Der Vorhang im Berliner Kino International öffnet sich am Montag vorerst zum letzten Mal: Für zwei Jahren legt das Premierenkino eine Pause ein. Das legendäre Filmhaus an der Karl-Marx-Allee muss nämlich gründlich saniert werden. Von Sylvia Tiegs
Für das Kino International ist in diesem Frühjahr der erfolgreichste Arthouse-Winter seit 10 Jahren zu Ende gegangen: Filme wie Poor Things und vor allem The Zone of Interest hatten in dem Bau auf der Karl-Marx-Allee deutschlandweit die meisten Besucher.
Die Branche und der deutsche Kinomarkt schauen seit Jahrzenten auf das Haus, in dem schon 1980 "Solo Sunny" von Konrad Wolf als bis heute erfolgreichste Aufführung lief. Schon damals hatte das Filmhaus einen exzellenten Ruf, weil es als Premierenkino konzipiert hervorragende Filme zeigte. "Spur der Steine" aus dem Jahr 1966, das Homosexuellen-Drama "Coming Out" 1989 oder Westimporte vom Klassenfeind, wie "Dirty Dancing" - die zeigte das International schon vor dem Mauerfall.
Aber die besten Zeiten des Lebens fordern nun ihren Tribut, sagt Thore Horch von der Yorck-Gruppe, zu der das International gehört. "Die Modernisierung ist tatsächlich der Hauptgrund, und es ist nicht, dass wir sagen 'Ah, wir langweilen uns, lass uns mal irgendwas mit dem Internationalen machen", so Horch. "Es ist ein wunderschönes Haus, es hat die nötige Infrastruktur, aber alles hinter den Wänden muss erneuert werden."
Stahlbeton und elegantes Interieur: Das International hat Flair. Bevor das frühere DDR-Premierenkino eine Sanierungspause einlegt, feiert es 60. Geburtstag. rbb-Filmkritiker Knut Elstermann über ein architektonisches Juwel mit Erinnerungswert.
Komplette Technik des Kinos wird ausgetauscht
Das bedeute, dass auch die komplette Technik des Kinos ausgetauscht werde - Elektro, Klima. Das Kino kriegt danach einen Laserprojektor. "Das heißt, das Bild wird nochmal schärfer, hat bessere Schwarz- und Scharfwerte, wir kriegen eine 7.1 Tonanlage, aktuell ist es 5.1." Dazu kommen Lautsprecherboxen in die Seitenwände. Das gibt mehr Raumatmosphäre. Wo wir schon im Kinosaal sind: Die blaue Theaterbestuhlung bleibt, nur zwei Sitzreihen sollen weichen: für ein bisschen mehr Beinfreiheit. In der Panoramabar vor dem Saal muss das 40 Jahre alte - und ziemlich ramponierte - Parkett raus, dafür kommt ein neues rein.
Wiedereröffnung 2026
Bleiben werden die Kronleuchter in der Bar, genauso wie das "Donut" genannte lederne Sitzmöbel unten im Foyer. Befürchtungen, das International könnte nach dem Umbau nicht mehr wiederzuerkennen sein, kann Thore Horch gleich entkräften. "Wir mögen das Haus auch so wie es ist, wir wollen hier kein wunderschönes Kongresszentrum draus machen", sagt Horch. Es muss also niemand den aktuellen Kassenschlager "Sterben" als schlechtes Omen sehen. Das "International" werde nur temporär zugemacht, versichert er.
Allzu wilde Bauvorhaben sind in dem Gebäude von 1963 sowieso nicht drin: das Kino steht unter Denkmalschutz. Unter anderem deshalb kommen auch keine Solarpaneele aufs historische Dach, und auch die Fassade wird bleiben, wie sie ist. Anfang 2026 soll der Vorhang dann wieder aufgehen im "International".
60 Jahre Kino International
Bild: dpa/akg-images/Werner Hoffmann
In den frühen 1960er Jahren entstehen auf dem zweiten Bauabschnitt der Stalinallee, die später in Karl-Marx-Allee umbenannt wird, hauptsächlich Wohngebäude.
Bild: Picture Alliance/Caro/Sorge
Auf der Prachtstraße der DDR sollen allerdings auch Kultur und Geselligkeit einziehen. So werden nach Entwürfen der Stadtplaner Josef Kaiser, Edmund Collein und Werner Dutschke das Café Moskau, das Hotel Berolina, die Mokka-Milch-und-Eisbar und das Kino International realisiert.
Bild: Imago Images/Marco Bertram
Das am 15. November 1963 eröffnete Kino entwickelt sich zum Premierenkino der DDR. Zahlreiche DEFA-Produktionen wie "Solo Sunny", den über 100.000 Zuschauende sehen, und einige ausgewählte westliche Filme wie "Dirty Dancing" oder "Cabaret" feiern hier Premiere.
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Es ist praktisch unmöglich, Premierenkarten zu bekommen - zumindest für nicht linientreue DDR-Bürger:innen.
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Die DDR-Staatsführung dagegen ist regelmäßig Gast und sitzt in einer Stuhlreihe mit extra viel Beinfreiheit.
Bild: dpa-Bildfunk/Jens Kalaene
Anschließend treffen sich die Genossen im Repräsentationsraum, der fensterlosen "Honecker-Lounge".
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Konzipiert wurde das Kino International allerdings bereits Jahre bevor Honecker Erster und dann Generalsekretär des ZK der SED wurde. Die Architekten Josef Kaiser und Heinz Aust konstruierten einen dreigeschossigen Stahlbetonskelettbau, der mit hellem Sandstein verkleidet wurde. Das Obergeschoss mit dem Kinosaal ragt neun Meter über dem Untergeschoss hervor. Eine große Glasfläche ziert die Front.
Bild: Picture Alliance/Caro/Eckelt
Die drei Seitenflächen dagegen sind fensterlos. Sie sind mit dem Betonrrelief "Aus dem Leben heutiger Menschen" verziert.
Bild: Picture Alliance/Karl-Heinz Spremberg
Das Relief nach Entwürfen von Waldemar Grzimek, Hubert Schiefelbein und Karl-Heinz Schamal zeigt sozialistische Motive.
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Am 9. November 1989 - am Abend, an dem die Mauer fiel – wird Heiner Carows "Coming Out" gezeigt.
Bild: United Archives / kpa Publicity
Eine Sensation, denn nie zuvor war in der DDR ein Kinofilm über Homosexualität gezeigt worden.
Bild: Zentralbild/Jens Kalaene
Noch vor der offiziellen Auflösung der DDR 1990, wird dem Kino International die Ehre zuteil, zur festen Berlinale-Spielstätte zu werden. 1992 übernimmt die Yorck Kinogruppe das Haus von der Bezirksfilmdirektion.
Bild: dpa-Zentralbild/Jens Kalaene
Vor der Spielstätte werden später begeisterte Berlinale-Fans campieren, um an Karten zu kommen.
Bild: Yorck Kinogruppe
Ein Hingucker sind die großformatigen Plakate. Sie werden sowohl für das Kinoprogramm als auch die Berlinale seit vielen Jahren von Götz Valien, einem der letzten Kinoplakatmaler, von Hand gemalt.
Bild: dpa/akg-images/Elke Landgraff
Das Kino International steht als Zeugnis der architektonischen Moderne unter Denkmalschutz. Mit Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wird 2018-2019 die Fasssade saniert. Ab April 2024 schließt das Kino für 15 Monate und soll denkmalgerecht generalsaniert werden.
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Wir standen auch geduldig an. Und denn waren die Karten ausverkauft. DDR-Bürger standen da also...
4.
Ok, aber warum dauert es bei uns in Berlin immer so lange mit den Sanierungen - ist das NORMAL? Auch auf der Museumsinsel)10 Jahre!? Und dann das immergleiche Spiel mit den Kostenerhöhungen...Muß das so sein?
Und wenn ich lese, daß es mehr Lautsprecher geben soll: ich finde es mitunter unerträglich laut in den großen Kinosälen, wenn man da beschallt wird! Warum lassen sie nicht wenigstens die Lautsprecher. Hat doch bisher ausgereicht - Qualität kommt nicht vom Sound!
3.
Ist ja schön dass, das Kino renoviert und nicht abgerissen wird. Ist ja sonst üblich. Ich dachte Solaranlagen dürfen auch bei Denkmalschutz gebaut werden.
2.
Es gab DDR-Bürger. Befremdlich wirkt die Bilddeutung mit „DDR-Bürger:innen“. Die gab es nicht. Und die Eintrittskarten wurden mit dem Anstehen erkauft (wie das Bild zeigt). „Nichtlinientreu“ ist schon deshalb falsch interpretiert (warum eigentlich?), weil, es keine Überprüfungen auf „linientreue“ beim Anstehen gab.
1.
Ein toller Schachzug und zwei kurze Jahre werden die
Kinofans wohl durchhalten.
War 1989 selbst zu Gast und tief beeindruckt.
Viel Erfolg!!!