Klassenfahrt in Brandenburg abgebrochen - Polizei befragt Jugendliche zu Rassismus-Vorfall in Heidesee
In Heidesee sollen Berliner Schüler rassistisch beleidigt und bedroht worden sein. Erst im April hatten Lehrkräfte einer Schule in Burg von rechtsextremen Vorfällen berichtet. Laut einer Brandenburger Opferberatungsstelle ist das nur die Spitze des Eisbergs.
Nach rechtsextremen Vorfällen in einer Schule in Burg (Spreewald) und rassistischen Anfeindungen gegen eine Berliner Schulklasse in Heidesee (Dahme-Spreewald) stehen Ermittlungen und Aufarbeitung im Fokus.
Die Polizei befragt noch in dieser Woche Schülerinnen und Schüler zu dem rassistischen Vorfall in einer Freizeiteinrichtung am Frauensee. Wie eine Polizeisprecherin am Dienstag mitteilte, würden Brandenburger Beamte dafür in die Hauptstadt fahren. Der Staatsschutz ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Bedrohung.
Unterdessen sind Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt alarmiert über zunehmende Aggression gegen Kinder und Jugendliche. Sie registrieren eine Zunahme rassistisch motivierter Angriffe gegen Kinder und Jugendliche.
Bundesinnenministeriun Faeser fordert schnelle Aufarbeitung
Schülerinnen und Schüler einer zehnten Klasse aus Kreuzberg, größtenteils mit Migrationshintergrund, wollten am Wochenende am Frauensee ein Mathematik-Camp veranstalten. In der Nacht zum Sonntag sollen sie dann von anderen Gästen der Einrichtung rassistisch beleidigt worden sein und reisten daraufhin ab.
Am Montag wurde bekannt, dass sich anlässlich des Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkriegs knapp 50 Anhänger der putinnahen Rockergruppe "Nachtwölfe" in einer Ferienanlage in Heidesee einquartiert hatten. Ein Zusammenhang zum Vorfall am Frauensee besteht offenbar aber nicht, die "Nachtwölfe" sollen nach Angaben der Gruppe auf "Facebook" in einer anderen Anlage untergekommen sein.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte am Dienstag, die mutmaßlich rassistischen Vorfälle in Heidesee möglichst schnell aufzuarbeiten. Ziel müsse es sein, zu verhindern, "dass so etwas noch einmal passiert". Den Rechtsextremismus nannte Faeser "die größte Bedrohung für Demokratie in unserem Land".
Gemeindevertreterin äußert sich bestürzt
Weil Verdacht auf politisch motivierte Straftaten besteht, hat der Staatsschutz des Brandenburger LKA die Ermittlungen übernommen, die wegen Volksverhetzung und Bedrohung geführt werden. Allerdings ist über die Hintergründe der mutmaßlichen Täter bislang kaum etwas bekannt. Von 28 Personen seien die Identitäten festgestellt worden, sagte eine Polizeisprecherin am Montag. Ob es sich bei allen um Tatverdächtige handele, sei noch unklar hieß es zunächst - und auch am Dienstag gab die Polizei auf Anfrage keine weiteren Details bekannt.
Kristin Drukiewicz (CDU), Mitglied im Ausschuss für Kita, Schule und Soziales in der Gemeinde Heidesee, äußerte sich im Gespräch mit dem rbb am Dienstag bestürzt über den Vorfall. "Ich bin schockiert, dass so etwas in unserer Gemeinde passiert ist, Rassismus verurteilen wir aufs Schärfste. Mich überrascht dieser Vorfall aber auch, so etwas hat sich hier nie ereignet und bisher ist mir auch nichts über eine rechtsextreme Jugendszene in Heidesee bekannt."
Kinder der "Basballschlägerjahre"-Generation
Anne Brügmann vom Verein Opferperspektive, einer Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt, sagte im Gespräch mit dem rbb am Dienstag hingegen, sie würde sich nicht über rechtsextreme Umtriebe bei den Jugendlichen in der Region wundern. "In unserer Arbeit kommt es immer mal wieder vor, dass Schülerinnen und Schüler, die gemeinsam unterwegs sind angegriffen werden."
Königs Wusterhausen sei in den 90er Jahren zudem ein absoluter Schwerpunkt rechter Gewalt gewesen, so Brügmann. "Nach wie vor ist es ein Gebiet mit sehr verfestigten rechten Strukturen. Wir erleben es häufig, dass es sich bei den jungen Menschen, die als Täter bekannt werden, um die Kinder der 'Baseballschlägerjahre'-Generation handelt."
Allein im vergangenen Jahr habe der Verein 137 rassisitische und antisemitische Gewalttaten mit fast 300 Betroffenen registriert. "Wir nehmen deutlich mehr rechtsextremistische Taten auf, als die Polizei als rechtsextremistisch anerkennt aber auch wir wissen, dass wir nur einen Bruchteil von diesen Leuten erreichen, die von solchen Vorfällen betroffen sind. Was davon am Ende bekannt wird, ist nur die Spitze des Eisberges."
Demonstration vor Schulamt in Burg
Unterdessen werden in Brandenburg die Rufe nach mehr Mitteln für Projekte gegen Rechtsextremismus laut. Vertreter mehrerer Landtagsfraktionen haben sich am Dienstag in Potsdam dafür ausgesprochen, deren Finanzierung zu verbessern.
SPD und Grüne etwa verlangen, die Demokratiebildung auch außerhalb der Schulen zu stärken. Aus der Linken kommt die Forderung, mehr in die Bildungs- und Jugendarbeit zu investieren. Die Freien Wähler kündigten an, das Thema in der nächsten Sitzung des Innenausschusses auf die Tagesordnung zu setzen.
Ende April hatten sich mehrere Lehrkräfte einer Schule in Burg (Spreewald) in einem Brandbrief über rassistische, sexistische und homophobe Vorfälle berichtet. "In diesem Zusammenhang melden sich auch Lehrkräfte anderer Schulen, die ähnliche Dinge berichten und sagen, dass sie nicht wissen wohin mit diesen Erfahrungen."
Die Lehrkräfte, die in einem anonymen Brief rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule in Burg öffentlich gemacht haben, wollen an diesem Dienstag gemeinsam mit anderen Lehrern, Schülern und Eltern gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus demonstrieren. Die Verfasser des Briefes beklagen, dass sie täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Die Kundgebung vor dem Cottbuser Schulamt findet unter dem Motto "Vielfalt statt Einfalt - Schule ohne Diskriminierung" statt. Initiiert hat den Protest das Bündnis "Schule für mehr Demokratie".
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 09.05.2023, 19:30 Uhr