Strukturwandel in der Lausitz - Geld ist da - es fehlen Menschen

So 06.10.24 | 08:18 Uhr | Von Andreas Rausch
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Ein Mitarbeiter im DLR in Cottbus arbeitet an einer Wärmepumpe (Foto: rbb)
Bild: rbb/Screenshot

Der Bund fördert den Lausitzer Strukturwandel mit Milliarden. Cottbus zum Beispiel profitiert von Investitionen in Bahnwerk, Uni-Medizin und Science-Park. Statt Angst vor einem neuen Bruch herrscht nun Sorge um fehlende Fachkräfte. Von Andreas Rausch

Für einen Blick auf Deutschlands Industrie der Zukunft muss man zunächst die Vergangenheit umkurven. Es geht am Textilkombinat Cottbus (TKC) vorbei, das heißt, an dem Einkaufszentrum, das ihm nachfolgte und das sich weiter mit dem traditionsreichen Namen schmückt.

Dann tut sich eine Ansammlung von Hallen und Werkstätten im Schatten einer Spielhalle auf. Eine davon gehört zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Drinnen: Der ganze Stolz des Teams um Professor Uwe Riedel: Ein Gemenge aus Rohren, Elektronik, Motoren, groß wie ein LKW. "Das hier ist einmalig", sagt der Chef des Instituts für CO2-arme Industrieprozesse. Eine Super-Wärmepumpe, die konstant 250 Grad Celsius erzeugen kann, aus Luft und elektrischem Strom. Wenn der grün ist, kommt das ganze ohne Klimabelastung aus. Wie bei einer konventionellen Wärmepumpe – nur eben für industrielle Prozesse geeignet.

Seit 2019 arbeitet das Institut in Cottbus und dem sächsischen Zittau an diesen Dingen. An beiden Standorten, erklärt Uwe Riedel, habe man im Moment 72 Mitarbeiter – es dürften gern 120 sein. "Aber das ist hier nicht so einfach", sagt er. Riedel hat ein Problem, was mittlerweile viele umtreibt: Fachkräftemangel. Es sei zunehmend schwierig, qualifizierte Menschen für die Lausitz zu gewinnen, sagt der Professor, der selbst aus Stuttgart in die Region kam. Die Bewerberlage auf offene Stellen ist dünn, das Angebot aber wächst, gerade in der Lausitz ist das ein Problem.

Die Fehler der 90er nicht wiederholen

Mit dem Kohleausstieg 2038 hatte der Bundestag 2020 auch das Strukturstärkungsgesetz beschlossen, um den betroffenen Revieren eine industrielle Umgestaltung ohne den fossilen Energieträger Kohle zu ermöglichen. Die Fehler der 90er Jahre, als durch den Nachwendezusammenbruch der Industrien zum Beispiel in der Lausitz in kurzer Zeit Zehntausende Arbeitsplätze ersatzlos wegbrachen, wollte man nicht erneut begehen.

Mit 40 Milliarden Euro fördert der Bund Projekte, die dem Strukturwandel dienen. Knapp über zehn Milliarden davon bleiben in Brandenburg hängen. Erste Erfolge sind da. Sichtbar und häufig als Symbol bemüht: Das ICE-Bahnwerk in Cottbus, das nach vollständiger Fertigstellung 1.200 Menschen beschäftigen soll. Ähnliche Effekte verspricht sich die Politik von der Medizinischen Universität Lausitz (MUL), die sowohl dringend benötigte Ärzte im Land ausbilden als auch am Gesundheitssystem der Zukunft forschen soll.

Institute wie das DLR wiederum sollen unter dem Dach eines "Lausitz Science Park" gebündelt werden, zur Forschung kämen Handwerk und Produktion mit angeschlossener Logistik, eine kleine Stadt in der Stadt nach dem Vorbild eines ähnlichen Gebildes in Berlin-Adlershof.

Ein Mitarbeiter im DLR in Cottbus arbeitet an einer Wärmepumpe (Foto: rbb)Ein Mitarbeiter im DLR Cottbus arbeitet an einer Wärmepumpe.

Auch die neuen Leuchtturmprojekte kämpfen gegeneinander um neue Arbeitskräfte

Zusammengenommen dürften in allen Projekten zusammen mehr Jobs zu erwarten sein, als durch den Kohleausstieg wegfallen, zumal auch die Leag sich zum wichtigen Player im grünen Energiegeschäft wandeln will. Dafür braucht auch sie Arbeitskräfte. Doch schon jetzt gibt es gerade im Lausitzer Mittelstand nicht nur Fans der Leuchtturmprojekte. Diese machen Handwerksbetrieben auch den Nachwuchs streitig. Der Konkurrenzkampf um Arbeitsplätze läuft längst.

Auch die neuen Institute stehen im Wettbewerb untereinander, alle suchen. Für das DLR-Team von Uwe Riedel geht es dabei auch um das Tempo der Energiewende: "Um die Technologien vorzudenken und dann auszurollen in die Industrie, brauchen wir Arbeitskräfte. Wenn wir die langsamer finden als wir Ideen entwickeln, dann ist das nicht gut. Dann entwickelt auch die Energiewende nicht das Tempo, das sie haben sollte", sagt der Professor. Seiner Meinung nach wäre es dringend geboten, eine bundesweite Kampagne aufzusetzen, um hier Fortschritte zu erzielen.

Vor 20, 30 Jahren sind sehr viele junge Leute weggegangen aus der Region – und die fehlen einfach als Eltern. Wir haben in den Landkreisen um Cottbus mit den geringsten Kinderanteil in ganz Deutschland.

Gesine Grande, Präsidentin der BTU Cottbus-Senftenberg

40 Prozent der Doktoranden kommen nicht aus Deutschland

Woran liegt es? Cottbus ist zweitgrößte Stadt in Brandenburg. Allerdings standen hier über drei Jahrzehnte die Zeichen auf Schrumpfung. Die absolute Fokussierung auf Braunkohlewirtschaft im Energiebezirk Nummer 1 der DDR hatte die Stadt bis 1989 stetig wachsen lassen. Seitdem sanken die Einwohnerzahlen, es wurden 12.000 Wohnungen abgerissen, bei einem Bestand von 60.000. Zwischenzeitlich verlor Cottbus den Status einer Großstadt. Und nun plötzlich wieder Wachstum?

Die Präsidentin der Brandenburgischen-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, Gesine Grande, verweist auf eine Studie ihres Hauses. Demnach werden der Lausitz bis 2038 bis zu 60.000 Fachkräfte fehlen. Die Region Südbrandenburg kämpfe dabei auch immer noch mit den Nachwendewirren.

"Wir haben hier in der Lausitz einfach eine schwierige demografische Situation. Vor 20, 30 Jahren sind sehr viele junge Leute weggegangen aus der Region – und die fehlen einfach als Eltern. Wir haben in den Landkreisen um Cottbus mit den geringsten Kinderanteil in ganz Deutschland. Und wenn Kinder fehlen, fehlen Schüler, Studenten, Absolventen", sagt Grande. Die Uni selbst stelle sich konsequenter international auf, schon heute kämen 40 Prozent der Doktoranden nicht aus Deutschland, sagt Grande.

Kampf gegen das Image-Problem

Neben der Randlage hat Cottbus noch ein weiteres Problem, ein Image-Problem. Stadt und Region gelten als eher skeptisch, was Zuwanderung angeht, immer wieder gibt es auch fremdenfeindliche Übergriffe. Das ist fatal, sagt Doreen Mohaupt, sie ist als Dezernentin für die Stadtentwicklung von Cottbus zuständig. Ihr Büro ziert ein farbenfroher Teppich, der den künftigen Cottbuser Ostsee zeigt, ein Mega-Projekt, das einen ehemaligen Tagebau in ein Wasserparadies verwandeln soll.

"Es bereitet uns beinahe körperliche Schmerzen, mit welchem Image wir häufig wahrgenommen werden. Wir haben natürlich Probleme, wie andere Kommunen auch. Was wir tun können ist, da etwas dagegen zu setzen. Mit dem Schaffen von neuen Arbeitsplätzen zum Beispiel, neuen Angeboten, attraktiv zu sein und weiter zu werden", sagt Mohaupt. Man wolle 10.000 neue Wohnungen bauen, dazu viel Infrastruktur. "Wir haben viel vor. Und die meisten, die schon jetzt neu herkommen, sind doch überrascht, wie schön es hier schon ist."

Stefanie de Graaf an einem Flugzeugmodell (Foto: rbb)
Stefanie de Graaf an einem Flugzeugmodell. | Bild: rbb/Screenshot

"Eine Entscheidung, die ich nicht bereut habe"

Eine von denen, die neu angekommen sind, ist Stefanie de Graaf. Die gebürtige Niederbayerin hatte nach ihrem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik zuletzt im kanadischen Vancouver gearbeitet - als sie davon hörte, dass in Cottbus an elektrifizierten Luftantrieben geforscht werden solle. Sie wagte das Abenteuer, verließ Kanada und kam 2021 in die Lausitz.

"Eine Entscheidung, die ich nicht bereut habe", sagt sie, "es ist halt so, dass ich hier nicht nur einen fachlichen Beitrag leisten kann für die Technologie der Zukunft sondern auch für die Region. Mich reizt es genauso, etwas für den Strukturwandel hier tun zu können."

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 06.10.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Andreas Rausch

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103 Kommentare

  1. 103.

    30 Prozent???
    In der Lausitz haben viele Kommunen, 40% und noch mehr, die AfD gewählt.
    Seit Jahren sucht man dort Fachkräfte(Finde den Fehler !)

  2. 101.

    Und für andere ist deswegen gleich ganz Brandenburg ein No Go. Und für wieder anderen ganz Deutschland…. Ihr spinnt doch echt. Selbst bei einem Anteil von 50% AfD Wählern würde es nicht gleich bedeuten, die seien alle Rechtsextrem. Und dann gibt es immer noch 50% die die AfD nicht wählen und dort leben. Gleich ganze Regionen zu brandmarken ist schon paranoid. Wie gesagt, andere würden Ihre Wohngegend auch meiden.

  3. 99.

    Sie haben meine Frage nicht beantwortet, sondern flüchten in (unzutreffende) Beschimpfungen.

    Sie sagen die Afd sei extrem und das spreche gegen die Region in der sie beliebt ist. Ich halte die Afd auch für extrem, aber die Abwertung einer ganzen Region deswegen ist mE ungerecht. Und es ist zweierlei Maß, denn über die mindestens genauso extremen Grünen und deren Hochburgen schweigen Sie. Wahrscheinlich ist es Ihnen sogar fremd, die Grünen als schlimm wahrzunehmen. Aber liberal oder demokratiefreundlich sind die genauso wenig wie die Afd. Man sollte beide also gleich bewerten.

  4. 98.

    Mangelnde Freundlichkeit der Einheimischen sind eindeutig Berliner Eigenschaften. Fährt man raus nach Brandenburg trifft man überwiegend auf freundliche, entspannte Menschen. Logisch, die müssen auch nicht in einer Stadt leben, wo es so viele Gesellschaftliche Gegensätze gibt. Armut, Gewalt, Lärm, Dreck macht etwas mit Menschen, die so leben müssen.

  5. 96.

    Und warum hätten Sie Angst? Weil Sie auf eine beispiellose Kampagne gegen eine ganze Region hereinfallen. Hier nach Südbrandenburg sind viele fleißige Ausländische Mitbürger hingekommen, die kleine Läden betreiben. Die sind Freiwillig hergekommen. Fragen Sie die mal, ob und wann die mal Probleme mit Rechten hatten. Machen Sie das mal. Die Menschen hier sind nicht Fremdenfeindlicher als in Flensburg, Garmisch oder Hannover. Kann man nur wissen, wenn man hier lebt. Schon länger hier lebt.

  6. 94.

    30% bei völkischen, rückwärtsgewandet, rassistischen, rechtsextremistischen Parteien. Das ist schlimmer. Das sie überhaupt diese Frage stellen...

  7. 93.

    Man Subventioniert eine einzelne Region mit Milliarden und vernachlässigt dadurch, viele Millionen Menschen in anderen Regionen unseres Landes.
    Man sieht jetzt schon, wo diese Politik der Milliarden Verschwendung und Milliarden Subventionierung der Brandenburger/Sächsischen Lausitz hinführt - Deutschland steht still, geht rückwärts und hat Geld für Nichts mehr, LG.
    Die Privatwirtschaft geht kaputt, wandert aus und die Politik ,,rettet wenige Hunderttausende Menschen in der Lausitz, dafür müssen aber viele Millionen Menschen in ganz Deutschland zahlen und auf Gelder, Strukturhilfen und Fördermittel verzichten.

  8. 92.

    So kann man von einem rechtsextremen, fremdenfeindlichen Problem auch schnell wieder ablenken.
    Haben Sie überhaupt verstanden was ich geschrieben habe? Zu meinem "falschen" Aussehen und dass das allein Grund genug ist mich abzulehnen? Haben Sie das überhaupt verstanden?

  9. 91.

    Wenn die hoefliche Bitte "mal etwas Platz zu machen damit ich an die Ladesaeule ranfahren kann" zu Spott, Beleidigungen bis hin zu handfester Bedrohung durch die Dorf-"Jugend" (alle schon um die 30) fuehrt dann weiss ich genau wessen Geistes Kinder die sind und wie das in Zukunft dort aussehen wird.

    Das ist kein Ort an dem ich alt werden werden und meine Kinder in die Schule schicken will.

    Vllt sind 70-80% der Menschen dort anders. Aber diese sind verdammt still. Was ja auch nicht verwundert.

  10. 90.

    Um die 40 Prozent AfD in der Lausitz - da habe Ich selbst als Brandenburger aus einer anderen Region, große Ängste, viele Grüße.
    Wie man zum Beispiel in Burg/im Spreewald sehen kann - die AfD Gedanken und Handlungen, werden vom Elternhaus an die Kinder weitergegeben.
    Jedenfalls, 40 Prozent AfD und mehr in der Lausitz/in Südbrandenburg, sind einfach viel zu viel - untragbar !

  11. 89.

    Arbeitsplätze aus der Privatwirtschaft fallen weg und werden durch staatliche oder vom Staat abhängige Firmen ersetzt. Und das überall in Deutschland. Dieses Prinzip wird aber auf Dauer nicht funktionieren. Da helfen auch keine Jubelartikel.

  12. 88.

    Also da würde ich mir aber in Berlin, als Deutscher mehr Sorgen um meine körperliche Unversehrtheit machen.

  13. 87.

    Sowas würden nur Rechtsextremisten ernsthaft fragen. Ihre Frage sagt leider viel über Sie aus. Rechtsextremismus scheint ja für Sie definitiv mal kein Ausschlusskriterium zu sein. Anhand Ihrer Frage vermutlich sogar eher ein Pluspunkt...

  14. 86.

    Sie haben die Frage gestellt:
    "Oha, also sind Menschen mit Laktoseintoleranz schon zu "woke" für Brandenburg...?"

    und nicht:
    "Ich habe eine Laktoseintoleranz. Hätten sie evtl. Hafermilch? Ansonsten trinke ich einen Tee."

    Kleiner, aber feiner Unterschied ... um es ganz platt und einfach zu beschreiben!

  15. 85.

    Trotz deutschen Vornamens und Nachnamens, aber mit dem "falschen" Aussehen, hätte ich selbst bei lukrativsten Jobangeboten schlicht Angst um meine physische und mentale Unversehrtheit, würde ich mich in der Lausitz niederlassen.
    Selbstverständlich ist die Fremdenfeindlichkeit, die natürlich primär optisch urteilt, der zentrale Punkt.

  16. 84.

    Wahnsinn, dass Sie selbst die bloße Frage als "arrogant" empfinden. Die Frage, wie man am liebsten seinen Kaffee trinkt, als provokanten Ausbund der "Zivilisation" zu betrachten, deutet er auf Komplexe Ihrerseits hin.

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