Konzertkritik | Marcus und Martinus in Berlin - Zwei Roboter liefern ab

Fr 20.09.24 | 10:13 Uhr | Von Hendrik Schröder
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Archivbild:Marcus und Marinus bei einem Auftritt am 11.02.2024.(Quelle:imago images/J.Parsa)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.09.2024 | Hendrik Schröder | Bild: imago images/J.Parsa

Die Zwillingsbrüder Marcus und Martinus aus Norwegen wurden schon als 12-Jährige zu Stars. Zehn Jahre später bringen sie ihre meist sehr jungen Fans beim Konzert in Berlin immer noch zur Ekstase. Von Hendrik Schröder

Das Konzert beginnt und endet mit einem Kreischen. Im Saal des Astra Clubs sind fast ausschließlich minderjährige, größtenteils weibliche Fans - und deren Eltern natürlich, die teils halbironisch mitkreischen, teils sehr schnell den Weg zur Bar und in den Vorraum der Konzerthalle suchen. Gekreischt wird wohlgemerkt schon, als noch gar niemand auf der Bühne ist. Da gehen nur die Videowände an und die Gesichter von Marcus und Martinus erscheinen ebendort, aber das Publikum dreht schon komplett am Rad.

Ach, diese Begeisterungsfähigkeit - es ist wirklich ein Schauspiel. Ein "M" haben sich die Kinder auf die rechte Wange gemalt, ein zweites auf die linke. Dazu tragen sie Glitzer um die Augen, Leuchtstäbe um den Hals und Plakate in der Hand, auf denen irgendwas mit "Love You" steht. Rote, herzförmige Luftballons fliegen durch die Luft.

Keine Skandale

Dann kommen die beiden 22 Jahre alten Boys aus Norwegen endlich auf die Bühne und man kann nur froh sein, dass zumindest dem Anschein nach niemand hyperventilierend in Ohnmacht fällt. Marcus und Martinus strahlen um die Wette. Nur als eines ihrer Mikrofone nach einem Song ausfällt und sie improvisieren müssen, da wissen sie gar nicht so recht, was sie sagen sollen und stehen etwas verlegen auf der Bühne. Gut, dass die Technikpanne bald behoben ist.

Die Zwillinge sind ein popkulturelles Phänomen. Mit zehn Jahren fingen sie an, Songs zu schreiben. Dann gewannen sie eine Talentshow im norwegischen Fernsehen und bekamen ihren ersten Plattenvertrag. Und so ging es weiter. Vor den Augen der Öffentlichkeit sind sie von Kindern zu jungen Männern geworden, offenbar ohne durchzudrehen, zu scheitern, ohne Skandale, ohne Drogen und ohne Eskapaden. Genau weiß man es natürlich nicht, aber öffentlich ist zumindest nichts geworden. Noch immer wohnen sie irgendwo in der Einöde Nordnorwegens.

Tänzerinnen in hautengen Klamotten

Im Astra Club steht Marcus im deutschen Nationalmannschaftstrikot von Toni Kross vor den geschätzt 1.000 Fans, was etwas anbiedernd rüberkommt, Martinus trägt eine Art Angeber-Leder-Blouson mit Trägershirt drunter, in dem er aussieht wie Großeltern sich sogenannte Halbstarke vorstellen. Hinter ihnen im Halbdunkel steht eine dreiköpfige Band, die eventuell sogar ein bisschen live spielt, genau kann man das bei dem hochproduzierten und vollständig glattgezogenen Rummelbums-Dancefloor-Sound nicht sagen. Ist auch völlig egal. Sie stehen da und haben Instrumente, das soll für diesen Konzert-Abend reichen.

Marcus und Martinus jedenfalls tanzen sofort los wie die Wahnsinnigen. Das können sie wirklich gut. Es sieht geschmeidig und sportlich zugleich aus. Wie sie perfekt aufeinander abgestimmte Moves beiläufig mal eben wegtanzen, ist echt toll. Hinzukommen dann zwei junge, auch sehr, sehr gute Tänzerinnen in hautengen Klamotten, die sich sexy-lasziv in Softporno-Manier um Marcus und Martinus herumschlängeln. Wie die Männer den dicken Max mit Mikro machen und die Frauen dazu nur sexy die Brüste wackeln dürfen, sieht dann leider altbacken, peinlich und übersexualisiert aus - man mag kaum hinschauen.

Peter Fox Gymnasium auf Klassenfahrt

Ansagen machen die beiden Sänger kaum - und nur immer kurz: "Great, danke, yeah, Berlin, wow, das nächste Stück, könnt ihr mitsingen?" Sowas halt. Wie zwei kleine Roboter, die zu jeder Sekunde abliefern, was sich jemand vorher ganz genau ausgedacht hat. Die Songs vom neuen Album "Unforgettable" sind perfekt. Auch die alten Lieder, noch auf Norwegisch, sind perfekt. Aber auch die werden vom Publikum lautmalerisch mitgesungen.

Alles ist so perfekt - als gäbe es keine einzige echte Emotion, keine einzige spontane Regung, als sei alles nur Kalkül und Show. Die Sänger tun aber gleichzeitig so, als seien die Gefühle (es geht ja immer um die ganz große Liebe) riesig, überwältigend und so real in diesem einen Augenblick. Aber so muss das wohl sein bei einer Boyband. Und ach, was soll die ganze kritische Kritik!? Im Publikum sieht es so aus, als wäre die 7b des Peter Fox Gymnasiums auf Klassenfahrt kollektiv ins Astra eingefallen. Augen funkeln, Wangen glühen, Kehlen kreischen. Von dem Abend werden sie noch lange erzählen. Wer will diesen Spaß verderben?

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.09.2024, 7:55 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

2 Kommentare

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  1. 2.

    Ich gebe dir recht, ich war auch dort mit Freunden und habe diesen Artikel so gar nicht verstanden. Ich finde es schade, dass das Konzert so herablassend beschrieben wird, zumal es eine so gute Stimmung vor Ort gab, wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe. Ich bin mir auch nicht sicher, ob der Schreiber dieses Artikels persönlich vor Ort gewesen ist.

  2. 1.

    Sorry, aber wenn ein Autor Tony Kroos zu Tony Kross macht, dann wundert einen ein so ein sinnbefreiter Artikel auch nicht mehr. Ich war live vor Ort und habe weder mit Brüste wackelnden nach Softporno aussehende Tänzerinnen gesehen, noch tanzende Roboter. Ich habe dafür ein begeistertes Publikum und selten so eine großartige Stimmung bei einem Konzert erlebt. Für meine Tochter war es „der beste Tag ihres Lebens“ und das ging sicher den meisten so. Schade, dass ein profilierungsgeiler Provinz-Praktikant nicht die Fähigkeit besitzt, den Wert eines Konzertes mit den Augen und Ohren des Publikums zu beurteilen. Aber Hauptsache, Tony „Kross“ geht’s gut .

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