Lieferstopp vorerst abgewendet - Kyritzer Fernwärmestreit endet mit Vergleich

Mo 28.11.22 | 18:25 Uhr
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Symbolbild vom 14.06.2021: Fernwärmeleitungen sind am Stadtrand der Stadt Spremberg zu sehen (Quelle: dpa / Andreas Franke).
Video: rbb24 | 28.11.2022 | Material: Brandenburg aktuell | Bild: picture alliance

Ein Vermieter in Kyritz weigert sich, eine Preiserhöhung des Energieversorgers anzunehmen - der fordert einen deutlich höheren Abschlag als noch zwei Jahre zuvor. Nun einigten sich beide Seiten vor Gericht - und 2.200 Mieter haben vorerst Sicherheit.

Der Gerichtsstreit zwischen der Kyritzer Wohnungsbaugesellschaft (KWG)und ihrem Energieversorger Energicos vor dem Landgericht Neuruppin ist am Montagnachmittag mit einem Vergleich beendet worden. Der hat zur Folge, dass nun etwa 2.200 betroffene Mieterinnen und Mieter Versorgungssicherheit bis mindestens Anfang Januar haben. Der drohende Lieferstopp ist erstmal abgewendet.

In dem für Montag angesetzten Eilverfahren sollte entschieden werden, wie hoch die monatlichen Ratenzahlungen an den Energieversorger - nach den aktuellen Weltmarktpreisen - sein sollen und bis wann sie zu zahlen sind. Außerdem sollte der Energieversorger dazu verpflichtet werden, den Mietern nicht wieder mit dem Abstellen der Fernwärme zu drohen.

Offene Forderungen bis Ende der Woche überweisen - sonst wirds ab 1. Januar kalt

Die stundenlangen Verhandlungen glichen nach den Worten der Richterin einem "Basar". Immer wieder zogen sich die Parteien mit ihren Anwälten zur Beratung zurück. Aber am Ende reichte es für einen Erfolg: Ursprünglich wollte Energicos eine monatliche Ratenzahlung von 300.000 Euro ab August. Daraus sind nun 100.000 Euro geworden. Hierbei profitierte die KWG auch von den inzwischen wieder gesunkenen Energiepreisen.

Sie muss aber die noch offenen Abschlagsforderungen von 450.000 Euro bis Ende dieser Woche an Energicos zahlen. Dann verpflichtet sich die Firma, die Versorgung bis zum 15. Januar fortzusetzen und die Berechnungsgrundlage der gestiegenen Abschlagspreise offenzulegen.

Zahlt die Wohnungsbaugesellschaft die offene Summe aber nicht bis Ende der Woche, dann darf Energicos die Energieversorgung zum 1. Januar wirklich abstellen. "Für die Energieversorger gibt es jetzt die Sicherheit, dass wenn die Abschläge berechtigt und nachvollziehbar sind, dass die auch gezahlt werden müssen", sagte Thomas Rose, der Geschäftsbereichsleiter Marketing bei Energicos, am Montag dem rbb. Gabriele Schuster, die Geschäftsführerin der Wohnungsbaugesellschaft, zeigte sich im Gespräch mit dem rbb zufrieden mit der Entscheidung des Gerichts. "Auf die Mieter kommt zu, dass sie eine warme Wohnung haben und vergleichsweise vernünftige Preise, die noch tragbar sind", sagte sie. Die parteilose Kyritzer Bürgermeisterin Nora Görke betonte, man habe gegenüber den ursprünglichen Forderungen 900.000 Euro gespart.

Abschlag mehr als vier Mal so hoch wie zwei Jahre zuvor

Seit Längerem streiten die Wohnungsbaugesellschaft und der Versorger Energicos über eine Erhöhung der Fernwärme-Preise. Die Wohnungsgesellschaft sieht sie den Worten ihrer Geschäftsführerin zufolge als viel zu hoch an und zahlte deshalb nur einen Anteil. Anfang November war der Streit eskaliert, nachdem Energicos per Aushängen an den Wohnhäusern angekündigt hatte, die Fernwärmeversorgung einstellen zu wollen. Davon wären gut 2.200 Mieter betroffen gewesen. Danach hatte der Versorger dem rbb allerdings mitgeteilt, die Wärmeversorgung bis zum Verhandlungstermin nicht abstellen zu wollen.

Nach Angaben der KWG-Chefin von Mitte November verlangte Energicos 38 Cent pro Kilowattstunde. Das sei mehr als vier Mal so viel wie vor zwei Jahren und deutlich mehr als bei anderen Versorgen. Energicos hatte mitgeteilt, dass ein hoher sechsstelliger Betrag offen sei, den die Kyritzer Wohnungsbaugesellschaft in diesem Jahr nicht gezahlt habe.

Für die Zeit nach dem 15. Januar möchte die KWG wieder verhandeln

Der Energieversorger wies außerdem ausdrücklich Vorwürfe zurück, die die Wohnungsbaugesellschaft in einer Presserklärung erhoben hatte: Energicos halte vertragliche Verpflichtungen nicht ein, wonach seit August 2022 die Fernwärme-Erzeugung im Heizhaus Rehfelder Weg in Kyritz zur Hälfte aus Erdgas und zur anderen Hälfte aus erneuerbaren Energien zu erfolgen hat.

Die Gerichtsentscheidung vom Montag bezieht erst einmal nur den Zeitraum bis Mitte Januar ein - falls die KWG pünktlich die noch offenen Forderungen begleicht. Zu welchen Bedingungen und Preisen die Mieterinnen und Mieter der 888 kommunalen Wohnungen danach versorgt werden, ist offen, das weitere Prozedere nicht gerichtlich festgelegt. "Wir hoffen, dass wir in weitere Verhandlungen mit dem Fernwärmeversorger treten können und letztlich die nächsten zehn Jahre ordentlich ebnen", sagte die KWG-Geschäftsführerin Gabriele Schuster dem rbb.

Sendung: Brandenburg aktuell, 28.11.2022, 19:30 Uhr

20 Kommentare

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  1. 20.

    Am Marktelement zur Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt fehlt es, wenn die Preise lediglich an die Erzeugungskosten wie die eigenen Brennstoffkosten bzw. Gasgestehungskosten des Versorgers gekoppelt sind. Entsprechende Gestaltungen sind nicht selten und für einzelne Versorger typisch. Darauf deutet hin, wenn der Versorger für Preiserhöhungen auf eigene stark gestiegene Gasbezugskosten verweist. Klarheit schafft in solchen Fällen aber nur der Blick in den betroffenen Vertrag bzw. in die im Internet veröffentlichten Versorgungsbedingungen des Fernwärmeversorgers.

  2. 19.

    Und? Was wollen Sie sagen? Wissen Sie überhaupt, was man unter dem Marktelement versteht und warum das hier strittig sein soll?

    @rbb, bitte dranbleiben!

  3. 18.

    Wenn im Fernwärmelieferungsvertrag die Preisänderungsklausel zB. gem. § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV lt. BGH deshalb unwirksam ist, weil es am sog. Marktelement fehlt, so sind alle darauf gestützten Preiserhöhungen unwirksam und bleiben es nach einem Preiswiderspruch auch. Bei der Festsetzung der Abschlagshöhe handelt es sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die gem. § 315 BGB der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt. Sie ist unbillig (unwirksam), wenn ihr unwirksame Preiserhöhungen zu Grunde gelegt waren. Mit der Zahlung erhöhter Abschläge ist regelmäßig kein Anerkenntnis von Preiserhöhungen verbunden. Bei deren Unwirksamkeit sind der folgenden Verbrauchsabrechnung die alten Preise zu Grunde zu legen. Die erhöhten Abschlagszahlungen führen in dem Fall bei der Abrechnung zu einem Auszahlungsguthaben. Es kann sich insoweit empfehlen, auf die Feststellung der Unwirksamkeit der einseitigen Preisänderungen (und der Preisänderungsklausel) zu klagen.

  4. 16.

    Ich denke, wenn sich die Wohnungsbaugesellschaft vor Wochen hinstellt und sagt, der Versorger fordert überhöhte Preise und jetzt eine halbe Million Abschläge nachzahlen muss, spricht das für sich. Abschläge sind immer nur Vorauszahlungen, durch eine Senkung der Abschläge wird die Jahresrechnung nicht billiger oder teurer, am Ende wird sich zeigen, ob nun hohe Nachzahlungen auf die Mieter zukommen...

  5. 15.

    Ich war nicht anwesend und kann tatsächlich nur dem vertrauen, was im Artikel steht:
    "Sie muss aber die noch offenen Abschlagsforderungen von 450.000 Euro bis Ende dieser Woche an Energicos zahlen. Dann verpflichtet sich die Firma, die Versorgung bis zum 15. Januar fortzusetzen und die Berechnungsgrundlage der gestiegenen Abschlagspreise offenzulegen."

    Das Wort 'Berechnungsgrundlage' habe ich als 'Kalkulation' bezeichnet. Ansonsten bitte sachlich bleiben, danke.

  6. 14.

    Es ist schon lustig, oder auch nicht. Jeder kann irgendwelchen Stuss schreiben und darauf beharren. Im ganzen Termin gab es nicht einmal das Wort: Kalkulation offen legen.

    Genau das muss selbst energicos nicht. Darum ging es auch nicht. Es gilt vielmehr die AVBFernwärmeV, dass ist ganz einfach. So sah es dann auch das Gericht, wobei zwei Richter nicht einen Pieps gemacht haben.

    Das hat mit Zocken nur auf Seiten von energicos zu tun. Aber einfach mal informieren und dann vor sich hin plaudern.

  7. 13.

    "Die parteilose Kyritzer Bürgermeisterin Nora Görke betonte, man habe gegenüber den ursprünglichen Forderungen 900.000 Euro gespart."
    Der Frau sollte man mal den Unterschied zwischen Abschlägen und Rechnungen erklären. Hoffentlich werden die Verantwortlichen in Haftung genommen, wenn die jetzt den Mietern günstige Preise vorspielen, die es gar nicht gibt. Wenn die Jahresrechnung kommt und die Abschläge zu gering waren, muss nachgezahlt werden. Da hilft es auch nicht, wenn die Abschläge vor Gericht aus Kulanz gesenkt wurden. Mit den Mietern kann man bei so einer Verwaltung nur Mitleid haben.

  8. 12.

    Die KWG muss sämtliche offene Abschläge bis Ende der Woche nachzahlen und die weiteren Abschläge konnten nur aufgrund inzwischen gesunkener Handelspreise von 300k auf 100k gesenkt werden. Die Offenlegung der Kalkulation wird die Rechtmäßigkeit der (alten und neuen) Abschläge zeigen. Die KWG hat gezockt und die Mieter dürfen letzlich zahlen. Was gibt es hier nicht zu verstehen?

  9. 11.

    Schon am 07.11.2022 hast du es nicht verstanden - heute erst recht nicht. Die KWG muss eben gerade nicht die überhöhten Abschlagzahlungen zahlen. Anstatt 400 jetzt 100 TEURO. Was ist daran eigentlich falsch zu verstehen?

    Um die hohen neuen Fernwärmepreise ging es in dem Eilverfahren zunächst nicht. Das kommt noch.

  10. 10.

    Mit nichten FDP Wähler!

    Das es um Grundsäztliches geht, das kommt nicht in den Sinn?

    Von rechts und links wird man mit Lügen zugemüllt, dass muss man nicht schweigend hinnehmen, egal ob, und was man wählt.

  11. 9.

    Jetzt zeigt sich was die Privatisierungswelle vor 20 Jahren gebracht hat. Mondpreise und legalisiertes Abzocken der Bürger bis zum letzten Cent.
    Ziel die Menschen arm machen und die eigenen Taschen füllen. Und der Bundeskanzler schützt die Abzocker und wendet sich damit von der EU ab.

  12. 8.

    Die KWG muss also zahlen, also nix mit gierigem Versorger.
    Dazu passend mein Kommentar vom 07.11.:
    "Die KWG wird vermutlich 'nur' Fernwärme ohne Preisabsicherung bestellt haben, der Versorger hat genau so selbst bestellt und geliefert, jahrelang war dies günstiger als zusätzlich Preisabsicherung und nun, wo die Preise gestiegen sind, möchte die KWG medienwirksam nicht mehr zahlen, um von eigenen Fehlern abzulenken."
    ;)

  13. 6.

    "Die Bundesrepublik ist keine "Bananenrepublik", ergo, sind auch Ämter keine rechtsfreie Einrichtungen, wo je nach eigenen Gusto gehandelt werden darf."

    Träumen sie weiter.

    "Die Foren, das sind freie "Räume", wo man seinen "Senf" loswerden kann, und sei er noch so dumm oder verlogen."

    Das merkt man an solchen Antworten wie die von ihnen.

  14. 5.

    Die Bundesrepublik ist keine "Bananenrepublik", ergo, sind auch Ämter keine rechtsfreie Einrichtungen, wo je nach eigenen Gusto gehandelt werden darf.

    Die Foren, das sind freie "Räume", wo man seinen "Senf" loswerden kann, und sei er noch so dumm oder verlogen.

  15. 4.

    "Ich denke das hier das Land einschreiten muss und sich für die Rechte der Bürger ensetzen muss."
    Falls sie es noch nicht gemerkt haben, der Sozialismus ist vorbei.
    Genauso wie "Geiz ist geil".
    In einer Marktwirtschaft wir der Preis nicht vom Staat vorgegeben sondern vom Markt.
    Für Wucher ist das Kartellamt zuständig.
    Also dahin wenden.

  16. 2.

    Bei meinem Schwiegervater hat energicos den monatlichen Betrag von ursprünglich 150 EUR auf über 1000 Eur angehoben. Sie wollen von Ihm pro kwH ebenfalls über 38 ct haben. Der Verbraucherschutz den wir kontaktiert haben kann hier ebenfalls nicht helfen. Bei der energicos-Hotline geht niemand ran und es wird immer ein Rückruf versprochen der dann nie erfolgt. Ich denke das hier das Land einschreiten muss und sich für die Rechte der Bürger ensetzen muss.

  17. 1.

    Der 4 fache Preis? Die Stadtwerke Potsdam verlangten den 6 fachen Preis ab 1.1. auf Nachfrage wie das sein kann die lapidare Antwort „wissen Sie was hier los ist? „ ich frage mich ob das Kartellamt Winterschlaf hält

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