Schillerpark-Center in Berlin-Wedding - Immobilienkonzern Aroundtown lässt Einkaufszentrum leerstehen
Seit drei Jahren steht das riesige Schillerpark-Center im Wedding leer - dabei gibt es große Nachfrage nach den Flächen. Doch der Luxemburger Pächter Aroundtown scheint andere Pläne zu haben. Von Franziska Hoppen und Boris Hermel
Vom einstigen Glanz des Schillerpark-Centers ist nichts mehr übrig. Der 25.000 Quadratmeter große Koloss auf der Müllerstraße ist seit 2020 verwaist. Die Glasfronten sind verklebt oder zerschlagen, die Hauswand ist mit Graffiti besprüht, der Putz blättert ab. Der riesige Real-Supermarkt zog nach Insolvenz der Kette vor einigen Jahren aus, es folgten die restlichen Geschäfte, am Ende auch die Bowlinghalle.
Für die Anwohnenden ist der jahrelange Leerstand bitter. Über mehr Geschäfte in der Müllerstraße würden sich wohl gerade viele älteren Menschen freuen. Aber auch soziale und kulturelle Einrichtungen, deren Gewerbemieten in den letzten Jahren gestiegen sind, wünschen sich preisgünstige Räume.
Immobilienkonzern aus Luxemburg
Doch der Pächter des Schillerpark-Centers, der luxemburgische Immobilienkonzern Aroundtown, ist nach Berichten von Kiezinitiativen schwer zu erreichen. Dabei ist Aroundtown spezialisiert auf Gewerbeimmobilien, hat in Berlin ein Portfolio aus Hotels, Shopping-Centern, Büro- und Lagergebäuden. Nach eigenen Angaben ist es das drittgrößte börsenorientierte Immobilienunternehmen Europas.
Es sei daher naheliegend, sagt Mathias Schulz, SPD-Abgeordneter für Mitte, dass Aroundtown mit dem Leerstand spekuliert und abwartet, bis das Unternehmen die Flächen zu noch höheren Preisen vermieten kann. Ihn ärgert außerdem, dass der Besitzer des Grundstücks, die Berliner Verkehrsbetriebe BVG, nicht gegen den Leerstand vorgeht. Die BVG besitzt eine U-Bahn-Werkstatt neben dem Center, ein Tunnel verläuft darunter.
Schulz vermutet, dass in dem sogenannten Erbbaurechtsvertrag, den die BVG mit Aroundtown abgeschlossen hat, nicht ordnungsgemäß festgelegt wurde, was im Falle eines langen Leerstands passieren soll. "Die Politik sollte in Zukunft die Musterverträge für die Erbbaurechtsverträge anpassen, so dass ganz klar geregelt ist, dass Leerstand wie dieser wenig vertragsgemäß ist und Verträge deshalb aufgelöst werden können", so Schulz.
Aroundtown hat Anzeigen geschaltet
Aus Sicht der BVG jedoch liegt kein Vertragsverstoß vor. Aber nur dann wären echte Sanktionen von Vertragsstrafen bis hin zur Rückübernahme des Grundstücks möglich, wie es in einer schriftlichen Antwort auf rbb-Anfrage heißt. Mehr noch: Es scheint Schwung in die Sache zu kommen. "Es gab ein Treffen am 17. Mai mit Vertretern des Unternehmens. Hier wurden die Pläne für die zukünftige Nutzung dargelegt. Es wurde jedoch Verschwiegenheit vereinbart", teilt die BVG mit.
Und auch Aroundtown selbst bestätigt auf rbb-Anfrage, "kein Interesse an Leerstand in Liegenschaften zu haben".
Und tatsächlich: Auf Immoscout hat Aroundtown zwei Anzeigen geschaltet. Fast die gesamten 25.000 Quadratmeter sollen schon ab dem 1. Juli als Büro-und Freizeitfläche vermietet werden. Angesichts des Zustands des Gebäudes verwunderlich. Und: Vermietet wird erst ab 3.000 Quadratmeter-Fläche – also für riesige Einheiten.
Ephraim Gothe, SPD-Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, macht das stutzig. Er nennt die Anzeigen "erstaunlich". Denn sie haben wenig mit dem zu tun, was Aroundtown in den letzten zwei Treffen mit dem Bezirksamt besprochen habe, u.a. auch Pläne für viele Wohnungen im Schillerpark-Center, die nun zumindest in den Anzeigen nicht mehr auftauchen. "Wir hatten Aroundtown bestärkt, diese Pläne zu verfolgen, aber es scheint kein Druck dahinter zu sein."
Jugendclub würde leerstehendes Gebäude gerne nutzen
Doch das Bezirksamt habe ohnehin keine Eingriffsmöglichkeiten, solange die vertraglich genehmigte Nutzung eingehalten wird, sagt Gothe. Auch dass die BVG als Eigentümer ein Beteiligungsunternehmen des Landes ist, ändere nichts an der Lage. "Ich kann an Aroundtown nur appellieren", sagt Gothe, "sich selbst ein bisschen ehrgeiziger hinzustellen und ein wirklich gutes Umbauprojekt hinzubekommen."
In Gothes Wunschszenario hätte die Nutzung am besten gemeinsam mit Kiezvertretern beschlossen werden sollen. Einige im Wedding suchen dringend nach neuen Flächen. Zum Beispiel die "Jugendetage 55", nur ein paar hundert Meter vom Center entfernt. In dem 50er-Jahre-Bau gibt es einen Mädchentreff, einen Jugendclub, Bildungsangebote, Kickertisch und Sportraum. Dutzende Jugendliche lernen und toben hier täglich. Doch die Elektrik ist marode, das Dach undicht, der Fluchtweg, ein alter Balkon, darf eigentlich nicht betreten werden. Projektleiterin Mandy Dewald hofft auf baldige Sanierung - und würde in der Zwischenzeit mit den Teenagern gerne ins leere Schillerpark-Center ziehen. "Es ist uns nicht gelungen, miteinander in Kontakt zu kommen", so Dewald. "Im ungünstigsten Fall machen wir dann mobile Arbeit oder müssen über eine Containerlösung im Schillerpark nachdenken."
Dass im Schillerpark-Center nun schicke Büros statt preisgünstiger Angebote für Kiezbewohner entstehen sollen, bestürzt sie. "Wenn man einen lebendigen, gut ausbalancierten Kiez haben will, muss man so etwas auch mitdenken", sagt Dewald. Auch Mathias Schulz von der SPD sieht das so. "Wir brauchen kein seelenloses Bürogebäude, sondern müssen einen Mehrwert für den ganzen Kiez schaffen." Doch auch Schulz sieht wenig Willen von Aroundtown, mit dem Kiez zu kooperieren.
Sendung: rbb24-Abendschau, 07.06.2023, 19:30 Uhr