Räume von Rechtsanwalt in Berlin durchsucht - Razzia wegen betrügerischer Abmahnungen rund um Google-Schriftarten

Mi 21.12.22 | 15:00 Uhr
  11
Symbolbild: Google-Schriftzug mit charakteristischer Schriftart als Neon-Reklame-Schild. (Quelle: dpa/B. Zawrzel)
Video: rbb24 Abendschau | 21.12.2022 | Bild: dpa/B. Zawrzel

Weil sie Google-Schriftarten verwendeten, wurden tausende Privatpersonen von einem Rechtsanwalt und einem Komplizen abgemahnt. Die Schriften sollen gegen den Datenschutz verstoßen haben. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Betrug aus.

Ein Berliner Rechtsanwalt und ein Komplize sollen Tausende Internet-Nutzer von Google-Schriftarten betrogen und zum Teil erpresst haben. Die Polizei durchsuchte am Mittwoch Räume in Berlin, Hannover (Niedersachsen), Baden-Baden (Baden-Württemberg) sowie Ratzeburg (Schleswig-Holstein) und beschlagnahmte zahlreiche Unterlagen und Daten, wie die Berliner Staatsanwaltschaft mitteilte. Die Ermittler gehen von einem finanziellen Schaden von 346.000 Euro aus und haben diese Summe festgesetzt, um das Geld beschlagnahmen zu können.

Automatische Weitergabe in Deutschland verboten

Der Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Berlin soll in 2.418 Fällen Abmahnungen an Privatpersonen und kleine Händler geschickt haben, die auf ihren Internetseiten sogenannte Google Fonts - ein interaktives Verzeichnis mit über 1.400 Schriftarten - nutzten. Der Jurist soll jeweils 170 Euro als Vergleichszahlung gefordert haben.

Internetseiten, die diese Schriftarten nutzen, übermitteln automatisch die IP-Adressen von Besuchern der Seite an die Firma Google. Diese automatische Weitergabe ist in Deutschland wegen des Datenschutzes nicht zulässig und ein Verstoß durch den Betreiber der Seite.

Behauptete Rechtsverletzung lag nicht vor

Der 53 Jahre alte Anwalt, der in Ratzeburg wohnt, und sein 41 Jahre alter Komplize, ein Mandant aus Hannover, sollen mit Programmen solche Internetseiten identifiziert und im Netz mit einer entsprechenden Software aufgerufen haben. Dann sollen sie bei den Betreibern moniert haben, dass ihr Recht auf Datenschutz verletzt worden sei, eine Forderung auf Schmerzensgeld angedroht und die Vergleichssumme eingefordert haben.

Die Staatsanwaltschaft betonte, bei diesem bewussten Vorgehen gebe es eben keine Verletzung des Datenschutzes, erst Recht nicht, weil ein Computerprogramm die Seiten aufgerufen habe. "Mangels Person läge dann aber keine Verletzung eines Persönlichkeitsrechts vor", erklärte die Berliner Staatsanwaltschaft. Stattdessen hätten die Männer als Betrüger und Erpresser agiert. Etwa 2.000 Menschen hätten aus Sorge vor einem Gerichtsverfahren gezahlt. 420 Menschen hätten den Anwalt angezeigt.

Sendung: rbb24 Abendschau, 21.12.2022, 19:30 Uhr

11 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 11.

    Die Möglichkeit zur "freien Entfaltung der Persönlichkeit" hängt hier eben höher als im übrigen Europa.
    Das gilt eben für ehrbare Bürger und ehrlose Bürger gleichermaßen.

    Kommt jetzt nach der Cookie-Schranke (von einem Österreicher erstritten) auch noch die Google-Schriftarten-Schranke ("Wollen Sie die website mit Text mit Google-Schriftarten sehen oder als Bilder von den website")? (nicht ernst gemeint)

  2. 10.

    >"Gut gemeint ist eben das Gegenteil von gut gemacht."
    Genau! Das mit der DSGVO ist ein typischer Fall von deuscher Überregulierung.

  3. 9.

    Nee, nee! Brüssel ist daran nicht unmittelbar schuld. Deutschland hat sich eigenständig dazu entschieden, eine entsprechende Richtlinie besonders scharf umzusetzen und hat viele Dinge deutlich stärker reglementiert, als es nach der Richtlinie nötig gewesen wäre. In Deutschland sind deshalb besonders viele Daten als persönliche oder gar streng vertrauliche Daten festgelegt worden, auch im Nachhinein durch die Datenschutzbeauftragten, als dies in anderen EU-Ländern der Fall ist. Die DSGVO ist dabei nicht das einzige Thema, wo dies der Fall war, es gibt noch mehr, die am Ende für die Verbraucher sogar kontraproduktiv sind. Gut gemeint ist eben das Gegenteil von gut gemacht.

  4. 8.

    Finde ich richtig, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Das gilt übrigens für (fast) alle Schriften.
    Viele sind z.B. auch fürs Einbetten in PDF überhaupt nicht genehmigt/lizenziert. Selbst Firme haben null Ahnung und denken: WYSIWYG.
    Da das Internet leider jedem Laien (99,9% aller User samt sind Laien)zugänglich gemacht wurde, haben Anwälte leichte Kohle.

  5. 7.

    Ja, es waren / sind mehrere Kanzleien mit dieser Masche unterwegs. Als Anwalt mache ich letztlich aber den Gesetzgeber für derartig hohle Regelungen verantwortlich. Grundlage ist die DSGVO, hier hätte die deutsche Regierung viel viel früher in Brüssel eingreifen müssen!

  6. 6.

    Die Anwälte mögen nicht seriös sein, wenn sie aber google fonts ungefragt einbinden, haben sie trotzdem besagtes Problem und machen sich angreifbar. Besser bieten Sie die Schriftarten selbst von Ihrem Server an, oder verzichten eben darauf.

  7. 5.

    Auch ich habe als Eigentümer der Webseite für meine Firma dieses Schreiben erhalten. Hatte kurz überlegt zu zahlen, um "Ruhe" zu haben. Hat mich viele Nerven, mehrere Stunden Arbeit und Recherchen gekostet und ich habe meine Webseite deshalb sogar seit Ende Oktober offline gesetzt. Sehr erfreulich, dass einem (ich habe noch von einem weiteren "Rechtsanwalt" ein ähnliches Schreiben erhalten) dieser unseriösen professionellen Abmahner jetzt das Handwerk gelegt wurde!

  8. 4.

    Wohin können sich denn Betroffene wenden, um ggf. Schadensanspruch geltend zu machen?

    Mit freundlichen Grüßen

  9. 3.

    "Internetseiten, die diese Schriftarten nutzen, übermitteln automatisch die IP-Adressen von Besuchern der Seite an die Firma Google."
    Das ist so nicht korrekt. Die Internetseiten verweisen darauf, dass die benötigten Fonts von den Google-Servern geladen werden müssen, und der Browser des Besuchers nimmt dann Kontakt zu den Google-Servern auf, wobei diese natürlich die IP-Adresse des Besuchers kriegen (prinzipbedingt; ein Server muss ja wissen, wohin er die angeforderten Daten schicken soll). Die Internetseiten mit den eingebetteten Fonts selbst übermitteln so nichts an Google.

  10. 2.

    Wenn das die bekannt-brüchtigte RAAG Kanzlei war, würds mich mal freuen.

  11. 1.

    Sehr gut das hier endlich mal einen der vielen Betrüger die seit Jahren ihre kriminellen Machenschaften im Netz durchführen ein Riegel vorgeschoben wird !!

Nächster Artikel