Blackout-Vorsorge in Berlin und Brandenburg - Nachfrage nach Notstromaggregaten enorm angestiegen
Und plötzlich geht nichts mehr. Immer mehr Haushalte und Unternehmen bereiten sich auf den Ernstfall Blackout vor. Das zeigt auch die enorm gestiegene Nachfrage nach Generatoren in Berlin und Brandenburg. Die Produktion kann kaum mithalten. Von Florian Dietz
Es ist seit Jahrzehnten Stoff für Kino- und TV-Thriller: Plötzlich fällt in der ganzen Stadt der Strom aus. Internet, Kühlschränke, Mobilfunk - alles tot. Licht gibt es allenfalls per Batterie, durch Feuer, oder Notstromaggregate.
Diese Aggregate erzeugen im Ernstfall Strom mit Verbrennungsmotoren. In vielen Gebäuden wie Krankenhäusern, Einkaufszentren oder Hotels sind sie per Norm verpflichtend verbaut und können den Weiterbetrieb über Stunden oder mehrere Tage aufrechterhalten.
Aktuell werden die Stromgeneratoren immer häufiger auch von Unternehmen und Privatpersonen nachfgefragt. Das spüren auch Hersteller und Vertriebe aus Berlin und Brandenburg deutlich an ihrer Auftragslage.
Private Nachfrage stieg zuletzt drastisch
"Bei Kleingeräten haben wir eine Absatzsteigerung von 1.000 Prozent im Vergleich zu 2019", sagt Kai Hoffmann, einer der Geschäftsführer der Berliner Firma HO-MA Notstrom, gegenüber rbb|24. Aggregate dieser Größenordnung werden demnach vor allem von Privatpersonen nachgefragt. Sie kosten in der Regel mindestens 1.000 Euro. "Viele wollen sich absichern, wollen Notstrom zu Hause haben, wollen dass ihre Heizung im Notfall funktioniert", so Hoffmann.
Die gesteigerte Nachfrage sei schon seit Beginn der Corona-Pandemie spürbar gewesen und nun durch die Gaspreisentwicklung in Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine enorm in die Höhe geschnellt.
Blackouts "äußerst unwahrscheinlich"
Eine reelle großflächige Blackout-Gefahr sieht die Bundesregierung in Deutschland derzeit allerdings nicht.
Das Bundesamt für Bevölkerungshilfe und Katastrophenschutz (BBK) hält die Wahrscheinlichkeit für filmgleiche Schreckensszenarien im Winter für "äußerst unwahrscheinlich". Das treffe laut einer BBK-Sprecherin auch auf erzwungene regionale Abschaltungen zur Sicherstellung der Gesamtversorgung zu.
Laut der Bundesnetzagentur verfügt Deutschland über eines der zuverlässigsten Stromversorgungssysteme weltweit. Es gebe zahlreiche Mechanismen und Reserven zur Stabilisierung des Stromnetzes in angespannten Situationen, so ein Sprecher.
Dennoch hält sich das Schlagwort "Blackout" auch in politischen Debatten. Städte und Gemeinden rüsten auf.
Nachfrage von Unternehmen verändert sich
Realistisch oder nicht, auch immer mehr Unternehmen fragen Notstromaggregate nach. Bei HO-MA Notstrom stieg die Nachfrage in diesem Segment zuletzt in etwa um den Faktor drei. Auffällig sei dabei, dass sich verstärkt Branchen absichern wollen, bei denen das zuvor noch keine große Rolle gespielt hatte.
Zu beobachten sei das beispielsweise bei produzierenden Firmen, auch im Zuge der Digitalisierung vieler Abläufe. "Sie haben keine Verpflichtung sich abzusichern. Aber sie rechnen beispielsweise, dass ein Tag Stromausfall 100.000 Euro kostet. Viele sagen sich dann: Je teurer das wird, desto mehr lohnt sich ein Aggregat", sagt Geschäftsführer Hoffmann.
Auch bei der Firma SAB, die ihren Vertrieb von Berlin aus steuert, ist die Auftragslage im Moment so enorm, dass einige Anfragen abgelehnt werden müssen. "Aktuell sind viele nervös", sagt Geschäftsführer Stefan Evers. Das spüre man auch deutlich am boomenden Markt für gebrauchte Generatoren: "Im Moment lässt sich eigentlich alles verkaufen, was noch läuft".
Deutliche Auswirkungen auf Lieferzeiten
Bei neuen Geräten stellt sich die Marktlage wegen der hohen Nachfrage komplizierter dar. Das merkt auch die Brandenburger Firma FS-Notstromservice aus Werder (Havel). Das Unternehmen ist auf Großkunden wie Mobilfunkanbieter, Industrie oder Kommunen spezialisiert.
"Normalerweise erhalten Kunden neue Aggregate innerhalb von sechs bis acht Wochen. Aktuell sind es 20 bis 25 Wochen", sagt Geschäftsführer Mario Fritsch. Hersteller im Hintergrund würden häufig schon keine Lieferzeiten mehr angeben. Weil die Produktion kaum hinterher kommt oder weil es teilweise Lieferengpässe bei notwendigen Teilen gebe. "Das macht die Kalkulation im Moment schwierig", so Fritsch.
Aufträge bekomme seine Firma im Moment auch verstärkt für die Wiederinbetriebnahme älterer Anlagen, beispielsweise Generatoren aus DDR-Zeiten.
Ende des Trends noch nicht absehbar
Wie lange sich der momentane Druck auf den Markt hält, ist nur schwierig einzuschätzen. "So lange Gas- und Kriegsproblematik nicht gelöst sind, wird sich die erhöhte Nachfrage halten", schätzt Kai Hoffmann, "sich dann aber auch wieder beruhigen".
Langfristig sorgen müssen sich die Notstrom-Firmen aber nach Einschätzung von SAB-Chef Stefan Evers dennoch nicht: "Generell wird die Nachfrage steigen, weil die Kapazitäten von Rechnerleistungen weiter steigen werden". Gerade große Rechenzentren seien wichtige Kunden, für die eine Sekunde Stromausfall schon einen wirtschaftlichen Totalschaden bedeuten könnte.
Sendung: rbb24 Abendschau, 24.11.2022, 19:30 Uhr