicht ohne Grund sagt man, dass ein Drittel der Lebensmittel in Deutschlad in der Tonne landen. Es gibt viele viele unmündige Bürger!

  10. 35.

    "Sie haben völlig Recht, aber auch eine kleine Minderheit hat ihre Rechte!"
    Was meinen Sie mit Minderheit? Im Jahre 2022 sind 51% der Bevölkerung weiblich. Das würde ich nicht eine Minderheit nennen...

  11. 34.

    Die Idee mit der gestaffelten MwSt klingt interessant, vorab sollte jedoch der Nutri-Score frei von Lobbyismus überarbeitet werden.

    @Lothar
    "Klopapier ein heftiger Aufschlag im Preis getätigt wird, ist das schon nicht mehr auszuhalten"
    Jaja, die Deutschen und ihr Klopapier ^^ Schon vergessen oder gar nicht gewusst? Hakle musste aufgrund stark gestiegener Rohstoff- und Energiekosten Insolvenz anmelden.
    Oder Satire? Dann war die richtig gut :)

  12. 33.

    Preissteigerung von 10% ggü. dem Vorjahr?? Das ich nicht lache.
    Wo denn?? Alles ist fast doppelt so teuer wie im letzten Jahr. Wer stellt den diese These auf?
    Und wer glaubt was die Politik uns hier erzählt?

  13. 32.

    https://www.dge.de/fileadmin/public/doc/fm/10-Regeln-der-DGE.pdf

    Die 10 günstigen Regeln der DGE lauten:

    1. Lebensmittelvielfalt genießen -------Linsen, Reis, Nudeln, Kartoffeln undundund----- eher billig
    2. Gemüse und Obst - nimm "5 am Tag" - ------eher billig------
    3. Vollkorn wählen ----- Keine "hellen" Brötchen/Brot u. a. ------
    4. Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl (beachte) ergänzen ----- Fleisch, Käse - eher wenig Wurst
    5. Gesundheitsfördernde Fette nutzen ----- ungesättigte Fettsäuren ------
    6. Zucker und Salz einsparen ------- Fastfood, verarbeitete Produkte, Süßigkeiten am besten weglassen--------
    7. Am besten Wasser trinken ------ wenig Säfte, Limo/Cola, RedBull & Co,. weglassen -------
    8. Schonend zubereiten ------- Kein Fastfood --------
    9. Achtsam essen und genießen ------- Nicht vor dem Fernseher, Computer --------
    10. Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben ------- Waage kaufen, Sport treiben --------

    Entlastet auch die Krankenkassen.

  14. 30.

    "Außerdem muss die Politik Geringverdiener gezielter unterstützen." Irgendwann wird sich Qualifizierung in der Arbeitswelt nicht mehr lohnen. Im nächsten Schritt dann die Teilhabe an der Arbeitswelt.

  15. 29.

    Es wird immer wieder das gleiche Thema aufgelegt und alle hüpfen brav über das hingehaltene Stöckchen.
    Na gut, dann auch von mir zum 12.tem Mal.
    "Die Mehrwertsteuer auf alle lebensnotwendigen Waren ist zu streichen und dazu zählt auch Kraftstoff, um in Flächenländern die lebensnotwendige Mobilität zu gewährleisten. Auf Lebensmittel eine Mehrwertsteuer zu erheben ist schizophren."

  16. 28.

    Wenn sogar aufs Klopapier ein heftiger Aufschlag im Preis getätigt wird, ist das schon nicht mehr auszuhalten. Und ich finde es durch die Bank weg einfach unverschämt wie über den Köpfen der Kunden die Preise immer weiter in die Höhe gehen.

  17. 27.

    Da protestieren und boykottieren Sie mal schön alleine. Man könnte allerdings die Mehrwertsteuer an die "Lebensmittelampel" koppeln. Je schlechter der Wert, desto höher die Mehrwertsteuer. Diese "Über-Einnahmen" der Mehrwertsteuer könnten dann direkt ins Gesundheitswesen fließen. Das würde u.a. ja auch dazu führen, dass die Übergewichtigkeit in der Bevölkerung wieder abnimmt und somit könnten wir zukünftig deutlich weniger im Gesundheitswesen Ausgaben und Mehreinnahmen haben (Bsp. "Zuckersteuer in den nordischen Ländern").

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