Hilferuf an die Landesregierung - Oberhavel beklagt zunehmendes Müll-Problem in den Wäldern
Kanister, Bauschutt, Plastiksäcke, Chemikalien: In den Wäldern des Landkreises Oberhavel werden immer häufiger Abfälle im großen Stil entsorgt. Die Kommunen haben die Nase voll und fordern Hilfe. Doch das Umweltministerium macht wenig Hoffnung. Von Karsten Zummack
- Förster stoßen immer häufiger auf Baumüll
- Chemikalien sind tickende Zeitbomben bei Waldbränden
- Landkreis fordert mehr Schranken für Wald-Zufahrten
- Umweltministerium hält Forderungen für nicht realisierbar
Seit fast 20 Jahren leitet Frank-Michael Hintze die Oberförsterei Neuendorf und kümmert sich in dieser Funktion um die Wälder in ganz Oberhavel. Eigentlich hat Hintze genug zu tun. Trotzdem muss er sich immer wieder Zeit abknapsen, um mit seinem geländegängigen Dienstwagen auf Müllstreife zu fahren.
An diesem Morgen hat seine Behörde eine Meldung bekommen, wonach zwischen Summt und Zühlsdorf schon wieder illegal entsorgte Abfälle entdeckt wurden. Hintze biegt in einen Waldweg ein, und schon nach etwa 300 Metern fallen ihm die rot-weißen Absperrbänder der Polizei auf. Dahinter türmen sich blaue Müllsäcke sowie etwas größere sogenannte Big Packs. Der Oberförster schüttelt verärgert den Kopf.
Müllmenge hat sich verdreifacht
"Das sind offenbar wieder drei, vier Kubikmeter. Wir sehen hier alte Dämmstoffe, das stammt von einer größeren Baustelle", vermutet Hintze. Er deutet auf eine kleine Wendeschleife im Wald - offenbar gute Bedingungen für die illegalen Abfallentsorger, die wahrscheinlich mit einem kleinen LKW unterwegs waren.
"Seit 2019 hat sich die Menge des gefährlichen, illegal entsorgten Mülls im Kreis verdreifacht", rechnet der Mann in Forstuniform vor. Auffällig dabei: Meist wird der Abfall im Berliner Speckgürtel nahe Autobahnen oder Landstraßen abgeladen.
Gefährliche Hinterlassenschaften im Wald
Das bestätigt auch Filippo Smaldino. Der SPD-Kommunalpolitiker ist Bürgermeister der Gemeinde Mühlenbecker Land und lebt im Ortsteil Zühlsdorf. Selbst an freien Wochenenden streift er sich öfter eine Ordnungsamtsweste über und geht - halb privat, halb im Amt – im benachbarten Wald spazieren. Natürlich weisen Schilder darauf hin, dass die Zufahrt für Pkw hier bis auf wenige Ausnahmen untersagt ist. Doch immer wieder beobachtet Smaldino, dass Kleintransporter trotzdem durchfahren. So manch einer dürfte eine brisante Ladung an Bord haben.
"Jedes Wochenende haben wir in der Gemeinde etwa 20 Funde", sagt der Bürgermeister. Offenbar sind die Umweltverschmutzer keineswegs zimperlich. Smaldino stapft gemeinsam mit dem Rathaus-Fachmann durch das trockene Geäst des Kiefernwaldes, deutet auf mehrere Kanister mit Chemikalien. Einer ist leer, scheinbar schon ausgekippt. "Und das in einem Kiefernwald, der gerade hochtrocken ist", schimpft er. "Wenn sich da was entzündet, dann werden unsere Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr dem kaum noch Herr werden."
Hilferuf an die Landesregierung
Filippo Smaldino gehört zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes an Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90 / Grüne). 15 Bürgermeister und der Landrat des Kreises Oberhavel haben ihn aufgesetzt und am 2. Mai versendet. "Bitte geben Sie uns die nötigen Mittel an die Hand, die es braucht, um unsere Wälder effektiv zu schützen!", heißt es in dem Hilferuf an die Landesregierung. Schließlich habe das Problem in den vergangenen zwei, drei Jahren massiv zugenommen.
Die Unterzeichner fordern mehr Unterstützung bei Beräumung und Bekämpfung der eigentlichen Ursachen sowie verstärkte Strafverfolgung und Prävention. "Ich würde mir wünschen, dass wir die Möglichkeit kriegen, dass man die großen Einfahrten der Wälder beschranken kann", erklärt Smaldino. Wer rein muss, solle Schlüssel bekommen. Außerdem bringt der Bürgermeister punktuell eine Kameraüberwachung ins Spiel. "Nichts schützt vor wirklicher Kriminalität. Aber zumindest glaube ich, dass wir es einschränken können."
Keine lückenlose Überwachung möglich
Auf den offenen Brief kam bislang noch keine Antwort. Doch auf rbb-Nachfrage teilte das Umweltministerium mit, dass es sich um ein "brandenburgweites Problem" handele. Seit einiger Zeit lasse sich der Landkreis Oberhavel als einen Schwerpunkt erkennen. "Die Mengen und die Regelmäßigkeiten zeugen von einem organisierten Vorgehen und hoher krimineller Energie", heißt es weiter. "Das Umweltressort ist dazu mit der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Umweltkriminalität im Austausch."
Die Vorschläge aus dem offenen Brief seien "allerdings nach unserer Einschätzung leider nicht umsetzbar". Bei 1,1 Millionen Hektar Wald und tausenden Waldwegen seien weder eine lückenlose Überwachung noch das Aufstellen von Schranken möglich und zielführend.
Hohe Kosten für Abtransport und Entsorgung
Oberförster Hintze ist derweil bei seiner Müllstreife in einem anderen Waldstück angekommen. Dort türmen sich Dutzende blaue Säcke, unter anderem gefüllt mit Bitumen und Glaswolle. Daneben liegt Dachpappe. "Diese Abfallarten sind sehr teuer bei der Deponierung", so Hintze.
Während die Umweltverschmutzer hier gespart haben, muss die Forstbehörde mit Fachleuten den Müll abtransportieren und später entsorgen lassen. Alleine 2021 sind laut Brandenburger Umweltministerium etwa 7.600 Kubikmeter an Müll eingesammelt worden. Das kostet mittlerweile insgesamt mehr als 300.000 Euro im Jahr - allein im Kreis Oberhavel. Geld, das am Ende auf die Steuerzahler umgelegt werden muss.
Sendung: Btandenburg Aktuell, 28.05.2023, 19:30 Uhr