Wasserstoff für die Wärmewende - Vattenfall rechnet mit steigenden Preisen bei der Fernwärme

Mo 03.07.23 | 18:18 Uhr | Von Johannes Frewel
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Symbolbild: Blick auf das Heizkraftwerk auf Erdgasbasis in Lichterfelde am frühen Morgen. Das Kraftwerk versorgt rund 100 000 Haushalte mit Strom und Fernwärme. (Quelle: dpa/K. Nietfeld)
Video: rbb|24 Abendschau | 03.07.2023 | Martin Küper | Bild: dpa/K. Nietfeld

Der Energiekonzern Vattenfall will in Berlin Milliardenbeträge in den Netzausbau stecken. Der Kurswechsel klappt allerdings nur mit Wasserstoff, den derzeit niemand liefern kann. Von Johannes Frewel

Ob Heizen, warmes Wasser oder die Klimaanlage: eines Tages soll dabei kein klimaschädliches Treibhausgas CO2 mehr entstehen. Nicht nur Immobilieneigentümer, auch große Energiekonzerne müssen viel Geld in die Hand nehmen und ihr Geschäftsmodell für die Wärmewende zurechtzurren. Auf Verbraucher kommen höhere Rechnungen zu. Den Aufschlag kann bisher aber niemand beziffern.

Bald sollen nur noch Heizungen eingebaut werden, die wenigstens teilweise mit erneuerbaren Energien betrieben werden können. Oft könnte es auf eine Wärmepumpe hinauslaufen. Als Alternative erlaubt der Gesetzgeber Fernwärme da, wo sie verfügbar ist. Doch wie klimafreundlich ist die heute?

95 Prozent der Berliner Fernwärme aus Erdgas und Kohle

Mit 1,4 Millionen angeschlossenen Haushalten hat Vattenfall in Berlin quasi das Monopol bei Fernwärme. "Wir versorgen heute die Berlinerinnen und Berliner zu 77 Prozent auf der Grundlage von Erdgas mit Fernwärme", rechnet Christian Feuerherd, Chef von Vattenfall Wärme in Berlin vor. "Wir haben noch 18 Prozent Steinkohle im System". Insgesamt etwa 95 Prozent der Fernwärme kommen also aus Gas und Kohle. Der große Rest etwa aus Abwärme der Müllverbrennung, bei der auch das klimaschädliche CO2 entsteht.

Damit sich das ändert, will Vattenfall bis 2030 schrittweise aus der Kohle aussteigen und auch den Erdgasanteil bis 2040 auf null reduzieren. Angepeilt wird, dass 2030 mindestens 40 Prozent der Fernwärme nicht mehr durch die Verbrennung von Kohle und Gas entsteht. Mehr Energie soll aus Müllverbrennung, Biomasse und durch Wärmepumpen kommen. Doch das reicht nicht: Etwa die Hälfte der Fernwärme-Energie soll Wasserstoff beisteuern.

Schrumpfender Wärmemarkt und steigende Kosten

Den wachsenden Milliardeninvestitionen steht allerdings ein Wärmemarkt gegenüber, der zunehmend schrumpft. Je mehr Häuser energetisch saniert werden, umso weniger Heizenergie kann Vattenfall verkaufen. Deutlich steigende Kosten müssen also auf geringere Wärmemengen umgelegt werden. Das bedeutet höhere Kosten für Fernwärmekunden.

Daran ändert zunächst auch nichts, das Vattenfall hofft, die Politik könnte mit einem Abschlusszwang für zusätzliche Kunden sorgen. "Das lässt sich heute seriös nicht beantworten, wie viel das in Euro und Cent je Megawattstunde ausmacht", betont Feuerherd, "die Wärme wird sicher nicht billiger werden."

Ein weiteres Problem: Für die schrittweise Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff ab 2035 gibt es noch keine Anbieter. Erst recht keine, die das Gas langfristig liefern könnten. Es soll mit Hilfe von Strom aus Wasser entstehen.

Fernwärme konkurriert mit Stahlkochern um Wasserstoff

Vattenfall hofft in Berlin deshalb auf Rückenwind der Bundesregierung für Wasserstoff. Sie könnte über die Bundesnetzagentur die benötigten riesigen Wasserstoffmengen ausschrieben. Ob Vattenfall fürs Heizen etwas davonbekommen würde, ist jedoch offen. Es gibt Industriebranchen wie etwa Stahlwerke, die keine andere Möglichkeit als den knappen Wasserstoff haben, ihre Produktion zu dekarbonisieren.

Bis 2028 müssen die Kommunen festlegen, wo Fernwärme ausgebaut wird und wo nicht. Wie das geschehen könnte, da hat die Branche klare Vorstellungen. Aus Effizienzgründen sollten ganze Straßenzüge komplett an Fernwärme angeschlossen werden, hofft man bei Vattenfall. Auch dort, wo Eigentümer bis dahin vielleicht schon längst eine neue Heizung etwa mit einer Wärmepumpe eingebaut haben.

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.07.2023, 15:35 Uhr

Beitrag von Johannes Frewel

68 Kommentare

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  1. 68.

    Fernwärme ist eine gute Sache, sofern sie in der Region auch angeboten wird. Allerdings sollte der Gesetzgeber, bedingt durch die Monopolstellung des Anbieters, da noch Deckelungen einbauen, dass die Monopolstellung nicht über Gebühr strapaziert wird. Eine Illusion sollte sich der künftige Fernwärmenutzer von vornherein abschminken, CO2 mäßig ist mit Fernwärme nichts gewonnen, Vattenfall in Berlin verwendet für die Fernwärmeherstellung ausschließlich fossile Brennstoffe. Warum ein Häuslebesitzer dann seine Gas- oder Ölheizung herausreißen soll und stattdessen Fernwärme verwenden soll, ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist der Geamtwirkungsgrad bei Fernwärme noch schlechter und damit die CO2 Bilanz bei der Fernwärme noch miserabler, als wenn der Häuslebesitzer in seinem Haus das Gas verbrennt, denn der hat nicht zusätzlich die hohen Leistungsverluste der Fernwärmeleitungen zusätzlich am Hals.

  2. 67.

    "Ein Gasnetz das in weiten Teilen H2 fähig ist existiert." Nein. ein solches Gasnetz gibt es nicht.

    https://www.haustec.de/energie/heizen-mit-erneuerbaren-energien/geg-novelle-h2-ready-gasheizung-nur-eine-scheinloesung

  3. 66.

    Sie haben immer ein Argument parat, das nur auf den Einzelfall zutrifft.
    Unser Haus ist gut gedämmt, es gibt 5 Dachgeschoss - Wohnungen, ergo mehrere Dacherker und Dachfenster sind dort vorhanden, somit kann keine Wärmerpumpe auf dieses Dach instaliert werden!

  4. 65.

    Wie kommt der »grüne« Wasserstoff vom Erzeuger zum Verbraucher? Ein flächendeckendes Verteilernetz für Wasserstoff gibt es derzeit in Deutschland noch nicht. Da ist guter Rat teuer !

  5. 64.

    Kein Gas vom Hauptlieferanten, dafür Öl von ihm über den Umweg Indien zu überhöhten Preisen. So kann man das auch machen. Der tolle Wirtschaftsminister hat Glück gehabt, dass der Winter sehr mild war, und schreibt sich das jetzt als Erfolg auf die Fahne, als Zeichen seines guten Gasmanagement.

  6. 63.

    Welche Überraschungen mit "H2Ready" Leitungen möglich sind, die nach ihren Worten ja verfügbar sind, ist diesem SPIEGEL-Artikel zu entnehmen, De facto könnten viele jetzige »H2-ready«-Gasheizungen noch nicht einmal ausschließlich mit Wasserstoff befeuert werden, "Es gebe »einen Grundkonsens in der Wissenschaft«, so der VZBV, »dass Wasserstoff für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors aufgrund der marginalen Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff auch in 2030, gegebenenfalls sogar auch noch in 2045 kaum eine Bedeutung haben wird«."

    https://www.spiegel.de/wirtschaft/verbraucherschuetzer-warnen-vor-h2-ready-gasheizungen-a-301eea79-50b2-4301-ac05-9b9b68d73d3f

  7. 62.

    Sie beschreiben alles machbare Dinge, die man nicht das erste Mal gemacht hat.
    Ein Gasnetz das in weiten Teilen H2 fähig ist existiert.
    Kabel und Leitungen sind keine Mondraketentechnik.
    Elektrloyseure offensichtlich auch nicht.
    Also wo ist Ihr Problem. Man muss es nur noch machen nicht nur beschreiben und diskutieren.
    Das man seit Jahrzehnten GW-starke Kohle- und Atomkraftwerke, Gas- und Stromleitungen quer durch Europa baut ist doch nix anderes. es geht, nun baut man eben andere Dinge.
    p.s.
    man ist bereits dabei.

  8. 61.

    Wie strategisch sinnvoll der bisherige Energiemix war, haben wir ja nun voriges Jahr erleben dürfen.
    Kein Gas vom Hauptlieferanten.
    Kein Wasser für die AKWs beim Nachbarn.
    Das war schon anspruchsvoll, wurde aber ziemlich gut gelöst.
    Da sind ein paar Tage Dunkelflaute technisch gesehen Kindergarten gegen, weil man weiß das es sicher vorüber geht.
    Alles was ich bislang sehe, gibt es auch in Zukunft einen Energiemix, also geht Ihr diesbezügliches Gerede ins leere.
    Strategisch sinnvoll ist in dem Sinne dass Energie möglichst unabhängig von dritten ist.
    Da fällt mir für ein rohstoffarmes Land kaum etwas besseres als die Energiequelle ein, von der wir reichlich überschüssig versorgt werden, egal welche Regierung am Rudern ist. Das helle Ding da oben am Himmel kriegt keiner abgeschaltet.

  9. 60.

    Irgendwie werde ich aus Ihren Angaben nicht schlau. Sie haben einen Gasbrenner und eine Wärmepumpe irgendwie "hintereinander" geschaltet? Denn sowohl die Wärmepumpe als auch ein Gasbrenner machen warmes Wasser.

  10. 59.

    Die Elektrolyse ist seit anno dunnemals bekannt. Warum wirds dann nicht schon lange gemacht, wenn es so einfach wäre. Ein Grund könnte sein, der Zappelstrom von den Erneuerbaren muss auch an die Elektrolyseure gebracht werden, da fehlen Leitungen. Bisher wird der Zaooelstrom der momentan überschüssig ist, weggeworfen, oder man muss sogar für die Abnahme des Zappelstroms zahlen. Und dann ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Der Wasserstoff aus der Elektrolyse muss irgendwie an den Endverbraucher kommen. Dazu ist ein flächendeckendes Wasserstoff-Leitungsnetz erforderlich.

  11. 58.

    Der Trick ist dass die Heizkörper fürs ungekämmte Haus dimensionierte Größen haben der Heizbedarf aber dank Dämmung nur ein Bruchteil ist. Wir haben seither einen Niedertemperaturkessel der nur bei strengstem Frost 50 Grad macht. Da reicht dann auch eine große Pumpe auf dem Dach.

  12. 57.

    Oder man stellt den Wasserstoff einfach bei uns her wenn Strom im Überschuss das ist. Mit Elektrolyse die ganz selbstverständlich in großtechnischen Anlagen funktioniert.

  13. 56.

    Wenn sie mit einer WP das Wasser auf 45 Grad vorwärmen braucht ihr Gasbrenner weniger Gas um es auf 90 Grad zu bringen. Sollte einen Physiker eigentlich klar sein.

  14. 55.

    Würde mich rein technisch interessieren. Klingt ja so, dass Sie zwar gedämmt, aber keine Fußbodenheizung haben. Wissen sie vielleicht, mit welcher Vorlauftemperatur die eine Wärmepumpe die 50 Wohnungen versorgt, oder haben Sie sich da verschrieben mit den 50 Wohnungen?

  15. 54.

    Die Differenz ist der Preis für die Speicher im Netz, von denen die Völkerrechtlerin gesprochen hat. Denn dann wird der Wasserstoff als Speicher benutzt, während sich der Zappelstrom großtechnisch nicht speichern läßt. Mal davon abgesehen, von anderen Kleinigkeiten, wie man den Wasserstoff aus Namibia überhaupt nach Deutschland bekommt.

  16. 53.

    Bei uns im Doppel-Wohnhaus mit 50 Wohnungen kommt eine Wärmepumpe auf das Dach. Wir haben unser Haus aber auch in den Neunzigern gedämmt. Wer immer noch die Nachbarschaft statt der Wohnung heizt muss wohl jetzt das Dämmen nachholen.

  17. 52.

    Der Wasserstoffhype, und dazu och der "Grüne" ist für das simple Heizen einer Wohnung eine Fata Morgana, weil viel zu tuer und über die gesamte Erzeugerkette grottenschlicht im Wirkungsgrad..

  18. 51.

    Das nennt sich Kraft-Wärme-Kopplung, wie sie Dr. Merkel bereits im Sinn gehabt hat.

  19. 50.

    Schlechtes Beispiel. Das Subventionsprojekt “QWARK3”, finanziert vom Wirtschaftsministerium, hat nur wenig mit den handelsüblichen Wärmepumpen zu tun. Da sollten Sie Beispiele finden, wo ein privater Endverbraucher Fernwärme bezieht und bei sich zu Hause zusätzlich eine Wärmepumpe einsetzt.

  20. 49.

    Habeck & Co rechnen so : Um 1kg Wasserstoff zu erzeugen, sind rund 53 Kilowattstunden Strom notwendig. Verbrennt man 1kg Wasserstoff, setzt dies 39,6 Kilowattstunden Energie frei.

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