Jugendämter unter Druck - Berliner Unterkünfte für minderjährige Flüchtlinge fast voll

Fr 23.12.22 | 06:05 Uhr | Von Roberto Jurkschat
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Symbolbild: Drei jugendliche syrische Flüchtlinge gehen am 27.04.2016 in Dahlem bei Dahlenburg (Niedersachsen) auf dem Gelände des Internatsgymnasium Marienau zum Unterricht. (Quelle: dpa/Philipp Schulze)
Audio: Fritz | 23.12.2022 | Anja Haufe | Bild: dpa/Philipp Schulze

Die Senatsverwaltung für Jugend muss immer mehr unbegleitete Minderjährige versorgen, die aus Kriegsgebieten in Berlin ankommen. Die Vermittlung in die reguläre Unterkünfte der Bezirke wird immer komplizierter. Von Roberto Jurkschat

  • Berlin hat Aufnahmekapazitäten für unbegleitete minderjährige Geflüchtete stark erweitert
  • Dennoch reichen die neugeschaffenen Plätze kaum noch aus
  • Jugendliche müssen nach ihrer Ankunft in Berlin inzwischen bis zu zwei Monate auf einen Platz in einer regulären Unterkunft warten

Angesichts der starken Auslastung von Flüchtlingsunterkünften in Berlin geraten auch die Einrichtungen für junge Geflüchtete zunehmend an ihre Grenzen.

Durchschnittlich kommen derzeit täglich zehn unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach Berlin, wie eine Sprecherin der Senatsjugendverwaltung rbb|24 am Donnerstag mitteilte. Von den 1.090 Plätzen des Landesjugendamtes seien derzeit 85 Prozent belegt. Dabei habe die Senatsverwaltung für Jugend die Aufnahmekapazitäten in diesem Jahr bereits mehr als verzehnfacht, weil die Zahl der Ankommenden im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen ist. Seit Januar wurden den Angaben nach bereits 3.122 unbegleitete Kinder und Jugendliche durch das Landesjugendamt in Obhut genommen, 2021 waren es knapp 700.

Zu den inzwischen 1.090 Plätzen seien weitere 550 Plätze "in Planung und Aufbau", wie es heißt.

Nicht nur Kinder und Jugendliche aus der Ukraine

"Von März bis Juni war der Anteil der aus der Ukraine stammenden Minderjährigen sehr hoch", erklärt eine Sprecherin der Senatsjugendverwaltung gegenüber rbb|24. "Inzwischen ist dieser Anteil deutlich zurückgegangen, stattdessen ist der Anteil aus den Herkunftsländern Afghanistan, Syrien, Türkei und Libanon stark gestiegen."

Normalerweise bleiben unbegleitete Kinder und Jugendliche nach ihrer Ankunft nur für kurze Zeit in der Obhut des Landesjugendamtes. Nach einem Clearing sind die Bezirksjugendämter für die Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung zuständig. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Jugend wird die Vermittlung in die Bezirke aber immer schwieriger, weil die Kapazitäten dort nahezu ausgeschöpft sind. Das hat zur Folge, dass sich die Wartezeiten für die Minderjährigen nach ihrer Ankunft in Berlin deutlich in die Länge ziehen.

Wartezeiten deutlich verlängert

Bei der Ankunft unbegleiteter Minderjähriger zeigen sich deshalb ähnliche Probleme, wie in den Ankunftszentren in Tegel und Reinickendorf: In Notunterkünften, Clearingeinrichtungen und Erstaufnahmestellen, die eigentlich für kurze Aufenthalte vorgesehen sind, müssen Minderjährige inzwischen lange Zeit ausharren.

"Das Landesjugendamt kommt aktuell nicht mit den Erstgesprächen hinterher, die Ankunftsprozedur in Berlin dauert inzwischen mehr als zwei Monate", sagt Daniel Jasch, Koordinator der Beratungsstelle BBZ in Berlin-Moabit. Bei der Inobhutnahme durch das Landesjugendamt seien Betreuungs- und Unterbringungsstandards außer Kraft gesetzt worden, auch in den Bezirken gebe es keine freien Kapazitäten mehr, um die unbegleitete Kinder adäquat unterzubringen.

Fiktive Geburtstage am 31. Dezember

Mit Sorge blicken Flüchtlingshelfer:innen nun auf die Gruppe der 17-Jährigen in der Obhut des Landesjugendamtes, die mit dem Jahreswechsel 18 Jahre alt werden und für deren Unterbringung das Landesjugendamt dann offiziell nicht mehr zuständig ist. "Viele werden laut ihren Papieren am 1. Januar volljährig und wissen nicht, wo sie dann unterkommen können", sagt Daniel Jasch. "Wenn die Jugendlichen dann zum Jahreswechsel 18 werden und die Einrichtung des Landesjugendamtes verlassen müssen, sehe ich die Gefahr, dass viele erst einmal obdachlos werden."

Nach Angaben der Senatsjugendverwaltung werden um den Jahreswechsel 75 Jugendliche in den Clearingeinrichtungen 18 Jahre alt - zumindest auf dem Papier. Denn Behörden tragen den 31. Dezember oder den 1. Januar als fiktives Geburtsdatum in die Ausweise von Flüchtlingen ein, wenn diese ohne Papiere eingereist sind oder wenn aus ihren Geburtsurkunden nur das Jahr aber nicht der Tag der Geburt hervorgeht.

Obdachlosigkeit soll vermieden werden

Im Gespräch mit rbb|24 bekräftigte eine Sprecherin der Senatsjugendverwaltung nun, es werde niemand zum 18. Geburtstag auf die Straße gesetzt. "Bevor die Jugendlichen obdachlos werden, bleiben sie in unseren Einrichtungen."

Die jungen Erwachsenen leite das Landesjugendamt an die zuständige Sozialbehörde weiter die eine Anschlussunterbringung sicherstellen muss. Hier kommt das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) ins Spiel, zumindest, wenn ein Asylantrag gestellt wird. Die Auslastung der regulären LAF-Unterkünfte lag bereits Anfang Dezember bei 99,5 Prozent.

Sendung: rbb24 Abendschau, 22.12.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Roberto Jurkschat

39 Kommentare

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  1. 39.

    Große Klappen werden besser gehört. Frage an Sie: Was tun Sie aktuell für Flüchtlinge, oder haben Sie nur einen großen Mund?
    Offenbar stört Sie das Grundgesetz in vorhandener Form - da hilft nur eins: auswandern.

  2. 38.

    An „Michael“ (Nr. 35):

    Zur Problemlösung schlage ich vor, erst einmal die in Deutschland geltenden Rechtsgrundlagen zur Kenntnis zu nehmen: EU-Richtlinien, Grundsatzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Aufenthaltsgesetz (§ 58 1a).

    Darin wird hinsichtlich der Unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlinge („UMF“), die sich in Deutschland aufhalten, festgestellt:
    Ein „UMF“ darf aus Deutschland nur abgeschoben werden, wenn der zuständigen Ausländerbehörde eine schriftliche Bestätigung der oder des Erziehungsberechtigten (oder einer geeigneten Jugendeinrichtung)vorliegt, dass die beabsichtigte Abschiebung dem „Schutz und Wohl des UMF“ nicht widerspricht.

  3. 37.
    Antwort auf [Kevin ] vom 24.12.2022 um 10:47

    Der Vater meines Freundes, dessen Kumpel kennt jemanden...........
    Hören Sie doch mit diesen Geschichten auf.
    Frohe Weihnachten

  4. 36.

    Dass die Frage ironisch gemeint sein könnte, kam dem @Tim nicht in den Sinn! Ich erinnere nur an die Situation minderjähriger unbegleiteter Mädchen auf Moria. Die sollten aufgrund der katastrophalen Zustände gerade für Mädchen! u.a. nach Deutschland evakuiert werden. Wer hier hingegen fast ausschließlich ankam, dürfte bekannt sein! Aber Hauptsache jedes zu niedrig hängende verbale "Stöckchen" überstelzen müssen...
    Mal drüber nachdenken.

  5. 35.

    „Warum geht es hier immer nur um minderjährige unbegleitete Jungmänner!
    Wie hoch ist denn eigentlich der Anteil der minderjährigen unbegleiteten Mädchen? Mal drüber nachdenken!“

    Mann, Mann, Mann … Wenn Sie echt nicht darauf kommen, warum unbegleitete minderjährige Mädchen sich nicht auf so einen strapaziösen und gefährlichen Weg machen, kann ich auf Ihre ach so „kritische Begleitung“ wirklich gut und gerne verzichten. Vielleicht sollten Sie doch noch mal in Ruhe „drüber nachdenken“ …

  6. 34.

    Jetzt hören Sie mal bitte auf mit dem efigen rechtsextremen Geschwafel, der Mann von meiner Cousine ist in Angola geboren, viele meiner Bekannten haben türkische ,polnische Wurzeln Zu DDR Zeiten habe ich mit Gastarbeitern aus Mosambik, Kuba zusammengearbeitet, also lassen Sie es bleiben, Sie kennen mich nicht. Es geht um die Realität, die Sie entweder nicht verstehen wollen oder nicht können. Und wenn so ein helles Köpfchen sind machen Sie doch Vorschläge wie Sie das Problem in den Griff bekommen wollen, aber das können Sie nicht weil ihnen dazu das Wissen fehl. In diesem Sinne.

  7. 33.

    Warum geht es hier immer nur um minderjährige unbegleitete Jungmänner!
    Wie hoch ist denn eigentlich der Anteil der minderjährigen unbegleiteten Mädchen? Mal drüber nachdenken!
    Einigen scheint nicht klar zu sein, dass das Asylrecht ein individuelles Recht auf Zeit ist. Und die hochgelobte Genfer Flüchtlingskonvention hat in Art.32/33 einen Passus, dass Flüchtlinge, die eine Gefahr für die öffentliche Ordnung im Aufnahmeland darstellen, ausgewiesen werden können.
    Aber die gibt es ja nicht, gelle!

  8. 32.

    „Merken Sie denn nicht, dass Sie Opfer Ihrer eigenen Ideologie sind ?"

    Ich bin dafür, dass Menschen in Not von einem der reichsten Länder – sowohl Europas als auch der ganzen Welt – geholfen wird. Wenn Sie Humanismus allen Ernstes als „Ideologie“ bezeichnen, scheint genau darin Ihr Problem zu liegen.

    „Darf ich denn keine eigene Meinung vertreten … eine sehr realistische wie ich finde."

    Jungen Menschen, die ohne alles IM WINTER unsere Grenzen erreichen, Hilfe verweigern zu wollen, ist nun mal eine sehr unmenschliche „Meinung“. Und da es eben bloß Ihre persönliche „Meinung“ ist, ist der Realitätsanspruch, den Sie erheben, auch ziemlich anmaßend und selbstgerecht. Ich kann meine Einstellung immerhin noch mit Menschlichkeit begründen – und Sie?

    „Ist es denn in ihren Augen menschlicher, die Asylsuchenden unter Brücken verweilen zu lassen ?“

    Nein. Die Menschen in ärmeren Ländern stranden zu lassen, wo sie gar keine Hilfe zu erwarten haben, kann aber auch keine Lösung sein.

  9. 31.

    Ihre Mutmaßungen über andere Kommentatoren sind:
    „Rechte „Ideologie“ ist das“
    „ausschließlich mit sich selbst und dem "deutschen Volk“ zu haben. Irgendetwas in Ihrer persönlichen charakterlichen Entwicklung scheint leider ganz grundlegend schiefgelaufen zu sein …

    Hilfe ist dann eine Hilfe wenn man hilft. Alles andere ist Hochstapelei, verlogen, heuchlerisch. Und auch höchst unmoralisch, wenn man verlangt, dass andere, aber man nicht selber dafür zahlen muss.

  10. 30.

    „Erheben Sie sich nicht mit Mutmaßungen , wenn Sie ernst genommen werden wollen.“

    Welche Mutmaßungen meinen Sie denn bitte ganz konkret?

    „Wenn Frau Kipping die Kinder nicht in die Schulen schicken kann, sofort, dann ist sie „egoistisch“ weil sie „Gutmensch“ auf Kosten anderer sein will und „menschenfeindlich“ auch, weil sie Container für Menschen gut findet. Wenn man nicht helfen kann und will, dann muss man nicht so tun als ob.“

    Was ist das denn bitte für eine abenteuerlich-absurde Unterstellung? Oder handelt es sich lediglich um eine bloße „Mutmaßung“ Ihrerseits? Und damit wollen SIE nun aber ernst genommen werden, ja?

    Was wäre denn Ihre Schlussfolgerung? (Jungen) Menschen, die unsere Hilfe benötigen, am besten gar nicht helfen, wenn wir das nicht in absolut optimalem Maße bewerkstelligen können, und sie ganz einfach vor deutschen und europäischen Grenzen sitzen lassen? Das kann doch wohl nicht wirklich Ihr Ernst sein … Oder etwa doch? Sie machen mir wirklich Angst …

  11. 29.

    "Darf ich denn keine eigene Meinung vertreten ......eine sehr realistische wie ich finde."

    Nein, eher eine fremdenfeindliche und rechtsextreme. "Mainstreamblase", ein typisches rechtsextremes Narrativ, genau wie sich in der Opferrolle zu suhlen wenn man ihre Gesinnung, die sie hier offen vertreten, genau so offen anspricht.

  12. 28.

    Ach Tim, darauf habe ich direkt gewartet. Wenn man keine wirklichen Argumente hat, kommen die üblichen Parolen. Natürlich können so nur "rechte" denken. Wahrscheinlich AfD -Wähler. Merken Sie denn nicht, dass Sie Opfer Ihrer eigenen Ideologie sind ? Darf ich denn keine eigene Meinung vertreten ......eine sehr realistische wie ich finde. Selbst Die linke Kipping sagt,wir haben keine Kapazitäten mehr. Ist es denn in ihren Augen menschlicher, die Asylsuchenden unter Brücken verweilen zu lassen ?

  13. 27.

    „Wenn man nicht helfen kann, dann muss man nicht so tun als ob.“

    Stimmt! Es ist letzten Endes auch asozial gegenüber vielen Flüchtlingen und Einheimischen. Probleme müssen ursächlich (!)erkannt und gelöst werden. Das handwerkliche Herumdoktern an ihren Symptomen/Folgen ist eine unendliche Geschichte.

  14. 26.

    Hilfe für Geflüchtete ist eine humanitäre und christliche Pflicht. Nicht nur im Land der „Moral-Weltmeister“! Auch in anderen EU-Staaten: Spanien, Portugal, Zypern etc. Was fehlt, ist eine EU-weite Regelung für alle Flüchtlinge, die in Europa leben wollen/müssen. Die Genfer Flüchtlingskonvention kennt keine Flüchtlinge, die aus wirtschaftlicher Not in Europa bessere Lebensbedingungen suchen.

  15. 25.

    "Im Grundgesetz steht aber nicht das wir alle Flüchtlinge dieser Welt aufnehmen sollen. "

    Das tun wir auch nicht, nur werden Rechtsextreme und deren Anhänger nicht müde die Lüge ständig zu wiederholen.

    https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen

  16. 24.

    Erheben Sie sich nicht mit Mutmaßungen , wenn Sie ernst genommen werden wollen.
    „ist wirklich zutiefst egoistisch und menschenfeindlich“ - genau so ist es. Aber anders als Sie meinen. Wenn Frau Kipping die Kinder nicht in die Schulen schicken kann, sofort, dann ist sie „egoistisch“ weil sie „Gutmensch“ auf Kosten anderer sein will und „menschenfeindlich“ auch, weil sie Container für Menschen gut findet. Wenn man nicht helfen kann und will, dann muss man nicht so tun als ob.

  17. 23.

    "Im Grundgesetz steht aber nicht das wir alle Flüchtlinge dieser Welt aufnehmen sollen. "

    Das tun wir auch nicht, nur werden Rechtsextreme und deren Anhänger nicht müde die Lüge ständig zu wiederholen.

    https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen

  18. 22.

    „Danke Realist für diesen Kommentar. Dem ist nichts hinzuzufügen.“

    Oh, doch … Zum Beispiel das, was ich in der #20 geschrieben habe;
    und was Sie sehr gerne auch auf sich selbst beziehen dürfen.

  19. 21.

    „Was tun Sie aktuell für Flüchtlinge, oder haben Sie nur einen großen Mund?“

    Was tun Sie selbst denn für geflüchtete Menschen? Oder sind es vielleicht doch Sie selbst, der „nur einen großen Mund“ hat? Menschen die Hilfe, die Sie benötigen, zu verweigern, ist natürlich ganz groß; Sie sind ein richtiger Held … Auf Ihre Hilfe möchte ich wirklich nie angewiesen sein. Einfach nur die Augen vor ganz realen Problemen zu verschließen, wird diese leider nicht auch nur ein kleines bisschen lösen.

  20. 20.

    Im Grundgesetz steht aber nicht das wir alle Flüchtlinge dieser Welt aufnehmen sollen. Und sollte der Zustrom nicht abreißen und diese dann vielleicht über Jahre in Zeltstädten wohnen,hat es dann nichts mehr mit Menschenwürde zu tun. Andere Länder in Europa wissen wann genug ist, nur Deutschland nicht. Was jetzt gerade passiert ist wieder einmal der hilflose Versuch der Politik die Lage unter Kontrolle zu bekommen .

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